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Das war\u2019s<\/strong><\/p>\n

Das war\u2019s. Das Jahr 2019, es ist Geschichte. Und auch der Salzstreuer, er ist Geschichte, die Saline ist ausgebeutet, die Salzkammern leer. Ich danke Ihnen, liebe Leserinnen, liebe Leser, daf\u00fcr, dass Sie die Geduld hatten, meine Beitr\u00e4ge zu lesen. Ich verstehe vollkommen, wenn Sie keine Lust hatten und im \u00abT\u00f6\u00dfthaler\u00bb weiter gebl\u00e4ttert haben. Ich habe mich \u00fcber die Reaktionen in den letzten zweieinhalb Jahren und f\u00fcr den einen oder anderen Tipp sehr gefreut. Mir die Themen auszudenken und sie f\u00fcr den Salzstreuer zu verarbeiten, hat mir grossen Spass gemacht.<\/p>\n

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Etwas entt\u00e4uscht war ich, dass kaum Beanstandungen gekommen sind. Anregende Kritik h\u00e4tte mich befl\u00fcgelt. Schade. Manchmal hatte ich das Gef\u00fchl ich schreibe ins Leere, wusste nicht, ob es ankommt oder nicht, vermisste ein Feedback. Doch die Freude, jede Woche zu schreiben, hat das aufgewogen. Auch wenn ich das eine oder andere Mal zweifelte, ob mir noch was einf\u00e4llt.<\/p>\n

Morgen beginnt das neue Jahr 2020. Ich w\u00fcnsche Ihnen allen, dass es viel Erfreuliches, wenig Unangenehmes und grosse Zufriedenheit und Ausgeglichenheit f\u00fcr Sie und die Welt bringt. M\u00f6gen sich private, politische, nationale und internationale Konflikte l\u00f6sen, m\u00f6gen alle Menschen an einem Strick f\u00fcr unsere eine Welt ziehen, mag jeder sein Bestes f\u00fcr das Beste der Erde geben.<\/p>\n

Selbstverst\u00e4ndlich kann ich nicht ohne Schreiben leben, daher bin ich mit der Redaktion \u00fcbereingekommen, eine neue Form auszuprobieren und Ihnen vorzustellen : \u00abAufgefallen \u2013 gedacht\u00bb. Dabei stehen Zitate, Bilder, Situationen, Sprichw\u00f6rter und \u00c4hnliches im Mittelpunkt, lauter Themen aus dem Alltag, die mir auffallen. Dar\u00fcber will ich schreiben. Warum mich etwas angeregt, welche Gedanken es ausl\u00f6sen, ob es mich freut oder \u00e4rgert. Kurz, es soll ein Potpourri werden.<\/p>\n

Ich freue mich auf Ihre Reaktionen und w\u00fcnsche Ihnen einen guten Rutsch ins 2020.<\/p>\n

Salzstreuer 52 \/ 19<\/p>\n

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Die Sache mit dem Licht<\/strong><\/p>\n

Heute Abend ist es wieder soweit: Kerzen erhellen den dunklen Winterabend. Seien sie aus Wachs, Paraffin oder mit LED-L\u00e4mpchen best\u00fcckt, sie verbreiten eine sanfte Atmosph\u00e4re, beruhigend, festlich. Licht, in diesen kurzen Tagen eine wohltuende Erscheinung, weckt Hoffnung, dass es nicht immer so dunkel bleibt. Es ist doch beruhigend, dass wie nicht im hohen Norden leben, wo es im Winter kaum d\u00e4mmert. So viele Kerzen, um dieses Dunkel zu durchbrechen und ins Helle zu drehen, gibt es gar nicht. Gl\u00fccklicherweise verzaubert dort das Polarlicht, mit seinen Leuchterscheinungen die Eislandschaft.<\/p>\n

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Noch schlimmer ist die Vorstellung, dass es Lebewesen gibt, die nur im Dunkeln leben. Ihre Augen sind verk\u00fcmmert. Ich denke hier an die so genannten Nacktmulle. Sie existieren in grossen unterirdischen H\u00f6hlen, zeichnen sich durch kaum Behaarung und zwei auffallend grosse Nagez\u00e4hne aus. Damit nagen sie sich durch den harten W\u00fcstenboden, immer im stockdunklen. Etwas besser haben es Maulw\u00fcrfe, sie kommen wenigstens ab zu ans Licht, wenn sie ihre Erdhaufen aufwerfen. Auch die Vorstellung in der dunklen, feuchten Erde zu vegetieren ist nicht besonders angenehm. Wie behaglich ist es doch in unseren geheizten Zimmern, vor allem wenn draussen der Wind heult und die Schneeflocken wild durcheinander wirbeln. Mir ist schon bewusst, dass dies eine Vorstellung ist, die mit der Realit\u00e4t wenig zu tun hat, l\u00e4sst uns die weisse Pracht doch schm\u00e4hlich im Stich. Gew\u00f6hnen wir uns also ans fr\u00fche D\u00e4mmern.<\/p>\n

Auch wenn wir an akutem Sonnenmangel leiden, wissen wir doch, dass dem k\u00fcrzesten Tag bald die Tag- und Nachtgleiche und dann gar der l\u00e4ngste Tag folgt. Wenn es nur hell w\u00e4re, w\u00fcrden wir uns auch wieder beklagen. Wegen des Schlafens, das bei Licht eher unruhig w\u00e4re. Geniessen wir also wie es ist, erhellen wir unsere dunklen Festtage mit warmem Kerzenlicht und einem Glas funkelnden Punsch. Kommen dann noch die D\u00fcfte von frischen Mandarinen, Zimtsternen und Anisbr\u00f6tchen dazu, k\u00f6nnen wir los lassen, den Vorweihnachtsstress beiseite legen und einfach gl\u00fccklich entspannen. Fr\u00f6hliche Weihnachten.<\/p>\n

