Langfristige Personalplanung

guylang —  28. November 2012 — Kommentiere

Der elegante Vogel ist aus Metall, etwa 1.50 m hoch, hat einen ganz langen Schnabel und sieht beim Näherkommen aus wie ein Storch. Ist ja irgendwie logisch, schliesslich steht er vor der dem Eingang zur Geburtenabteilung im Spital. Unübersehbar. Und unübersehbar sind auch die farbigen Zettel  –  rote, gelbe blaue grüne – die er statt gewickelter Babys im Schnabel trägt. SAMSUNGLaut Volksmund bringt er ja den Nachwuchs zu den glücklichen Eltern. In einer Gynäkologie wäre er mit der lebendigen Last gewichtsmässig völlig überfordert: 3980g, 2870g, 4270g, 2770 g, 3940 g… Diese Angaben sind von Hand auf die Karten geschrieben, zusammen mit Namen, Datum, Grösse und Geburtsstunde.

Das wäre ausser für Verwandte und Freunde ja nicht besonders interessant, gäbe es nicht ungeahnte Perspektiven für Recruiter. Kurzfristig nützt der silberne Vogel allerdings nichts. Aber er bietet ungeahnte Zukunftsperspektiven. Wie wir alle wissen, herrscht Personalmangel für Fachkräfte. Nun können Headhunter, Personalchefs und andere Suchende sich die öffentlichen Informationen in der Geburtsklinik holen.

Also da steht beispielsweise – die Namen sind der Redaktion bekannt, hier allerdings verändert – «Tom; 19.7.; 12.45; 4020g, 50 cm» oder «Irene, 19.7.; 9.28; 2730 g; 46 cm». Wer nun einen eher kräftigeren Facharbeiter sucht, wird Tom im Auge behalten, eine Modelagentur hofft auf lang wachsende Beine bei Irene. Wichtige Angaben sind auch die Geburtszeiten. Als Nachtwächter ist «Franz, 01.40» sicher eher geeignet als Fritz, der sich bis 14.30 Zeit gelassen hat.

Als Quell von Namensinspirationen lässt sich der Schnabelinhalt des Vogels ebenfalls gebrauchen. Leoarba, Flurin Lion oder Dustin Liam – klingen diese Namen nicht schön? Diese Menschen scheinen prädestiniert für ein Leben in fernen, abenteuerlichen Ländern. Als Reiseleiterin, Archäologe oder bündnerischer Bergjäger, der statt eines Bären einem Löwen nachpirscht.

Ob allerdings Castingprofis von künftigen Oscarpreisträgerinnen und -trägern hier fündig werden, ist fraglich. Denn in Wirklichkeit sehen alle Neugeborene bis ins Alter von rund einem Jahr ziemlich gleich aus (ich weiss, dass ich für diese Behauptung Proteste in Orkanstärke ernten werde). Und Fotos nach Ausbildung individueller Gesichtszüge trägt der Storch ja nicht mit.

erschienen in HR Today, September 2012

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