Oscar A. Kambly – Der Unternehmer auf der Suche nach Wahrhaftigkeit

guylang —  12. Juni 2012 — Kommentiere

Oscar A. Kambly führt das Familienunternehmen Kambly in der dritten Generation. Der Erfolg des Gebäckfabrikanten gründet auf kompromissloser Qualität und modernster Technologie. Dazu kommt seine Vision, dass einfühlsame und hilfsbereite Menschen eine völlig neue Zukunft entstehen lassen können.

2006 Oscar A. Kambly

Am Anfang war das Bretzeli. Das Gebäck für festliche Anlässe – die Wurzeln des traditionsreichen Biscuits

reichen einige Jahrhunderte zurück – wurde ursprünglich in einem zweiarmigen Eisen im offenen Feuer gebacken. Oscar R.Kambly, Grossvater des heutigen Besitzers und Verwaltungsratspräsidenten, hatte vor genau hundert Jahren die Idee, das Bretzeli nicht nur für die Familie, sondern auch für den Verkauf zu produzieren. Der Keim für die Biscuitfabrik war gelegt.

Oscar A. Kambly führt die Firma ganz im Sinne des Gründers. Oberstes Prinzip ist Qualität. «In einem Brief meines Grossvaters steht der Satz: ‹Kambly-Qualität ist, wenn jede Veränderung eine Verschlechterung wäre›», betont der distinguiert wirkende Unternehmer mit angenehm dunkler Stimme. Qualität bezieht sich nicht nur auf die Produkte. Sie wird von Mitarbeitenden ebenso erwartet wie vom Kader. Denn schliesslich will Kambly mit feinsten Gebäcken den Kunden ein Stück Lebensqualität bieten – etwa um anderen eine Freude zu bereiten oder um schöne Momente zu zelebrieren. «Das können wir nicht, wenn wir nicht versuchen selber danach zu leben.»
Kambly ist eine traditionsreiche Firma, wobei «traditionell» in der ursprünglichen Bedeutung gemeint ist. Alte Werte werden erhalten und immer wieder in die heutige Zeit überführt. Kambly: «Wir glauben daran, dass in dieser schnelllebigen Zeit, in der die Modeerscheinungen kommen und wieder verschwinden, Werte wie Wahrhaftigkeit, Authentizität und persönliches Vertrauen langfristig bedeutsam sind.»

Konkret wird das Suchen nach steter Verbesserung und Pflegen der obersten Werte in der täglichen Arbeit gelebt, in jeder Situation umgesetzt. Einmal im Monat trifft sich das oberste Kader mit dem Human-Resources-Spezialisten des Verwaltungsrates und spricht darüber, was es heisst, eine gute Führungskraft zu sein. Anhand aufgetretener Tagesprobleme überlegen die Beteiligten gemeinsam, wie die Schwierigkeiten gemeistert werden können und wie sie eine ideale Führungskraft gelöst hätte. Denn: «Man kann nur ein guter Vorgesetzter sein, wenn man ein guter Mensch ist.»
Für Oscar Kambly ist ganz klar, dass eine Gemeinschaft – und ein Betrieb mit über 400 Mitarbeitenden ist eine solche – nur funktionieren kann, wenn eine glasklare hierarchische Ordnung besteht. Entsprechend dem menschlichen Köper, wo Kopf, Herz oder Nerven jeweils eine andere Funktion übernehmen, hat jede Person bei Kambly ein anderes Amt. «Der Präsident ist nicht wichtiger als der Magaziner. Er erfüllt nur eine andere Aufgabe und trägt nicht die gleiche Verantwortung», erläutert Kambly. Das Verhätnis zueinander ist getragen von gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Achtung. Man kennt sich, isst am Mittag gemeinsam an den gleichen Tischen. Dabei gibt es keine Sitzordnung, jeder kann sich hinsetzen, wo er will. Auch der Chef.
Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit haben oberste Priorität, wenn man bei Kambly arbeiten will. Alles, was jeder tut, muss mit diesen Werten übereinstimmen. Bei Differenzen und Unstimmigkeiten wird offen darüber gesprochen, es ist wichtig, dass jeder in aller Offenheit zu Fehlern steht und sie im Dialog ausgeräumt werden. Das gilt genauso für die beruflichen Qualifizierungen. In Standortbestimmungen und Zielvereinbarungen wird der gemeinsame Weg festgelegt, die Ziele werden dann zusammen verfolgt.
Kambly will nicht nur eine ideale Geschäftsführung, auch wie der ideale Mitarbeitende aussieht, ist klar. Er beschreibt ihn mit einem Bild: «Ich lade alle zu einer Tour auf einen steilen Berg ein und wir verabreden uns für den frühen Morgen. Und dann kommt einer in Sandalen und einer ohne Regenschutz. Denen wünschen wir einen schönen Tag und lassen sie zurück. Denn ohne ausreichendes Rüstzeug gefährden sie sich und alle anderen.» Freiheit sei des Menschen höchstes Gut, das respektiere er bei jedem. Jeder könne arbeiten, wo und was er wolle, «aber wenn er sich für uns entscheidet, dann erwarten wir, dass er voll mitzieht».
Als Patron der alten Schule sieht sich Kambly trotzdem nicht: «Wir sind ein gewinnorientiertes Unternehmen, das ethische Selbstverpflichtungen hat, kein philanthropischer Verein.» Über all seinem Handeln steht seine Strategie als Eigentümer (siehe Kasten). Dabei stellt er die Fragen, wofür er sein Leben, sein Kapital einsetzen und mit welchen Werten er arbeiten will.