Salzstreuer 51 \/ 19<\/p>\n

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Sehnsuchtsorte<\/strong><\/p>\n

Ouagadougou, Timbuktu, Monte Carlo, Sansibar \u2013 welch geheimnisvoller Klang der Namen. Magische Orte. Sie wecken Assoziationen in mir, ein Hauch von Abenteuer, geheimnisvollen Welten, Luxus. Ebenso wie Atlantis oder die h\u00e4ngenden G\u00e4rten der Semiramis. Bezeichnungen, die auf der Zunge zergehen, Gebilde, die vor dem geistigen Auge zu von einmaliger Faszination wachsen, welche die Sehnsucht wecken, sie zu besuchen. W\u00fcrde ich allerdings meinen Gel\u00fcsten nachgeben und dorthin reisen, w\u00e4re ich sicher entt\u00e4uscht. Timbuktu ist eine total sandige Oasenstadt, die Hauptstadt von Burkina Faso, eine Millionenmetropole, in Monte Carlo h\u00e4tte ich nicht die n\u00f6tigen Mittel, um den Luxus zu geniessen, Sansibar war der Sklavenumschlagplatz par excellence und die beiden anderen sind der Sage entsprungen.<\/p>\n

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Fantasie und Realit\u00e4t klaffen oft weit auseinander. So stelle ich mir die Aussicht vom Dhaulagiri \u2013 auch so ein magischer Name \u2013 extrem sch\u00f6n vor, vergesse aber die qu\u00e4lerische Anstrengung, bis ich dort bin. Abgesehen davon, dass ich das sowieso nicht schaffe. Ich habe gelesen, dass man (fast) alles erlernen kann. Also lese ich in Fachb\u00fcchern wie man beispielsweise ein wundersch\u00f6nes B\u00fcchergestell aus Holz zimmern kann, um dann diese B\u00fccher zu verstauen. Ich weiss, Sehnsuchtsorte und B\u00fcchergestell haben nicht sehr viel miteinander zu tun dennoch soll der Vergleich sein: ich skizziere dann Pl\u00e4ne, messe genau, s\u00e4ge an Brettern herum, stelle mehrere zusammen, leime und schraube und siehe da \u2013 da steht ein Holzhaufen, sieht aus wie ein Regal und wackelt auch ohne Erdbeben. Aus meiner Fantasie und der Sehnsucht nach einem selbstgebauten B\u00fcchergestell holt mich die Tatsache, dass ich zwei linke H\u00e4nde habe, brutal in die Realit\u00e4t.<\/p>\n

Gut, B\u00fcchergestell und Timbuktu sind wirklich weit voneinander entfernt. Aber beide haben mit meiner Sehnsucht nach einem erw\u00fcnschten Etwas zu tun, das mir vorschwebt. Einmal als magischer Klang, einmal als unerreichbare F\u00e4higkeit. Es ist lebensnotwendig um die Realit\u00e4t zu wissen, die Augen nicht vor der tats\u00e4chlichen Welt zu verschliessen. Aber genau so wichtig und lebensnotwendig ist es, sich magische Orte und Momente zu bewahren. Denn wie eng w\u00e4re die Welt, reichte sie nur zum n\u00e4chsten Gartenzaun.<\/p>\n

Salzstreuer 50 \/ 19<\/p>\n

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Mist, verpasst!<\/strong><\/p>\n

Oh je, jetzt habe ich den Black Friday verpasst. Dabei wollte ich unbedingt von den Schn\u00e4ppchen profitieren. Ich wollte ganz viele verschiedene Sachen billig einkaufen. Zwar brauche ich nichts, aber wenn es den Black Friday schon gibt, muss ich ihn ja nutzen. Denn mir reicht es nicht, dass ich bereits am Valentinstag, Muttertag, im Ausverkauf oder sonst in einer %-Woche mein sauer verdientes Geld so locker los werde. Und dabei noch das Gef\u00fchl habe, ich spare und profitiere \u2013 nein, der von den USA importierte Black Friday muss unbedingt sein. Wir \u00fcbernehmen gerne die Einfl\u00fcsse aus den Staaten ohne sie zu hinterfragen \u2013 sei es Thanksgiving oder Halloween.<\/p>\n

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Denn was w\u00e4ren wir ohne diese ausw\u00e4rtigen Einfl\u00fcsse? Ein biederes Volk von Menschen, die kaum dazu kommen, Umsatz und Gesch\u00e4ft anzukurbeln, die zu wenig Gelegenheit haben, das Geld auszugeben. Was ist schon ein Ausverkauf, der einmal nach Weihnachten stattfindet, so wie fr\u00fcher? Bei dem alle zur Er\u00f6ffnung die Warenh\u00e4user st\u00fcrmten. Das ist heute friedlicher, weil nicht mehr alle zur gleichen Zeit die Ersten sein m\u00fcssen. Heute gibt es schon den Vor-Ausverkauf, die st\u00e4ndig herunter gesetzten Preise, den Nach-Ausverkauf. Ganz zu schweigen von den unersch\u00f6pflichen M\u00f6glichkeiten des On-Line-Shoppings. So werden neue Absatzm\u00e4rkte gef\u00f6rdert, etwa die von den K\u00fcrbissen und den Truth\u00e4hnen, die Paketzustelldienste steigern dank Zur\u00fccksendens von Fehlbestellungen den Umsatz, das Verbraucherverhalten wird allgemein massiv gef\u00f6rdert, der reine Konsumkapitalismus siegt mit grossem Vorsprung.<\/p>\n

