Traditionen und Nachhaltigkeit

guylang —  18. Dezember 2012 — Kommentiere

Ein Yak mit blauen Füssen ziert einen kleinen Teppich, den wir einst aus Nepal mitbrachten. Wir brauchen das 40 mal 40 cm messende Stück als Unterlage, immer wenn wir unsere zwei bis drei Skatabende pro Jahr als Ritual mit einem Freund zelebrieren. Er besucht uns, wir schlürfen einen Gin Tonic, die Unterlage wird ausgebreitet und die Karten verteilt.

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Nach etwa einer Stunde machen Yak, Karten und Gläser Platz für Teller und einen Imbiss. Nach der Pause kommen sie wieder zu Ehren.Ehre hat der kleine Yak auch verdient. Ist er doch handgewoben und stammt von einer Frau, die nach einer mühseligen Wanderung über steile Pässe und hohe Berge von Tibet nach Nepal gelangte. Dort produzierte sie in einem dunklen Raum auf dem feuchten Boden Teppiche, um sich und ihre Familie mehr schlecht als recht durchzubringen. Ihr Handwerk hat sie auch ihrem Nachwuchs weitergegeben, die Tradition, auf die sie so stolz war, sollte erhalten bleiben. Ihr Sohn hat denn die Teppichfabrikation ausgebaut und modernisiert, arbeitet mit Laptop und Handy. Auch die Arbeitsbedingungen wurden verbessert, die Produktion gesteigert.

Ebenfalls wurden die Umweltprobleme, die durch das verseuchte Wasser der Färbereien entstanden sind, in Angriff genommen: Projekte, welche die Wollfärbereien am dem Rand der Siedlungen verlagern sowie Wasseraufbereitungsanlagen werden installiert. Aus einer Tradition entwickelte sich ein nachhaltiger und zukunftsträchtiger Arbeitszweig mit modernen Designteppichen.

«Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah!» – auch bei uns gibt es zahllose Beispiele für Altes, welches von Jungen in neuer Form weitergeführt wird. Neulich – auf einer Wanderung in der Innerschweiz – stiessen wir auf einen Gasthof, den wir von früher kannten. Eine dunkle, verrauchte Stube mit abgeschabten Plastiktischtüchern. Um so grösser war unser Erstaunen, als wir eintraten: gestylte Tische, ansprechende Sets, ein verlockendes Speiseangebot. Statt vor Fett triefender Rösti gab’s Salatvariationen, satt abgestandenem Kaffee aus einer Thermoskanne frisch gebrühten Espresso, statt mürrischer Serviertochter aufgestelltes, junges Personal.

Ob Himalaya oder Voralpen, ob globalisiert oder local business, Traditionen haben wir gern, Bewährtes lieben wir. Um so wichtiger ist der innovative Umgang mit diesen Traditionen. Nachhaltigkeit stellt sich dank der Lebendigkeit von Überliefertem durch neue Ideen ein.

Erschienen in HR Today 12/2011

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