Die «kompromisslose Qualität» steht dabei an erster Stelle. Das beginnt beim Einkauf. Weil alle mit der Unternehmung Kambly verbundenen Beteiligten nach Mölichkeit zu berüksichtigen sind, werden die Rohstoffe aus der unmittelbaren Region bezogen. So kommen Mehl und Butter – so viel wie produziert wird – für die Bretzeli aus Trubschachen. Sämtliche Rohstoffe sind ohne Konservierungsstoffe, Aromen und Farben. Die Beeinträchtigungen der Hochkosteninsel Schweiz werden wettgemacht durch Kontinuität und Qualität der Produkte, des Personals und die Übersichtlichkeit der Standorte Lyss und Trubschachen. «Bei uns sind mehr als zehn Menschen, die seit über 40 Jahren für die Kambly arbeiten», freut sich Kambly. Diese Vertrauensbeziehung ist Voraussetzung zur Erhaltung und Weiterführung der «Kambly-Kultur», sie rechtfertigt das Festhalten an der ländlichen Umgebung des Emmentals. Die Atmosphäre im Betrieb vermittelt ein Gefühl der Menschlichkeit und Geborgenheit. Abseits der Hektik anonymer Grossagglomerationen konzentriert man sich auf die eigentliche Arbeit: auf das Produzieren von hochwertigen Backwaren.

Demzufolge verfolgt Kambly keine Aufkaufstrategien. Zwar müsse jeder Konsumgüterhersteller im Umfeld internationalisierten Wettbewerbs wachsen, doch stehe nachhaltiges, qualitatives Wachstum über schierer Grösse. Oscar A. Kambly: «Die Frage nach der kritischen Mindestgrösse entscheidet sich durch die klare Positionierung und innovative Lebendigkeit im Markt. Was ist die Leistung des Unternehmens? Was die Quelle der Wertschöpfung? Welche Kundenbedürfnisse befriedige ich im Vergleich zum Wettbewerb?» So konzentriere sich das Trubschachener Familienunternehmen weltweit auf die Nische im obersten Qualitätssegment. Dank seiner überschaubaren Grösse, die ein schnelles Reagieren auf Kundenwünsche erlaubt, gilt es in der Branche als Technologie- und Innovationsführer. «Kambly ist ein Hightech- Unternehmen, wir sind im Bereich Biscuitspezialitäten weltweit der modernste Betrieb», stellt Kambly fest. Dank der Konkurrenz – «sie ist sehr heilsam, sonst würde man hochmütig und träge» –, welche die Produkte kopiert oder angesichts der Übersättigung zu Grenzkosten verschleudert, ist Kambly immer wieder aufgefordert, weiter zu gehen und Neues zu kreieren.

Miniaturisierte feinste Gebäcke, die auf das Bedürfnis «klein, aber fein» zugeschnitten sind, mögen als Beispiel dienen. Sie sind leicht, geschmacksintensiv, luftig und knusprig. Zudem haben sie den Vorteil, dass sie haltbar und damit jederzeit bereit «für die kleine Freude» sind. Das ist für Länder ideal, in denen sich nicht wie in der Schweiz beinahe an jeder Ecke Confiserien befinden. Die Leute können sich problemlos einen Vorrat für unerwarteten Besuch halten. Oscar A. Kambly: «In diesen Ländern haben wir eine riesige Marktnische, das ist unser internationales Entwicklungsfeld.»
Auch bei der Art der Verpackung geht der Biscuithersteller auf die Präferenzen der einzelnen Nationen ein. Japaner lieben die Süssigkeiten einzeln verpackt, Italiener möchten «ambiente ed emozioni». Kambly: «In der Aufmachung sind wir marktspezifisch. Sie finden 50-Gramm-Päckli am Kiosk, Geschenkdosen und Artkollektionen in Fachgeschäften. Aber die Qualität ist immer gleich hoch, es bleibt immer ein Kambly.»