Dass dabei eine massive Inflation statt findet, scheint kaum jemand zu st\u00f6ren. Dabei meine ich nicht das Geld, nein, von Geldpolitik verstehe ich nichts, ich meine das \u00dcberangebot an Gleichem. Fr\u00fcher gab es einen Weihnachtsmarkt in N\u00fcrnberg und allenfalls noch in Dresden, heute \u00fcberall. In Z\u00fcrich sogar mindestens dreifach: Im Hauptbahnhof, auf dem M\u00fcnsterplatz und vor dem Opernhaus. Und \u00fcberall gibt es dasselbe: Gl\u00fchwein, Duftkerzen und Magenbrot. Klar, das ist grob vereinfacht. Aber leben wir nicht in einer Zeit, in der komplizierte Sachverhalte schlicht zu einfachen Floskeln verk\u00fcrzt werden? Hauptsache der Konsum stimmt. Oder?<\/p>\n

Salzstreuer 49 \/ 19<\/p>\n

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Tormentarius enervierans<\/strong><\/p>\n

Diese Worte bedeuten genau das, was Sie empfinden, wenn sie das nicht verstehen: \u00abenervierende Folter\/Qual\u00bb, also \u00abQu\u00e4lgeist\u00bb. Ein anderer Name f\u00fcr das Ph\u00e4nomen ist \u00abNervens\u00e4ge\u00bb. Dass k\u00f6nnen allerlei Personen, andere Lebewesen oder Gegenst\u00e4nde sein. Zum Gl\u00fcck ist jetzt die Zeit der L\u00e4stigsten fast vorbei \u2013 die Fliegen lahmen nur noch matt herum. Es ist kein Problem sie zu erwischen. Allerdings sollte sich dabei das Gewissen regen. Denn auch die l\u00e4stigen, sich auf Mist und K\u00e4se setzenden Insekten sind Lebewesen. In England sind sie sogar hoch geachtet.<\/p>\n

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Wir wollten vor Jahren bei Harrods, dem ber\u00fchmten Warenhaus in Londons Knightsbridge, \u00aben Fl\u00fcget\u00e4tsch\u00bb, eine Fliegenklatsche, kaufen. Doch ein distinguierter Verk\u00e4ufer fragte uns ernsthaft emp\u00f6rt, ob man auf dem Kontinent \u00abthe poor little creatures brutally beat to death?\u00bb, \u00abob man die armen kleinen Kreaturen brutal totschlage?\u00bb. Und in der Stadt Bath fotografierten wir eine Strassentafel mit der Aufschrift \u00abFly tipping is an offence under Environmental protection Act (1990). Offenders may face up to a \u00a3 50,000 fine and\/or a prison sentence\u00bb. Also etwa: Fliegent\u00f6ten sei ein Angriff auf den Umweltschutz, man k\u00f6nne mit einer Busse von \u00a3 50’000 oder Gef\u00e4ngnis bestraft werden.<\/p>\n

Aber Nervens\u00e4gen sind die Biester dennoch, ebenso wie Katzen, die Beete mit Klos verwechseln, gedruckte Werbung, die trotz Unerw\u00fcnscht-Schild im Briefkasten landet oder Politiker und Politikerinnen, die alles versprechen und wenig halten. Qu\u00e4lgeister sind noch schlimmer, sie \u00fcben ihre T\u00e4tigkeit aktiv aus. Etwa Eltern, die ihren Kindern den ungeliebten Spinat aufzwingen oder Kinder, die ihren Eltern unentwegt mit Taschengeldforderungen im Ohr liegen. \u00c4ngste fallen ebenfalls unter diese Gattung. Sie qu\u00e4len mit der unsicheren Zukunft, der unheilbaren Krankheit oder dem versiegenden Bankkonto. Am qu\u00e4lendsten aber ist die Unsicherheit.<\/p>\n

Doch zur\u00fcck zu den Nervens\u00e4gen. Ihnen begegnet man am Besten mit Gegens\u00e4gen. Wer Sie nervt, den m\u00fcssen Sie entweder meiden oder so lange nerven, bis sie sich genervt von Ihnen abwenden. Hat man dieses Spiel einmal begriffen, macht es wirklich Spass. Und je perfekter Sie darin werden, desto leichter ist Ihr Leben. Das glauben Sie nicht? Probieren Sie es.<\/p>\n

Salzstreuer 48 \/ 19<\/p>\n

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Heilen und geheilt werden
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Permanente Kopfschmerzen, gebrochener Fuss, Durchfall, vereiterte Pusteln auf dem Arm \u2013 klar, der Doktor soll\u2019s richten. Die ehemaligen Halbg\u00f6tter in Weiss sind zu Dienstleistern mutiert. Sie sollen gef\u00e4lligst Schmerzen verbannen, Fieber senken, n\u00e4hen, pflastern und Haut ausb\u00fcgeln \u2013 mit Botox. Dazu sind sie in unserer Gesellschaft da.<\/p>\n

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Das ist und war nicht in allen Gesellschaften so. Oft waren Doktoren Priester oder Schamanen und ihre Heil bringende Kunst verdankten sie den G\u00f6ttern, Geistern und anderen \u00fcbersinnlichen Wesen. Im alten, kaiserlichen China musste der Hofarzt nicht den kranken Kaiser\u00a0heilen, seine Aufgabe war es, den Kaiser nicht krank werden zu lassen.<\/p>\n

Er musste die Naturgesetze nach der Lehre des Tao auf den menschlichen Organismus anwenden. Gelang ihm das nicht und der Kaiser erkrankte, wurde der Arzt wegen Nichterf\u00fcllen der Aufgabe zu Tode gebracht.<\/p>\n

