«Aufgefallen – gedacht»

«Wenn zwei Menschen immer die gleiche Meinung haben, ist einer von ihnen überflüssig», Sir Winston Churchill (18784 bis 1965), britischer Staatsmann und Literaturnobelpreisträger

Dem ist nichts hinzuzufügen. Denn stellen Sie sich folgende bizarre Situation vor: Ein äusserst komplizierter Fall. Ein Dreierteam, das eine Lösung finden soll. Zwei diskutieren hin und her, suchen Lösungsmöglichkeiten. Nur ein Teammitglied kann sich zu keiner eigenen Meinung durchringen und erklärt zu allen und allem: «Genau meine Meinung». Klar: überflüssig. Egal worum es geht.

Oder: Sie müssen eine private Entscheidung von grösserer Tragweite treffen und hoffen auf Hilfe beim besten Freund oder der besten Freundin. Zu allem was sie vortragen, sagt er oder sie: «Da bin ich gleicher Meinung». Da können Sie gleich auf eine anregende Diskussion verzichten.

Harmonie ist ja schön und gut, sie hilft nur oft nicht weiter. Denn eine gesunde Streitkultur regt an, schärft die Kunst der Argumentation und verspricht im besten Fall überzeugende Lösungen.

Leider scheinen in der heutigen Zeit zahlreiche Entscheidungsträger lieber Ja-Sager zu sich zu scharen. Da lob ich unsere Demokratie mit all ihren Reden und Gegenreden, Widersprüchen und ausdiskutierten Lösungsansätzen. Klare Meinungen bringen weiter.

 

Gewaltexzess

Bahnhof Turbenthal. Unten links auf dem zerstörten Apparat steht «Real Taste – Try Now!». Diese Aufforderung könnte jemanden animiert haben, den «echten Geschmack» sofort zu probieren. Dieser Jemand suchte in allen Taschen nach Kleingeld, fand jedoch nur eine grosse Note. Und kein Mensch in der Nähe, der hätte wechseln können. Frust. Doch die Werbebotschaft liess ihn nicht los. Der Drang, diesen wunderbaren Geschmack auszukosten wurde derart überwältigend, dass er an dem Kasten schüttelte, sich selber in Rage hineinsteigerte und schliesslich zuschlug. Gewalt brachte ihm zum Ziel.

Zurück bleiben Scherben, Zerstörung und Chaos. Diesmal hat es einen Automaten getroffen, er wurde Opfer der brutalen Durchsetzung eigener Gelüste und egozentrischen Willens. Doch wie ist es, wenn einem selbstsüchtigen Ziel Menschen im Weg stehen? Liegen dann statt Metallfedern und Glassplittern Haarbüschel, Blut und Knochen auf dem Boden?

Gewalt ist nie eine Lösung und wir müssen alles unternehmen, dass wir unserer – ziemlich – gewaltbereiten Zeit Paroli bieten.

 

Wie ein Barockes Stillleben

Zugegeben, für Vegetarier und Veganer ist dieses Bild nicht gedacht. Diese üppige Ansammlung von Fleischeslust habe ich in einer privaten Küche entdeckt, kurz vor einer feierlich begangenen Zusammenkunft geladener Gäste. Nichts war arrangiert, die luftgetrockneten Fleischstücke und Würste warteten darauf, aufgeschnitten und aufgetischt zu werden. Dahinter das Bild der Melonen, die Frische und Saftigkeit vermitteln, eine Mischung, die köstlichen Genuss verspricht.

Das Ganze erinnert mich in seiner Ästhetik an ein Stillleben aus dem Barock, erfüllt von der prallen Sinnlichkeit des Essens. Ganz im Gegensatz zu den meisten Angeboten in unserer Zeit: meist sind Esswaren steril verpackt, oft in Plastik eingeschweisst. Ich muss Sachen kaufen, die ich nicht riechen kann, auf deren geschmacklichen Werte ich bei der Auswahl nur hoffen kann. Das ist ein wesentlicher Grund, warum ich Märkte liebe.

Doch zurück zum Bild. Ich weiss, dass in dieser Küche auch wunderbar gefüllte Salatschüsseln und Obstteller vorbereitet waren. Da wären auch Vegetarier und Veganer zu einem schwelgerischen Genuss gekommen.