Neben den Guetzli ist Trubschachen bekannt für die Kunstausstellungen, die alle vier Jahre stattfinden. Alle Einwohnerinnen und Einwohner sind Mitglied des Kulturvereins, ohne einen Beitrag bezahlen zu müssen. Sie gestalten auf freiwilliger Basis das Konzept und die Realisierung. Kambly hilft dabei in der Rolle des Koordinators und Unterstützers. Mit den Ausstellungen soll die Schwellenangst vor Kunst abgebaut, das Verständnis für heutige Künstler und ihre Werke aufgebaut werden. Entlang einer Leitidee wie «Eigenständigkeit» oder «Wandel» führen Werke von den Ikonen der Schweizer Malerei – Hodler, Giacometti oder Anker – zu heutigen Kunstschaffenden und ihren Interpretationen. Der Briefträger, der Garagist, die Krankenschwester oder Hausfrau machen sich kundig und stellen die Künstler in Referaten der breiten Öffentlichkeit vor. «Ich bin oft als Beobachter bei den Vorträgen und ziehe im Stillen den Hut vor diesen Menschen», zeigt sich Oscar A. Kambly beeindruckt.

Privat hat der Fabrikant grosse Freude an klassischer Musik, den bildenden Künsten und der Literatur. Sie regen ihn an, bereichern sein Leben. Besonders Jeremias Gotthelf hat es ihm angetan: «Er ist weder ein blasser Bauerndichter noch ein Dichter der Vergangenheit. Seine zeitlose Botschaft geht auf die Grundfragen des Menschseins ein.» Echte Künstler sind immer auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Die Umwelt verändert sich, aber das Wesentliche am Menschen bleibt seit Plato, Dante oder Goethe gleich. Diese Fragen sind auch für den Fortbestand des Unternehmens von zentraler Bedeutung. «Die Firma Kambly soll von Menschen geführt werden, die Werte in ihrem Leben pflegen wollen.» Von Menschen und nicht von der Börse.
Welche Visionen hat Oscar A. Kambly? «Ich wünsche mir, dass möglichst viele Menschen sich daran erfreuen können, wenn wir uns gegenseitig Kraft geben. Zwar können wir die Welt nicht verändern. Aber wenn ein Mensch zu Hause einfühlsam, wahrhaftig, friedlich und hilfsbereit ist, sieht das Leben anders aus. Diese Einstellung trägt er dann an seinen Arbeitsplatz. Wenn zahlreiche Menschen so denken und handeln, entsteht eine völlig neue Zukunft.»

Guy A. Lang

Zur Person Oscar A. Kambly
Schon als Bub hatte der Enkel von Firmengründer Oscar R. Kambly grosse Freude daran, Biscuits nach altem Rezept zu backen, vor allem die legendären «Bretzeli» hatten es ihm angetan. Später studierte er Betriebswirtschaft, Wirtschaftsrecht und Marketing. Er und seine Frau Ursula sind alleinige Eigner des Schweizer Unternehmens, das für sein unverkennbares Gebäck weltweit bekannt ist.
Ziele der Eigentümer
«Kambly steht als Marke und Unternehmen für weltweite Markt- und Technologieführerschaft für qualitativ hochwertige Biscuitspezialitäten. Wir sind bestrebt, die Unternehmensgruppe Kambly in gesunder Entfaltung und in einem Raum der Offenheit und des Vertrauens zu nachhaltiger Wettbewerbsfähigkeit und Rentabilität zu führen, die mit ihr verbundenen Arbeitsplätze sowie die ständigen Erneuerungen und die Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten und Strukturen durch langfristige Selbstfinanzierung sicherzustellen. Wir wollen für alle, die mit der Unternehmung verbunden sind und auf unsere Produkte vertrauen, einen Beitrag zur Lebensqualität leisten; dieser Leitidee wollen wir nach bestem Wissen und Gewissen dienen und nach den uns angemessenen Kräften jeden Tag unser Bestes geben.»

Auszug aus HR Today 7/8 2006

 

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