Wenn die Mutter Hilfe braucht …

guylang —  23. April 2012 — Kommentiere

Für die Schweizer Familie, Nr.33, 08, 2008, habe ich einen Artikel über meine Mutter im Pflegeheim verfasst.

Dazu führte ich auch ein Interview mit Dr. med. Regula Gmünder, der leitenden Ärztin des Stadtärztlichen Dienstes Zürich. Sie war 2007 verantwortlich für die ärztliche Versorgung im Pflegezentrum Riesbach.

GL: Wie ist es, in einer Institution zu arbeiten, in die niemand freiwillig eintreten will?
Dr. R.G: Das ist nicht zwangsläufig so, manchmal kommen Leute auch gerne zu uns und sind erleichtert, wenn sie Verantwortung abgeben können. Manche blühen gar auf und sehen neue Ziele.

Wer sind ihre grössten «Sorgenkinder»?
Am schwierigsten sind Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen die nicht mehr in der Lage sind, alleine zu leben. Sie empfinden ihre Situation als ein grosses Unglück. Die grösste Herausforderung ist, sie möglichst glücklich zu machen.

Wie gehen Sie auf Eigenheiten ein und wo verlaufen die Grenzen?
Wir betrachten nicht nur die medizinischen Perspektive der Bewohner sondern auch ihre Lebensumstände, Gewohnheiten, also die ganze Persönlichkeit. Wir versuchen darauf einzugehen und ihnen gerecht zu werden. Die Grenzen liegen dort, wo sie andere einschränken, sich selber gefährden oder ihre Lage nicht mehr selber beurteilen können.

Welche Gebrechen sind typisch für alte Menschen?
Alte Menschen werden gebrechlich, das heisst, ihr Allgemeinzustand wird schlechter, die Mobilität wird vermindert, die geistigen Fähigkeiten nehmen ab. Mit zunehmendem Alter werden Krankheiten häufiger, es treten oft Schmerzen am Bewegungsapparat sowie Herz-Kreislaufschwächen auf.

Nehmen Demenzkrankheiten zu?
Weil Demenz mit zunehmendem Alter häufiger auftritt und die Menschen heute immer älter werden, nehmen auch Demenzerkrankungen zu.

Wie ist normalerweise der Kontakt zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern?
Manche können sich nicht mehr richtig ausdrücken. Auch ist man im Alter nicht mehr so tolerant. Da kann es schon zum gegenseitigen Anecken kommen. Es gibt jedoch viele Menschen, die sich gegenseitig helfen. Manche finden auch ein «Gspänli».

Können Sie einige Tipps für den Umgang mit den Angehörigen im Pflegheim geben?
Ideal ist Offenheit, Ängste sollen mitgeteilt, Erwartungen besprochen werden. Im Gespräch mit der Betreuung erkennt man, welche Massnahmen und Möglichkeiten realistisch sind. Wichtig ist, dass alle an gleichen Strick ziehen. Wo Situationen für die Betroffenen nicht einsichtig sind, empfehle ich mich als «Bösewicht» und übernehme die Rolle des Sündenbocks. Dies, damit zu den Angehörigen ein gutes Verhältnis bestehen bleibt.

Ab wann brauchen alte Menschen medizinische Hilfe und Unterstützung?
Dies hängt vom einzelnen Individuum ab. Wenn mehr und mehr Schmerzen auftreten, Mobilitätsstörungen zunehmen, und die Demenz ein Ausmass annimmt, welches das Alleinleben gefährlich macht. Beispielsweise wenn die betroffene Person vergisst, ihre Herdplatte abzustellen oder Medikamente einzunehmen. Dann sollte der Hausarzt zusammen mit den Angehörigen Abklärungen treffen.

Wie soll die Gesellschaft mit alten Menschen in Heimen umgehen?
Das wichtigste ist Toleranz, man soll Krankheiten und Altersgebrechen als normal akzeptieren, ebenso wie verschiedene Lebensauffassungen und Ansichten.

Vielen Dank für dieses Gespräch

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