 

«Wir sollten uns wieder einmal ins Gelingen verlieben», Christian Wulf, deutscher Ex-Bundespräsident

Seine Erfahrungen waren schlecht, die meisten Projekte, die der junge Mann angepackt hatte, misslangen. Er wollte ein Gestell zimmern – mit zwei linken Händen wurde es schief. Er wollte seine kleinen Ersparnisse gewinnbringend anlegen – finanziell war er eine Niete. «Dank» solchen Pleiten mutierte er zum Pessimisten. «Self fullfilling prophecy» – das wenigstens klappte hervorragend: alles ging in die Hose. Als er eine hübsche Frau kennenlernte und sich verliebte, wagte er es nicht, sie anzusprechen. Er hatte Angst vor dem sicheren Korb. Doch – oh Wunder –sie verliebte sich auch in ihn. Da sie eine unverbesserliche Optimistin war, offenbarte sich ihm.

Seither sind sie ein Paar. Eine ideale Kombination, Pessimismus versus Optimismus. Im Laufe der Zeit gelang es ihr, ihn zu überzeugen, dass er an das Gelingen glauben solle. Er hatte zwar noch immer zwei linke Hände, nach wie vor keine Ahnung von Finanzen. Doch seine neue «Self fullfilling prophecy» hiess nun: «Ich kann!» Und weil es die Verliebtheit war, die ihn so weit gebracht hatte, verliebte er sich in die Überzeugung: «Mir gelingt alles».

 

Das gefundene Ei

Ein älteres Bienenhotel, am Boden liegend, fast vergessen. Die Insekten sind längst ausgezogen. Doch eines Tages liegt ein Ei darin. Für Vögel ist der Zugang beschwerlich, der Holzkasten befindet sich am Boden, gefährlich für eine Vogelfamilie. Als Nest ist er unbequem, Strohhalme und Blätter bieten keine lauschige Unterlage. Eine seltsame Angelegenheit.

Die Nachfrage beim Vogelprofi ergibt zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit, dass es sich um ein Taubenei handelt. Warum es dort gelandet ist, dafür hat er zwei mögliche Erklärungen: Die Taubendame war in Legenot oder ein räuberischer Vogel, vielleicht auch ein Wiesel, hat das Ei als Notvorrat versteckt.

Ich denke, wir wissen sehr wenig darüber, was sich in unseren Gärten alles so an Tierdramen abspielt. Geheimnisvoll ist der Fund allemal. Im Stillen bin ich überzeugt, dass es der Osterhase, animiert vom warmen Januar ein Probenest bestückt hat. Sicher hat er eingesehen, dass ein verlassenes Bienenhotel nicht der beste Ort ist. Aber er hat ja bis April noch ein bisschen Zeit zum Suchen.

 

«Eigentlich bin ich ganz anders. Ich komme nur selten dazu.» Ödön von Horváth (1901 bis 1938), österreich-ungarischer Schriftsteller

Auf einem Spaziergang mit einem Freund plauderten wir über dies und das, waren bestens gelaunt und freuten uns auf eine Pause in einer Beiz. Da begegnete uns einer seiner Arbeitskollegen. Wir begrüssten uns und wechselten ein paar Worte. Dann fragte dieser, ob er mit uns kommen könne, er habe Zeit. Wir konnten nicht nein sagen und setzten den Weg zu Dritt fort. Doch die fröhliche Stimmung war weg. Wir sprachen ganz anders, wir verhielten uns ganz anders. Wir waren etwas enttäuscht, denn Gelegenheiten, locker miteinander zu tratschen, sind rar.

Im Beisein einer anderen Person verhält man sich ganz anders als wenn man alleine ist. Mit dem Gegenüber verändert sich die Haltung, der Sprachstil, die kommunizierten Gedanken. Ich glaube das trifft auf alle zu, jede und jeder spielt je nach Situation eine Rolle. Die vorgesetzte, die angestellte, die erziehende, die gehorchende, die tobende, die unterwürfige, die schmeichelnde die bestimmte, oder so. Jedes Mal ist man ganz anders, ohne sich selber zu verleugnen oder zu verraten.