Ganzheitlich im Einklang mit der Natur versteht sich auch die traditionelle indische Heilkunst \u00abAyurveda\u00bb, das \u00abWissen vom Leben\u00bb. Die Krankheit\u00a0wird als ganzheitliches Problem gesehen und auch so behandelt.<\/p>\n

Die Spezialisierung in Chirurgen, Augen- Nasen- oder andere \u00c4rzte gibt\u2019s dort nicht. Der Arzt weiss, wie im K\u00f6rper alles zusammengeh\u00f6rt und zusammenspielt, er weiss, wie Symptome von Defekten verursacht werden k\u00f6nnen, die nichts mit den aktuellen Schmerzen an einer K\u00f6rperstelle zu tun haben.<\/p>\n

Doch zur\u00fcck zu uns. Also die \u00c4rzte haben es wirklich schwer. Sie studieren jahrelang und eignen sich grosses Wissen an. Und jetzt kommen Patientinnen und Patienten mit bestimmten Wehwehs zu ihnen. Sie haben ihre Anzeichen und Symptome schon vorsorglich gegoogelt, wissen bereits, was der Arzt machen muss, welche Medikamente er verschreiben soll.<\/p>\n

Denn sie haben nicht nur Wikipedia konsultiert, sie kennen auch den \u00abBergdoktor\u00bb, \u00abIn aller Freundschaft\u00bb oder \u00abGrey\u2019s Anatomy\u00bb, alle massgeblichen Gesundheitssendungen in Radio und TV. Alle M\u00f6glichkeiten von Behandlungen und Therapien haben sie aufgesogen, sind somit bestens qualifiziert. So sind sie in\u00a0 der Lage, den Hausarzt zu instruieren.<\/p>\n

Ich stell mir das Leben der \u00c4rzte nicht einfach vor. Denn schliesslich leben wir in einer aufgekl\u00e4rten Welt, in der alle \u00fcber alles Bescheid wissen. Und dies meist gr\u00fcndlicher und besser als die Fachleute. Aber immerhin werden die Doctores nicht mehr gek\u00f6pft.<\/p>\n

Salzstreuer 47 \/ 19<\/p>\n

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Kaffeemaschinen<\/strong><\/p>\n

Es war quasi der Mega-Gau: kein Kaffee! Kaffeemaschine kaputt! Am Morgen fr\u00fch! Der Beh\u00e4lter, der das gemahlene Pulver auff\u00e4ngt, l\u00e4sst sich nicht mehr in die Maschinen schieben. Kaffee trinken pass\u00e9. Wachwerden eine m\u00fchsame Angelegenheit. Und dann lag da noch so ein komisches Plastikteil, das irgendwo rausgefallen war.<\/p>\n

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Mit meinem eher unterbemittelten technischen Geschick war an Reparieren nicht zu denken. Aber wegen einer Kleinigkeit gleich den ganzen Automaten weg zu schmeissen, ist schlicht dumm. Und der erste Samstag im Monat, an dem das Repaircaf\u00e9 ge\u00f6ffnet hat, war vorgestern. Das heisst warten, fast einen Monat lang, bis zum n\u00e4chsten ersten Samstag, an dem es wieder ge\u00f6ffnet ist. Pulverkaffee trinken \u2013 jetzt kenne ich alle Varianten der Zubereitung: mit einem L\u00f6ffel, mit zwei und drei L\u00f6ffeln, mit lauwarmem, mit siedendem Wasser, mit Zucker, ohne Zucker\u2026<\/p>\n

Endlich war der ersehnte Samstag da. Ich brachte die Kaffeemaschine ins Caf\u00e9. Doch dort beschied man mir, dass es mit sofort reparieren nichts werde. Meine Entt\u00e4uschung musste derart offensichtlich gewesen sein, dass man mir als Trost einen Kaffee und ein St\u00fcck selbstgebackene Quittenw\u00e4he kredenzte. Also wieder einen Monat lang Pulverkaffee. Die verschiedenen Zubereitungsvarianten hatte ich jetzt schon alle hinter mir. Also stieg ich auf Tee um. Ein Monat sp\u00e4ter: Die Kaffeemaschine kommt auf den Operationstisch. Ich stehe neben dem behandelnden Reparateur \u2013 nennen wir ihn Sven \u2013 schaue ihm zu und staune, was alles hintern der H\u00fclle eines Kaffeeautomaten an Kabeln, Gewinden, Zahnr\u00e4dern und dergleichen versteckt ist. Und ich bewundere die Geschicklichkeit von Sven, der so etwas auch noch nie gesehen hat, das Plastikteil wieder implantiert und so die Kaffeeproduktion wieder ankurbelt.<\/p>\n

Im Repaircaf\u00e9 sind Kaffeemaschinen die meist gebrachten Gegenst\u00e4nde. Kaffeetrinkerinnen und Kaffeetrinker scheinen eine grosse, verschworene Gemeinschaft zu sein. Fragt sich, ob die Apparate zu stark beansprucht oder zu schwach konstruiert werden. Egal, die geschickten Flickh\u00e4nde der freiwilligen Flickengel schaffen dankenswerter Weise Abhilfe.<\/p>\n

Salzstreuer 46 \/ 19<\/p>\n

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Verschiedene Materialien \u2013 ein Name <\/strong><\/p>\n

Sie sind krumm, rostig, dreckig, lang, br\u00fcchig, bunt. Man kann sie auf den Kopf hauen, mit den Z\u00e4hnen kauen, schneiden, feilen, versenken, bemalen. Man findet sie in W\u00e4nden, Brettern, an Zehen, im Studio. Sie sind aus Stahl, Holz, Eisen, Horn.<\/p>\n

