«Die Oper ist kein Museum»

guylang —  28. November 2012 — Kommentiere

Umstrittene Regisseurin Ruth Berghaus inszeniert in Zürich (1994)

Zürich – «Katja Kabanova», Oper von Leôs Janácek, hat heute Premiere. Inszeniert hat Ruth Berghaus (67), die mit ihrer Arbeit oft Kontroversen auslöst. Blick sprach mit der deutschen Regisseurin.

Ruth Berghaus

Was reizt Sie an Katja Kabanova?
Ruth Berghaus: «Das Thema ist sehr aktuell, obwohl es um 1860 spielt: Junge Leute sind in traditionelle Rituale eingespannt, fühlen und empfinden aber anders. Sie wollen raus. Sie sehen aber keinen Ausweg.»

Der Text wird übersetzt und als Obertitel über der Bühne eingeblendet. Finden Sie das gut?
«Nein, Wenn man soviel Geld ausgeben kann, hat man auch das Geld , ein Textbuch zu kaufen. In einer halben Stunde haben Sie das gelesen. Wenn man sich die Mühe gibt, sich anzuziehen, zum Coiffeur zu gehen, einen Tisch zu bestellen, kann man sich auch die Mühe geben, das Textbuch zu lesen. Theater ist kein Kino.»

Hat Ihnen die Probezeit gereicht?
«Ja, Wenn alle konzentriert und verantwortungsbewusst arbeiten, geht’s. Leider muss ich oft energisch werden.»

Wie verlaufen die Proben?
«Als Regisseurin muss ich drei Stunden die Leute produktiv und kreativ machen. Das ist wie ein Ping-Pong-Spiel: Das überträgt sich dann auf die Technik und auf die Zuschauer.»

Was reizt Sie an der Zürcher Oper zu arbeiten?
«Die Oper hat eine gute Atmosphäre, ein gutes Ensemble. Dann kenne ich die Sänger und sie verstehen mich.»

Wie gefällt Ihnen die Stadt?
Ich kenne nur den Weg von wo ich wohne zum Theater und zurück.»

Was ist Ihre ‹Philosophie› des Inszenierens?
Musiktheater findet statt mit dem Zuschauer. Er wird angeregt, über das nachzudenken, was er sieht und für sich Vorschläge zu machen.»

Ihre Inszenierungen werden oft abgelehnt.
«Es gibt nicht die richtige Inszenierung. Die Aspekte, die ein Stück bestimmen, ändern sich wie die Zeitläufte. Theater ist kein Museum.»

Wie reagieren Sie auf Inszenierungen Ihrer Kollegen?
«Ich hoffe immer, sie sind gut. Ich schaue mir gerne andere Arbeiten an, ich hoffe auf Impulse.»

Sie sind in Wien mit der Josef-Kainz-Medaille ausgezeichnet worden.
«Ja, für den ‹Kaukasischen Kreidekreis› von Brecht. Das hat mich sehr gefreut.»
Zum Inhalt der Oper:
Ein Opfer der heilen Welt. Katja leidet unter ihrer Schwiegermutter Kabanicha. Auch Tichon, Katjas Gatte, kann seiner Mutter nicht widersprechen. Tichon verreist, und Katja verbringt die Nächte mit Boris. Katja hat jedoch Gewissensbisse und beichtet alles. Alle wenden sich von ihr ab, sie sieht keinen Ausweg und ertränkt sich. Die «heile Welt» ist wieder hergestellt.

Erschienen im «Blick» am 8. 10. 1994

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