Textiler im Tösstal III – Anna Colazilli-Di Meco, Textilassistentin

guylang —  17. August 2014 — Kommentiere

Von der Faser zum fertigen Anzug

Geboren wurde Anna Colazilli-Di Meco in Pescara in der Region der italienischen Abruzzen. Aufgewachsen ist sie in Turbenthal bei ihren Eltern, die bei Boller Winkler gearbeitet haben. Anna besuchte hier die Schule, danach absolvierte sie eine dreijährige Lehre zur Textilassistentin und hat 29 Jahre für Boller Winkler gearbeitet.Anna Colazilli klein

«Turbenthal ist für mich ein zu Hause, ich bin mit fünf hierhergekommen und mit 46 wieder ausgewandert», erzählt Anna Colazilli am Telefon. Und sie betont «ausgewandert», denn es zieht sie immer wieder für einen Besuch zurück. Schliesslich hat sie hier viel erlebt – ihre Kindheit, ihre Jugend, ihre Lehrzeit, ihre Familie. Ihre Eltern haben in der Weberei gearbeitet und die junge Anna war fasziniert von Textilien, der Herstellung und Verarbeitung. So kam nur eine Lehre als Textilassistentin in Frage. «Ich habe alles gelernt, was es braucht um den rohen Stoff herzustellen». Dazu gehört Weben genauso wie das Treffen aller Vorbereitungen. «Es ist spannend zu sehen, dass vorne Baumwolle eingespannt wird und am Schluss der fertige Stoff herauskommt, woraus man herstellen kann, was man will». Anna hat sich stets darüber gefreut, mitzuarbeiten, etwas Schönes herzustellen. Beispielsweise hat die Firma für Asien unter anderem Saris hergestellt. «Ich habe die kunterbunten Sachen gesehen, welche für die Schweiz doch sehr ungewohnt waren. Und ich habe mir immer vorgestellt, wie die dunklen Frauen darin aussehen», erinnert sich Anna Colazilli. Ein reizvoller Gedanke war für sie auch, dass fremde Menschen das berühren, was sie produziert hat.

Karriere im Betrieb
Anna Colazilli hat sich hochgearbeitet und die verschiedensten Aufgaben übernommen – von der Lohnbuchhaltung bis zum Garneinkauf. Nebenbei hat sie sich dafür eingesetzt, dass bei privaten Familienfesten – Hochzeiten oder Taufen – eine kleine Aufmerksamkeit vom Betrieb kam. «Hatte jemand ein Anliegen das die Belegschaft betraf, wurde es geprüft und meistens von der Geschäftsführung befürwortet», erinnert sich die fröhliche und immer positiv eingestellte Frau.
Ihre unangenehmste Arbeit seien Reklamationsbearbeitungen von Kunden gewesen. «Ich weiss ja, der Kunde hat immer Recht. Aber wenn die wegen einer Farbe, die eine Nuance heller oder dunkler war, ein Drama gemacht haben, hat das schon genervt». Denn später im Laden hätten die Verkäuferinnen diese minimalen Fehler gar nicht gesehen. «Aber es gab Kunden, die wollten halt das Meiste herausholen. Und wir haben verloren. Entweder Geld oder den Kunden, wenn wir ihm sagten, er liege falsch». Schwierig war auch, wenn sie Kolleginnen oder Kollegen auf Fehler hinweisen musste. Anne konnte jedoch gut mit allen zusammen arbeiten. «Es gab zwar immer zwei oder drei, die neidisch auf meinen Aufstieg waren. Aber ich sagte mir, ich lebe für mich und meine Familie, die sollen doch schwatzen was sie wollen».

Familie, Italien und Modebranche
Ihren Mann hat Anna Colazilli in Pescara während der Ferien kennengelernt. Nach etwa zwei Jahren zog er zu ihr nach Turbenthal, zwei Töchter kamen im Spital in Winterthur zur Welt, die Familie war vollständig. Alles unter einen Hut zu bringen war für die lebhafte Frau kein Problem: «Ich hatte meine Mutter als Hilfe,  die Kinder mussten also nicht in die betriebseigene Kinderkrippe». Während sie sich als Schweizerin fühlte, war das bei ihren Eltern noch nicht der Fall. Das zeigte sich beispielsweise bei italienischen Lebensmitteln. Solche waren in Turbenthal damals nicht erhältlich, allerdings gab es in der Stadt die ersten italienischen «Lädeli» mit importierten Waren. Doch ihr Vater wollte Öl, Wein und andere Sachen immer aus Italien mitnehmen, ihre Mutter hingegen war dafür, die Sachen hier einzukaufen. «Das war stets eine Streiterei. Meine Mami war eine untypische Italienerin, mein Papi ein typischer Italiener».

Auswandern in die Heimat
Annas Töchter fanden ihre Liebe in Italien und leben in Pescara. Irgendwann wünschten sie sich die Mutter wieder in ihrer Nähe. «Wenn Du mir einen Job besorgst, komme ich nach», war Annas Forderung. Als ein Kollege ihres Schwiegersohnes jemanden für die Buchhaltung suchte, hatte sie ihren Job und «wanderte aus».
Heute arbeitet Anna Colazilli wieder in der Modebranche. «Wir verkaufen Mode von Versace und Ferrero». Der Kreis hat sich geschlossen – mit der Faser hat sie ihr Berufsleben begonnen, mit den fertigen Produkten ist sie heute beschäftigt.

Erschienen in «Der Tößthaler», August 2014

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