Sicher haben Sie es erraten \u2013 N\u00e4gel sind unsere heutigen Objekte. Sie sind allgegenw\u00e4rtig, deshalb brennt mir das Thema mir auf den N\u00e4geln. Der Ausdruck stammt wahrscheinlich aus der Welt der Kl\u00f6ster, ehe es elektrisches Licht gab. Die M\u00f6nche befestigten eine kleine Kerze auf einem Daumennagel, um des Nachts die Gebete oder die heilige Schrift zu entziffern, lesen und beten zu k\u00f6nnen. Je nachdem wie gross das angestrebte Pensum war oder wie gut der M\u00f6nch lesen konnte, dauerte es etwas l\u00e4nger, die kleine Lichtquelle brannte herunter und des \u00abbrannte\u00bb auf den N\u00e4geln.<\/p>\n

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Feuer und N\u00e4gel sind ein Thema. Denn fr\u00fcher wurden N\u00e4gel in der Esse im Feuer geschmiedet, waren also unmittelbar der Hitze ausgesetzt. Ich denke nat\u00fcrlich an die eisernen Rossn\u00e4gel, die den Tieren zwecks Befestigung des Hufeisens, ins hornige Huf getrieben werden. Behufen von Pferden bildet quasi die ultimative Vereinigung der beiden Nagelformen. Ob benagelte Pferdef\u00fcsse damit \u2013 praktisch wie Winterreifen am Auto \u2013 dem Betriebskomfort dienen oder k\u00f6rperliche Schmuckst\u00fccke sind, sei dahingestellt. Schliesslich erfolgt die Bearbeitung bei einem Schmied und nicht im Nailstudio, wo es um Sch\u00f6nheit der N\u00e4gel geht. Dort werden sie mit diversen Aufklebern aufgepeppt.<\/p>\n

Das Bemalen der N\u00e4gel kann auch einem rein politischen Zweck dienen: um in Indien zu erkennen, wer zur schon gew\u00e4hlt hat, kriegen die N\u00e4gel Farbe ab. Man hat allerdings keinen Einfluss auf Farbe oder Form. Obwohl die Form und Gr\u00f6sse eine grosse Rolle als Erkennungszeichen spielen kann: der lange kleine Fingernagel zeugte im alten China davon, dass der Besitzer reich war, es also nicht n\u00f6tig hatte, einer Arbeit nachzugehen. Wohingegen kurze N\u00e4gel der linken und lange der rechten Hand einen Gitarristen verraten.<\/p>\n

Interessant finde ich die These des St. Galler K\u00fcnstlers Jan Kaeser, dass in Fingern\u00e4geln ein St\u00fcck Seele stecke. Ob das f\u00fcr N\u00e4gel aus Stahl auch zutrifft, wage ich zu bezweifeln. Wie auch immer, Nagel ist nicht gleich Nagel.<\/p>\n

Salzstreuer 45 \/ 19<\/p>\n

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Treffen \u2013 aber keine Dates<\/strong><\/p>\n

Auf meinem Weg zur Arbeit quer durch die Stadt, bin ich jeden Morgen um zehn nach sieben einem Mann begegnet. Er war in Gegenrichtung ebenfalls unterwegs zum Job. Nach einiger Zeit \u2013 es hat schon ein paar Wochen gedauert \u2013 begr\u00fcssten wir uns mit einem \u00abHallo\u00bb. Mehr war nicht. ich weiss nicht, wie er heisst, was er arbeitet, rein gar nichts. Nur dass er jeden Morgen meinen Weg kreuzte. Das ist jetzt etwa 35 Jahre her. Diese Begegnungen sind mir geblieben, ein Menschen, der gr\u00fcsst und l\u00e4chelt, war irgendwie beruhigend. hatte och doch eine schwierige Zeit, war alleine und arbeitete an einem Ort, der zwar interessant war, jedoch nichts mit meinen Berufsw\u00fcnschen zu tun hatte. Seither versuche ich unbekannten Menschen \u2013 wenn m\u00f6glich \u2013 mit einem L\u00e4cheln zu begegnen.<\/p>\n

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Vor kurzem war ich im Lift eines B\u00fcrokomplexes. nach einigen Stockwerken stieg jemand zu, ich gr\u00fcsste. Das \u00abGr\u00fcezi\u00bb wurde erwidert, ebenfalls das L\u00e4cheln. Dann stieg ich aus und w\u00fcnschte einen guten Tag. Worauf das Gesicht der Person erstarrte, als ob ich sie angegriffen h\u00e4tte. Hatte sie an diesem Tag etwas Unangenehmes oder Schwieriges vor sich? Bin ich mit meinem ahnungslosen Wunsch in einen gr\u00f6sseren Fettnapf getreten? Ich weiss es nicht.<\/p>\n

Aber egal. Mich fasziniert, wie Menschen auf ungewohnte Begegnungen und Situationen reagieren. Beispielsweise wie erw\u00e4hnt, in einem Lift. F\u00fcr kurze Zeit sind fremde Menschen im der intimen Atmosph\u00e4re eines engen, kleinen Raums auf einer N\u00e4he zusammen gepfercht, die man sonst h\u00f6chsten mit Partnerinnen, Partnern, Freunden und Verwandten teilt. Meist wird die Lage peinlich. Man traut sich kaum das Gegen\u00fcber anzusehen, starrt hilflos zu Boden und hofft, dass man bald auf der gew\u00fcnschten Etage fliehen kann. Unbefangen sind einzig Kinder und schn\u00fcffelnde Hunde. Was wiederum Eltern und Besitzern peinlich fordert. Oft wird die Frage gestellt, mit wem man in einem Lift stecken bleiben m\u00f6chte. Ich bin allerdings \u00fcberzeugt, dass in einem derartigen Fall die Hemmungen etwas Kluges zu bemerken oder das zu sagen, was man diesem Menschen schon immer sagen wollte, so gross ist, dass es beim Schweigen bleibt. Was meinen Sie dazu?<\/p>\n

