Chaos – und die Ideen purzeln

guylang —  5. April 2012 — Kommentiere

«Wo ist diese Tabelle? Ich habe sie doch extra ausgedruckt!» Manchmal verzweifle ich an mir selber. Ich arbeite an einem komplexen Text, bin mitten drin, in meinem Kopf entwickeln sich die Formulierungen, jetzt brauche ich zwei, drei Zahlen aus besagter Tabelle.

Pult

Ich war überzeugt, dass ich sie unter dem chaotischen Stapel Papier auf meinem Pult einfach hervorziehen kann, dass mein Gedankenfluss weder gestört noch unterbrochen wird. Und dann ist dieser verd… – blöde – Zettel nicht da. Also muss ich suchen. Und schwöre mir, dass ich fortan besser aufräume, die Papierbeigen geordnet hinlege. Also suche ich, durchwühle die Unordnung. Und beschliesse – schliesslich ist es effizient, nicht alles zwei Mal in die Hände zu nehmen – zu ordnen und abzulegen. Die Arbeit an meinem dringenden Text verschiebe ich. Irgendwie werde ich den Termin schon halten können (das ist mir später auch gelungen). Und so mach ich fein säuberlich Häufchen, loche, bostiche zusammen und hole die verschiedenen Ordner aus dem Regal. Was das Durcheinander auf dem Pult noch verstärkt, aber immerhin der künftigen Ordnung dient.

Endlich stosse ich – zwar nicht auf die gesuchte Tabelle – auf eine ausgedruckte Pressetext-Meldung. Und staune nicht schlecht über das, was da steht. Wiewohl ich sie einmal als wichtig erachtet habe, habe ich sie dennoch vergessen: «Chaos am Schreibtisch lässt einfacher denken». Und als Untertitel: «Gehirn räumt bei Unordnung der Umgebung Gedanken auf». Wow! Ich bin ja gar nicht so schlimm wie ich gedacht habe! Und freue mich über den Ideenschwall, der mich überfluten wird. Die Forscher unter der Leiterin Jia Liu der Universität Groningen hatten eine sinnvolle Studie auf die Beine gestellt, die nicht nur mich, sondern Millionen von Pultarbeiterinnen und -arbeitern mit einem reinen Gewissen versehen.

«Chaos in der Umgebung spornt dazu an, einfache Lösungen zu finden», steht da zum Beispiel. Und: «Die menschliche Natur sträubt sich gegen Unordnung. In kulturell unterschiedlichem Ausmass versuchen wir stets Organisation in unser Umfeld zu bringen» – alles Wasser auf meine Mühle. Und stolz betrachte ich die Haufen auf meinem Arbeitsplatz, beschliesse die Ordner, ohne Belege abgelegt zu haben, liegen zu lassen. Doch dann las ich das Fazit. Die Unordnung solle man nicht selber erzeugen, sondern das Zurechtkommen mit ihr üben. «Unordnung macht die Arbeit nicht produktiver, doch sie kann zur Fokussierung verhelfen». Na dann, räume ich halt auf.

Erschienen in HR Today

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