Darum erhebt sich die Frage: Wie bin ich eigentlich? Und wann? Eigentlich bin ich ganz anders. Aber ich bin selten alleine.

 

Trampeln und mahlen

Brüssel – Flughafen. Einige Jugendliche sitzen nebeneinander vor Holzgestellen und strampeln. Ich wundere mich, mitten in der grossen Halle ein Fitnesszentrum? Und darin Menschen in Reisekleidung? Auf den zweiten Blick realisierte ich, dass die sportlich Aussehenden mittels Tretens ihre Mobiles aufladen und dabei kichern und plaudern. Klar, Velofahren erzeugt Energie, also Strom.

Schweiz – Tüftler kamen auf die Idee, dass sie mit Bewegung eine klappernde Mühle betreiben können. Wie der rauschende Bach. Und während die Zutaten fürs gesunde Müesli in Form gebracht werden, kann man lesen, sich fit halten oder alles, was die eigene Fantasie als Nebentätigkeit hergibt betreiben.

Bern – Besonders findig ist der Betreiber eines kleinen Fitnesscenters. ist Fitness in, gesund essen ist in. Und beim Fitten wird Mais gemahlen oder werden Sonnenblumenkerne, Nüsse und dergleichen zermalmt. Pro Saison beispielsweise rund eine Tonne Raps zu 300 Litern Öl verarbeitet, wir Radio SRF berichtete.

Energie verbrennen und gleichzeitig Energie schaffen – eine win-win-Situation.

 

 «Spare in der Zeit, so hast Du in der Not», Sprichwort

Masshalten ist hier die Devise, Sparen statt sinnlos Ausgeben. So haben es meine Grosseltern gehalten, so wurde ich erzogen. Also brav aufs Sparbuch einbezahlt, was nicht unmittelbar gebraucht wird. Dafür gab’s Zinsen, es wurde somit noch mehr gespart. Aber heute? Negativzinsen.

Die Frage bleibt bestehen. Leben wir in einer Zeit, in der altgediente Sprichwörter ihren Sinn verloren haben, in der sie auf den Müll gehören? Wie halten wir es künftig mit Sparen?

Wir müssen den Sparbegriff weiter fassen, ihn von Franken und Rappen befreien, entgegen unserem Ziel der Geldanhäufung. Dann ist Sparen immer noch sinnvoll, mehr denn je. Nämlich bei Ressourcen. Das kommt unserer Umwelt zu Gute. Zum Beispiel bei Nahrungsmitteln. Kaufen wir nur das Nötigste, können wir alles essen, es bleiben keine Reste, Foodwaste wird verhindert. Um Beispiel Licht. Erleuchten wir unser zu Hause nicht wie einen Palast, sparen wir Energie, somit natürlich auch Ausgaben.

Fazit: Sprichwörter haben nach wie vor Gültigkeit, man muss sie nur ins Jetzt transferieren.

 

Zart – aber zäh

Eine Steinmauer, ein schmaler Spalt, keine Erde in Sicht. Doch die grüne Pflanze trotzt den Widrigkeiten und wächst munter aus dem Stein heraus. Mich fasziniert, wie wenig gewissen Lebewesen – und Pflanzen leben – brauchen, um ihren Lebenszweck zu erfüllen. Nämlich sich fortzupflanzen, die Art zu erhalten. Ich bewundere die Kraft, die aus einem Minimum an Möglichkeiten ein maximales Ergebnis erzielt.

Mit unseren Begriffen «Effizienz» oder «optimale Ressourcenverwertung» können wir die Lebensweise dieser Pflanze zwar beschreiben, treffen auch das Ergebnis. Doch wirken diese Worte im Angesicht der Zartheit und Zähigkeit irgendwie hohl und banal. Doch für die Forschung können sie von Wichtigkeit sein, denn wenn wir erforschen und verstehen, woher diese Pflanze ihre Kraft nimmt, können wir für uns Menschen ableiten, wo wir welche Kräfte einsetzen müssen, um ein entsprechendes Ergebnis zu erzielen.

Auch wenn wir nur über dieses Bild der Pflanze im Stein staunen, regt uns die Bewunderung darüber an.