Salzstreuer 44 \/ 19<\/p>\n

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Dunkle Ecken in den Gehirnwindungen
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\u00abSt\u00f6bere lieber nicht in deinem Kopf herum, dort ist es sehr gruselig\u00bb. So. Da war er in meinem Kopf, dieser Satz aus irgendeinem Krimi. Erst wollte ich ihn \u00fcberlesen, dann blieb er haften und er \u2013 obwohl er f\u00fcr eine Romanfigur gedacht war \u2013 trieb mich zum St\u00f6bern. Zun\u00e4chst fand ich gespeicherte Termine: in drei Wochen zum Zahnarzt, Geburtstag von XY, Treffen mit meinem Freund, Pneuwechsel, die Krankenkassenpr\u00e4mie bezahlen. Das ist ja gar nicht so schlimm, bis nichts von gruselig. Wahrscheinlich hat die Krimiautorin wirklich nur ihre Kunstfigur gewarnt, nicht zu viel zu gr\u00fcbeln. Die war als Mitglied der Mordkommission ja auch mit entsetzlichen Leichenfunden konfrontiert. Da ist Vergessen \u2013 besser in die hinterste Ecke des Kopfes verbannen \u2013 sinnvoll.<\/p>\n

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Ich suchte in meinem Kopf weiter \u2013 tats\u00e4chlich fand sich eine sehr blutige Erinnerung. Nicht etwa die zahllosen Sch\u00fcrfungen, kleinen Schnitte oder so, nein, ein richtig gruseliges Bild. Ich muss etwa zehn oder zw\u00f6lf gewesen sein, die ganze Familie in den Herbstferien im Engadin. Wir wanderten durch einen L\u00e4rchenwald, ziemlich nahe der Baumgrenze. Da entdeckten wir Pilze \u2013 selbstverst\u00e4ndlich streiften wir durchs Unterholz, um weitere zu finden. Stattdessen fand ich ein blutiges, fliegenbedecktes, gruusiges Etwas. Man erkl\u00e4rte mir sp\u00e4ter, dass es sich um die Innereien eines Tieres gehandelt hat. Es war Jagdzeit, die J\u00e4ger nahmen ein geschossenes Wild aus und liessen die Innereien als Nahrung f\u00fcr F\u00fcchse oder so liegen.<\/p>\n

Und weil ich schon am St\u00f6bern war, kamen mir ganz viele Bilder aus jener Zeit hoch: die Hitze im Sommer, wenn wir dem Nachbarsbauer beim Heuen halfen, die Skipiste, die wir erst trampeln mussten, ehe wir hinab fahren konnten, der b\u00f6se Hund, der sich immer schrecklich in Szene setzte, wenn ich Milch mit dem Chesseli holen musste. Aber so richtig gruseiliges fand ich nicht. Gut, es tauchten schon ein paar Geschichten auf, die ich in die dunkelsten Hinterhirnh\u00e4lften verbannt hatte. Da war zum Beispiel die Begegnung mit\u2026<\/p>\n

Jetzt merke ich gerade, dass die Zeichenzahl f\u00fcr diesen Salzstreuer erreicht ist. Schade, jetzt darf ich nicht weiter st\u00f6bern. Vielleicht ein anderes Mal. St\u00f6bern Sie auch manchmal?<\/p>\n

Salzstreuer 43 \/ 19<\/p>\n

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Heimat der Tiere<\/strong><\/p>\n

Noch sind die grossen Wagenr\u00e4der auf den hohen Stangen leer. Sicher bis zum Fr\u00fchjahr, wenn die St\u00f6rche wieder zur\u00fcck aus dem S\u00fcden sind und ihre Nester am gewohnten Ort bauen werden.\u00a0 Und dann kann man die schwarzweissen Flieger mit den roten Schn\u00e4beln beim wieder Nisten und Br\u00fcten durch die Ferngl\u00e4ser verfolgen, die am Wegrand im Zoo fest installiert und genau auf das k\u00fcnftige Nest gerichtet sind. Spaziert man dann weiter, muss man aufpassen, dass man nicht gerade einem schmucken Huhn oder einer watschelnden Ente in de Quere kommt. Ein Besuch im Zoo von heute hat nichts mehr mit dem Besuch des Zoos meiner Kindheit zu tun.<\/p>\n

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Sorchennest Marokko \u00a9 gal<\/p><\/div>\n

Ich erinnere mich an H\u00e4user mit engen Gittern, in denen beispielsweise der schwarze Panther hin und her tigerte und die Elefanten von angekettet von einem Fuss auf den anderen standen, Gewichtsverlagerung nach links, nach rechts, immer wieder, immer wieder, immer wieder. Oder an das damals ber\u00fchmte Gorillababy Goma, das sich \u00e4ngstlich an seine Mutter klammerte. Und an die Giraffen in Basel, die unendlich lange H\u00e4lse hatten. Gut, lange H\u00e4lse haben Giraffen auch heute noch, doch sie haben nun mehr Raum, um sich zu bewegen. Die Ver\u00e4nderungen sind eklatant, statt in K\u00e4figen und St\u00e4llen leben die Tiere heute in Landschaften, die ihrer Herkunft entsprechen. Beispielsweise die erw\u00e4hnten Elefanten: sie hausen in Z\u00fcrich auf 11’000 m2<\/sup> im Elefantenpark, haben ein Schwimmbecken und Ecken, in denen sie sich verstecken k\u00f6nnen, wenn ihnen das Angeglotze durch Besucherinnen und Bescher auf den Wecker geht.<\/p>\n

