Bewegende Serenade rund um Romeo und Julia

guylang —  29. Mai 2014 — Kommentiere

Der Tösstaler Kammerchor und die Liebe
Andrea Klapproth und der Tösstaler Kammerchor unter der Leitung von Andreas Zwingli gestalteten am letzten Donnerstag einen stimmungsvollen Abend rund um das grosse und wichtige Thema «Liebe». Sie liest aus Gottfried Kellers bekannter Erzählung «Romeo und Julia auf dem Dorfe», er umrahmt mit ausgesuchten Liedern von «Michelle» bis «S’ Vreneli ab em Guggisberg».

© Guy A. Lang

© Guy A. Lang

 

Rote und gelbe Rosen strahlen um die Wette, blauer Lavendel wiegt sich leicht im Wind, Wolken dräuen am Himmel – die Atmosphäre im Park des Gasthauses «Gyrenbad» ist einmalig. Wenn nur das Wetter etwas beständiger wäre. Doch vielleicht hält sich der Regen ja zurück. Denn, wie Ruth Blattmann in ihrer Begrüssungsansprache erläutert, hat der Chor einen guten Draht nach oben. Die Gyrenbadserenade musste in ihrer langen Tradition noch nie in den Saal verlegt werden. Und so hofft sie, dass der Reigen von Liebensliedern auch diesmal gut über die Runden kommt. Beruhigt verfolgen die etwa 70 Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Holzbänken im Garten – zählt man die Gäste auf der Terrasse des Restaurants dazu, dürften es an die 100 Personen sein – aufmerksam was ihnen geboten wird.

Vom Winde verweht
Schon kurz nach Beginn des Konzertes verbläst ein Windstoss die Noten von Andreas Zwingli, so dass er sein Instrument sein lässt und den a-capella-singenden Chor nur noch dirigiert. Da zeigt sich auch die Stärke des Chores, sie singen sicher, gut einstudiert und lassen sich von Regentropfen nicht beirren. Leider ist das Stimmregister nicht sehr ausgeglichen: den 15 Sängerinnen stehen nur vier Sänger gegenüber, die sich allerdings gut behaupten. Es ist zu wünschen, dass sich einige im Publikum noch dazu entschliessen, den Chor zu verstärken.

Packende Lesun
Sprachkünstlerin und Rezitatorin Andrea Klapproth liest die tragische Geschichte von Sali und Vrenchen, den Kindern zweier völlig verzankter Väter, die sich lieben und schliesslich gemeinsam in den Fluss gehen, intensiv und lebendig. Ihre Sprachgestaltung ist sensibel, ihre Interpretation unsentimental und direkt. Umso stärker wirken Gottfried Kellers Sätze und Worte. Andrea Klapproth überzeugt mit ihrer sachlichen und packenden Lesung.
Passend zu den auserwählten Stellen hat Andreas Zwingli die adäquate Musik gesetzt. Neben schweizerischen Volksliedern stehen Gesänge aus der «West Side Story», von Brahms, Frank Lloyd Webber oder «Killing Me Softly with His Song».

Natürliche Begleiterscheinungen
Einen besonderen Reiz verleihen dem Abend einige naturgegebene Nebeneffekte. So gehört nicht nur das Auf- und Zuklappen von Regenschirmen dazu, auch das Tellergeklapper aus dem Restaurant – leider hielt sich der Koch nicht an die Bitte von Ruth Blattmann, die Cordon Bleus im Takt weich zu klopfen – begleitet den künstlerischen Vortrag. Und während bimmelnde Schafe die ländliche Idylle heraufbeschwören, sorgen geräuschvoll überfliegende Airlines für einen Hauch von Internationalität. Und die zwischendurch den Regen vertreibende Abendsonne sorgt für eine weiches, zauberhaft leuchtendes gelb-grün der Bäume. Und pünktlich zum Tessiner Lied «Girometta» zeigte sich zögerlich ein Regenbogen – charmanter kann eine Serenade kaum sein.

Erschienen in «Der Tößthaler»; 24. Juni 2014

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