Floristik – die Kunst Gewöhnliches neu zu sehen

guylang —  25. April 2012 — Kommentiere

Rosen, Gladiolen, Orchideen – alles herrliche Blumen, spektakulär, schön, üppig. Rosen, Gladiolen, Orchideen machen das Leben von Floristinnen und Floristen einfach. Die ihnen innewohnende Pracht, ihre strahlende Schönheit und ihre opulenten Blüten entfalten ihre Wirkung aus sich heraus. Werden sie zusammengeführt, gebunden und allenfalls mit schmückendem Beiwerk versehen werden, entsteht ein auffallender Strauss, der die Sinne betört und blendet. Das Handwerk ist erlernt, fachliches Wissen und Berufserfahrung leisten ihren Beitrag, eigentlich können sich die Blumenspezialisten zurücklehnen. Sie arbeiten mit den schönsten Materialien, welche die Natur hervorbringt, der Erfolg wird ihnen sicher sein.

Die Natur bringt jedoch nicht nur diese floralen Extreme hervor. Sie ist voll von Überraschungen. Gräser, Blätter, unscheinbare Blümchen – überall entfaltet sie einen Kosmos von ästhetischen bewundernswerten Eindrücken. Die Frage ist nur, ob sie gesehen und geschätzt werden, oder ob es der Hektik unserer Zeit gelingt, sie zu verdrängen und untergehen zu lassen. Spektakel, Schein und glitzernder Auftritt gewinnen sicher schneller und öfter Beachtung. Wie lange die Wirkung allerdings andauert, scheint zumindest fraglich. Wesentlich im Leben ist das Sein, nicht der Schein. An diesem Punkt setzt der Kurs «Eine Annäherung an die eigene gestalterische Ausdrucksweise» ein.

Marianne Wyss, selber erfolgreich Floristin mit jahrelanger Praxis, will den Menschen einen  Raum offerieren, der ihr Vertrauen in ihr persönliches Ich und ihre ureigenste Kraft fördert: «Ich ermutige dazu, sich selber zu sein und den Mut zu finden, erprobte Gewohnheiten beiseite zu lassen». Denn Vertrautheit und Gepflogenheiten sind nicht geeignet, das eigene Potenzial zu finden. Sich mit dieser Tatsache auseinanderzusetzen ermöglicht, die innere Kraft einzubringen und eine eigene gestalterische Sprache zu finden. Authentische und tief aus dem oft verdrängten  Potenzial Gedanken und Gefühle entstehen, lassen sich neu erfinden und entdecken. Dabei geht es nicht darum, das beste Gesteck zu machen, den schönsten Strauss zu binden oder den grössten Erfolg zu haben. Also «Nicht bewegen, bewegt werden», wie Laotse als hilfreich erkannt hat.

Wer mit offenen Augen durch die Natur streift, sich auf Wälder und Wiesen einlässt, findet tausenderlei Objekte, welche die Phantasie anregen und sich zu wunderbar ästhetischen Kombinationen formen lassen. Seien es Steine, Rindenstückchen, Äste, Moose oder Pflanzenstengel. Plötzlich sieht man, wie sich assoziativ Vereinigungen aufdrängen und neue Wesen daraus wachsen. Die Aufgabe besteht nur noch darin, sie zusammenzuführen und ihnen eine neue Form zu geben. Geschieht das aus der innersten Überzeugung, ganz ohne Ambitionen, entstehen Endprodukte, die für andere vielleicht nicht interpretierbar sind. Sie sind jedoch berührend und kraftvoll, weil sie in sich stimmen. Und weil eine tiefe, echte Gestaltung in ihnen spürbar ist.

Das Zisterzienser Stift Zwettl im Waldviertel von Wien ist der ideale Ort für diese Reise zu sich und den pflanzlichen Werkstoffen.  Wie jedes Kloster ist es eine Stätte der Besinnung und Ruhe. Es verfügt über eine grosse Orangerie, Holzgebäude, schöne Arbeitsräume und den meditativen Kreuzgang. Seit dem 17. Jahrhundert werden die Gärten dort kultiviert und gepflegt. Die Unterbringung erfolgt in kargen Klausen, die mit Bad, Dusche und WC ausgestattet sind. Gemeinsamkeit beim Essen, individuelles Besinnen und die Möglichkeit zu intensiven Gesprächen sowie Vertrautheit fördern die Suche nach sich selbst. Sie helfen Hemmnisse, Ängste abzubauen und sich über den pflanzlichen Werkstoff auszudrücken. Die eigenständige Formensprache setzt für Beruf und Alltag neue, ausdrucksstarke Akzente.

Was der Kurs bewirken kann, mag das Beispiel einer Bauernfrau erläutern. In ihrem Alltag hasst sie die so genannten Schmarotzer Winden und reisst sie, wo immer sie wachsen, aus. Dank der Besinnung auf sich selbst konnte sie die Pflanze objektiv betrachten und hat ihre Vorurteile abgelegt. Sie benutzte Winden als hauptsächliches Arbeitsmaterial und kreierte beeindruckende Objekte.

Text für Marianne Wyss, Januar 2010

«Eine Annäherung an die eigene gestalterische Ausdrucksweise», Floristikkurse.
Informationen: Marianne Wyss; Tel. 0041 44 482 19 72;
mwyss@naturgestaltung.com
www.naturgestaltung.com

 

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