Die Form f\u00fcr die Lebensweise der Tiere und die Funktion haben sich ver\u00e4ndert, der Name Zoologischer Garten ist geblieben. W\u00e4hrend es fr\u00fcher um die Zurschaustellung exotischer Tiere ging, sind heute Forschung und Arterhaltung das Zentrale. Denn wie die Vertreter der Tierwelt aussehen, ist dank Film, TV, Fotografie und Internet keine \u00dcberraschung mehr. Doch da wir Menschen die Gabe besitzen, die nat\u00fcrliche Umgebung einzelner Lebewesen aus verschiedenen \u2013 meist gewinnmaximierenden \u2013 Gr\u00fcnden zu minimieren, wenn nicht gar ganz zu zerst\u00f6ren, ist die Artenvielfalt extrem gef\u00e4hrdet. Vielleicht sind die Bem\u00fchungen der Zoos in dieser Hinsicht mehr als nur ein Tropfen auf den ber\u00fchmten heissen Stein.<\/p>\n

Salzstreuer 42 \/ 19<\/p>\n

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Vergessen vergessen<\/strong><\/p>\n

\u00abIch hab Dich zu vergessen vergessen\u00bb \u2013 dass diese Chanson-Zitat von Georg Kreisler aus dem Jahr 1961 nach fast sechzig Jahren richtig brisant ist, verdanken wir den Social Media. Denn was einmal gepostet wurde, bleibt ewig, wird nie vergessen, L\u00f6schen gilt nicht. Halt, das ist der falsche Ausdruck: L\u00f6schen geht nicht, muss es heissen. Was man in fr\u00f6hlichen, meist unbedachten Momenten, auf Facebook postet, um seinen Freunden, Followers oder was auch immer, eine Freude zu bereiten, wird gespeichert bis in alle Ewigkeit. Sei es ein bl\u00f6der Spruch oder ein verf\u00e4ngliches Foto oder eine \u00fcble Beleidigung. Das kann ziemlich \u00e4rgerlich sein. Nicht nur f\u00fcr Politikerinnen und Politiker, deren Wahlversprechen unausl\u00f6schlich da stehen, auch f\u00fcr Stellensuchende oder auf der Karriereleiter steigende.<\/p>\n

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Fr\u00fcher hiess das: \u00abin Stein gemeisselt\u00bb, heute heisst das \u00abauf Instagram, Twitter Facebook (und wie sie alle heissen) gepostet\u00bb. Der Effekt ist nicht ganz derselbe. W\u00e4hrend die in Stein gehauenen Buchstaben und Zeichnungen nach Jahrtausenden der Erosion zu Opfer fallen, bleiben die Fotos und Posts ewig. Mit allen Konsequenzen.<\/p>\n

Auch das ist ein Beweis, dass der Lauf der Zeit alles wandelt. Heute versucht man, einmal fest Gehaltenes der Vergessenheit zu \u00fcberlassen, aus dem kollektiven Ged\u00e4chtnis zu streichen. Ganz anders in den Zeiten vor dem World Wide Web. Fr\u00fcher tat man alles daf\u00fcr, dass man bekannt wurde, dass man einen Eintrag in Wikipedia erhielt, erst dann war mein ein wichtiger Mensch. Oder \u2013 noch besser \u2013 im Guinnessbuch der Rekorde auftauchte. Sei es, weil man am schnellsten 100 Wienerli vertilgte, weil man das h\u00f6chste Geb\u00e4ude in der k\u00fcrzesten Zeit erklommen hat oder weil man sich am l\u00e4ngsten gek\u00fcsst hat. Auch der Gesellschaft mehr oder weniger nutzbringende Tatsachen verhalfen zum Eintritt in die Ruhmeshallen der Unvergesslichkeit. Die Erfindung des Penicillins etwa, oder der erste Schritt auf dem Mond. Das sind auch ganz andere Sachen als die verf\u00e4ngliche Situation oder das versoffene Gesicht, das man aus einer Festlaune heraus dem Web anvertraut.<\/p>\n

Das Web ist gleich wie die erste Liebe, es vergisst nichts \u2013 \u00abich hab Dich zu vergessen vergessen\u00bb.<\/p>\n

Salzstreuer 41 \/ 19<\/p>\n

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Tristesse<\/strong><\/p>\n

Es tropft und tropft beharrlich. Der Regen hat das T\u00f6sstal \u00fcbernommen. Zwar ist es noch nicht kalt, doch die der triefenden N\u00e4sse scheint die Temperaturen zu dr\u00fccken. Die Welt ist unfreundlich und wenig einladend. Es ist nicht der Regen, der im Sommer heiss ersehnt ist, der Garten und Seele nach Hitzetagen erfrischt. Nein, es ist der l\u00e4hmende Regen, der ohne Hoffnung auf einen noch so winzig kleinen Sonnenstrahl unerbittlich sch\u00fcttet und sch\u00fcttet und sch\u00fcttet\u2026 V\u00f6gel haben sich verzogen, Hunde und Katzen verkriechen sich. Alles ist trostlos.<\/p>\n

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Ich starre hinaus, meine Tatkraft scheint weggesp\u00fclt, meine Ideen verw\u00e4ssert. Doch dann realisiere ich, dass nicht die Aussenwelt in Tristesse versinkt, sondern ich. Dass ich am \u00fcblichen Herbst-Blues leide, dass ich mich von diesem bisschen Wasser einsch\u00fcchtern, l\u00e4hmen und in ein Loch jagen lasse. Das darf nicht sein. Denn was gibt es Sch\u00f6neres, als im Trockenen zu sitzen, dem Regen zuzuschauen und nicht in den Schiff hinaus zu m\u00fcssen. Der Garten kann Garten bleiben, die ungewollten Pflanzen k\u00f6nnen wuchern, Giessen f\u00e4llt aus. Wenn dann noch ein duftender Kaffee, ein gutes Buch oder sch\u00f6ne Musik dazu kommen, ist das Leben beinahe perfekt.<\/p>\n

