Service à l’Indien – Tee oder Kaffee

guylang —  28. September 2015 — Kommentiere

Heiss war unsere Reise durch Rajasthan, sehr heiss. Die indische Sonne kannte kein Erbarmen und liess das Thermometer auf 42 Grad klettern. Dazu der Strassenstaub und die selbstverständliche Windstille.

Ganesha

Ganesha

Regen, so wurde uns kolportiert, floss zum letzten Mal vor einigen Jahren. Wir besuchten ein Staudammprojekt. Irgendwo weit ausserhalb eines kleinen Dorfes. Erstaunlicherweise arbeiteten dort nur die Frauen. Die Männer lagen derweil im Schatten – ohne Wasser konnten sie auf den Feldern nichts ausrichten. Die Stimmung war fröhlich, die Frauen lachten und schufteten. Sie hackten Erde, füllten sie in grosse korbartige Behälter, schleppten diese auf dem Kopf und schütteten einen Damm auf. Dieser sollte bei einem allfälligen Monsun das Wasser speichern helfen, das bei dem derart ausgetrockneten Boden einfach abfliessen würde.

Später kehrten wir in das Dorf zurück und besuchten ein Restaurant. Der Schweiss floss uns in Bächen über den Körper, diese Flüssigkeit wollte ersetzt werden. Wir hatten schrecklichen Durst und setzten uns, um einen heissen Tee – in solchen Situationen bekanntlich das Beste – zu trinken.

Ein stolzer Rajput mit leuchtendfarbigem Turban und stattlichem Schnurrbart stand da, offensichtlich bereit, Bestellungen entgegenzunehmen. Er lächelte uns zu, wir bestellten «Tschai», er nickte, sagte: «Yes, Sir!», und stand weiter da. Nach geraumer Zeit – schliesslich wussten wir, dass in Indien die Zeit eine völlig andere Rolle spielt als bei uns und dass ungeduldiges Drängeln das Gegenteil bewirkt – machten wir uns nochmals bemerkbar. Der grosse Mann lächelte, nickte nochmals und meinte: «Yes, yes, he’s coming.» Wir wunderten uns, hatten wir doch nicht bemerkt, dass er offenbar irgendwie irgendein Zeichen gegeben hatte.

Irgendwann schlurfte ein zweiter krummbeiniger Hüne mit spitzen Schnabelschuhen in den Raum. Knapp fragte er, was wir wollten. Wir erklärten, leicht gereizt, aber sehr zurückhaltend, dass wir schon Tee bestellt hätten. «Oh, no, no, no. Tschai is my business!», berichtigte er und deutete auf seinen Kollegen: «He is only the coffee-wala.» Und der Kaffee-Wala – Wala bezeichnet in Zusammenhang mit einem Gegenstand wie Fax, Auto oder eben Tschai die zuständige Person – bringt keinen Tee. Schliesslich will er seinem «Teekollegen» nicht den Job wegnehmen.

Dass jeder einen eigenen Platz in dieser Gesellschaft hat, darauf wird streng geachtet. Ob Frauen in ihrer Arbeitsteilung beim Bau oder Männer im Service, ob geteilte oder gemeinsame («shared») Services – ein durchaus soziales System, das allen Menschen Gelegenheit bietet, eine Arbeit zu verrichten und etwas zu verdienen.

 

Erschienen in HR Today

 

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