Reisestress – früh übt sich

guylang —  2. September 2015 — Kommentiere

Je weiter das Ziel desto besser, denn je unbekannter desto exotischer. Umso grösser ist die Chance zur Erweiterung des Bildungshorizonts. Die heutige Maxime für die ständige Weiterbildung aller Berufstätigen spricht daher klar für Reisen in die Ferne. Doch was geschieht mit dem süssen, kleinen Nachwuchs? Grosseltern sind auch nicht mehr, was sie mal waren, sie sind aktive Seniorinnen und Senioren mit ausgefülltem Sport- und Stundenplan – hüten? Nein danke, sie sind zu beschäftigt mit dem Jungbleiben.

Blick aus Flugzeug

Taucht hier ein Problem auf? Nein, heute existieren keine Probleme mehr, das Leben mit allem Drumrum ist eine Frage der Organisation. Und so wie die Babys beim Joggen im Wagen vorne weggeschoben werden, auf Partys schon mal im Nebenzimmer schlafen, während die Eltern chillen, jetten sie selbstverständlich mit um die Welt. Wegen Kinder auf den gewohnten Lifestyle verzichten? Kommt nicht in Frage.

Zudem profitieren die Kleinen enorm vom Reisen. Sie können sich schon im Windelalter weiterbilden – ein enormer Startvorteil für das spätere Erklimmen der Karriereleiter. Und jede Airline, die etwas auf einen zuvorkommenden Service hält, engagiert Nannies zur Kinderbetreuung in der Luft. Dank ihnen erlernen die Babys den Umgang mit fremden Menschen, machen Bekanntschaft mit Fremdsprachen, gewöhnen sich an Zeitumstellung, Druckausgleich und Jetlag.

Am Ziel angelangt, geht der Bildungsparcour weiter. Für die Winzlinge mit Rundumbetreuung, für die etwas Älteren mit Kinderolympiaden, Spiel- und Sportangeboten und dergleichen Eltern entlastenden Programmen. Auch hier gilt: es ist nie zu früh, um sich den harten Regeln des Wettbewerbs zu stellen, um zu lernen mit Druck und Terminzwängen umzugehen, um Siege zu geniessen und mit Niederlagen lächelnd umzugehen.

Ob die Kinder genervt sind und lieber etwas mit den Eltern unternehmen würden, spielt keine Rolle. Denn erstens brauchen die ihre Erholung dringend und können sich nicht auch noch um anderes kümmern. Und zweitens muss man sich auch im späteren Leben mit ungeliebten, widrigen Umständen arrangieren. So gesehen macht der Trend nach Fernreisen mit kleinen Kindern durchaus Sinn. Früh übt sich, was eine Meisterin oder ein Meister werden will. Doch das Kind sein bleibt auf der Strecke.

Erschienen in «Forum», 14 2015

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