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Herbst \u2013 es sei Zeit, der Sommer sei sehr gross gewesen, schreibt Rainer Maria Rilke in seinem ber\u00fchmten Gedicht \u00abHerbsttag\u00bb. Und zum Herbst geh\u00f6ren nun mal Regen und Winde. Und selbstverst\u00e4ndlich wunderbare Gerichte mit Pilzen, K\u00fcrbis oder Wild, Fr\u00fcchte wie \u00c4pfel und Birnen, Getr\u00e4nke wir Most und Sauser. Genuss pur, die Freude am neuen Wein, die bunt bemalten Laubw\u00e4lder und die l\u00e4ngere Abende bestimmen diese Jahreszeit. Alle Freunde und Bekannte sind aus den grossen Ferien zur\u00fcck, man kann sich wieder zu gem\u00fctlichen Fondueabenden treffen, die Theater pr\u00e4sentieren die neuen Programme, die Konzertsaison ist neu er\u00f6ffnet. Und noch regnet es nur. Noch trauen sich die Schneeflocken nicht ins Tal. Und jetzt reisst gar der Himmel auf, einige laue Sonnenstrahlen zeigen sich, die W\u00e4lder leuchten. Die Tristesse ist verbannt. \u00dcbrigens: Tristesse ist die pessimistische Verwandte von der Melancholie. Und etwas Melancholie im Herbst hat noch nie geschadet.<\/p>\n

Salzstreuer 40 \/ 19<\/p>\n

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Das Schicksal eines T-Shirts<\/strong><\/p>\n

Es ist bestimmt schon \u00fcber zehn Jahre her, seit ich das orange T-Shirt als Geschenk erhielt. Ich habe mich sehr gefreut, es passte wunderbar und hat sich sofort zu meinem Lieblingsleibchen gemausert. Es passte wie angegossen, dehnte sich mit meinem Wachstum parallel aus. So vor etwa drei Jahren war es so labberig, dass ich mich damit wirklich nicht mehr an die \u00d6ffentlichkeit trauen konnte. Immerhin f\u00fcr die Gartenarbeit war es das perfekte Outfit. Doch jetzt besteht es eigentlich nur noch aus L\u00f6chern, die von einem abgebleichten orangenen Stoff zusammengehalten werde. Ich glaube, ich muss mich endg\u00fcltig von ihm verabschieden \u2013 schwersten Herzens.<\/p>\n

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Nun, es war ja nur ein Leibchen. Was aber passiert mit anderen wichtigen Kleidungsst\u00fccken, wenn sie entsorgt werden? Etwa mit dem Konfirmationsanzug? Fr\u00fcher wurde er besten Falls an den j\u00fcngeren Bruder vererbt. Heute wandert er \u2013 wenn er Gl\u00fcck hat \u2013 im Secondhandshop oder auf dem Flohmarkt. Wahrscheinlicher ist, dass der abgetragene Anzug in der Altkleidersammlung landet und dann zu einem dieser bunten Flickenteppiche mutiert. Die Vorstellung ist schrecklich, dass er, der feierliche Worte in der Kirche geh\u00f6rt hat, sp\u00e4ter bei festlichen Gelegenheiten getragen wurde und vielleicht gar die erste Verliebtheit im Tanzkurs \u2013 damals gab es noch solche Sachen \u2013 miterlebt hat, nun einfach von fremden F\u00fcssen und Schuhen getreten und betrampelt wird.<\/p>\n

Was ist mit den vielen Erinnerungen, die so ein Lieblingskleidungsst\u00fcck mit sich rumtr\u00e4gt? Gehen die beim Entsorgen verloren? Gut, mir ist schon klar, dass die Erinnerungen in mir und nicht in einem St\u00fcck Stoff haften. Aber vergesse ich die zahlreichen Stunden in dieser Kleidung nicht eher, wenn ich sie nicht mehr trage und sehe? Besser gesagt \u2013 gewissen Gegenst\u00e4nde und Kleider erinnern mich an ganz spezielle Ereignisse. Wenn jetzt diese Erinnerungstr\u00e4ger weg sind, dr\u00e4ngen sich die Erinnerungen nicht auch mit ihnen in den Hintergrund?<\/p>\n

Schluss mit Sentimentalit\u00e4ten. Kleider sind Kleider und Erinnerungen sind Erinnerungen. Basta. Ich kann ja schliesslich nicht jeden Stofffetzen als Ged\u00e4chtnisst\u00fctze aufbewahren. Tagebuch schreiben ist einfacher und Platz sparender.<\/p>\n

Salzstreuer 39 \/ 19<\/p>\n

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Vom Nutzen des \u00c4rgers f\u00fcr das Leben<\/strong><\/p>\n

\u00abMerdre\u00bb, dieser klassische St\u00fcckanfang des franz\u00f6sischen Autors Alfred Jarry (1873 bis 1907) f\u00fcr seinen \u00abUbu Roi \u00bb, ist der optimale Ausruf um seinen \u00c4rger loszuwerden. Nicht \u00abMerde\u00bb, \u00abScheisse\u00bb \u2013 das w\u00e4re schlicht zu primitiv \u2013 sondern eben \u00abSchreisse\u00bb. Es ist die bessere Variante als dreinzuschlagen, die Quelle der Unbill umzubringen oder zu demolieren.<\/p>\n

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Da fuhr ich neulich gem\u00fctlich \u00fcber den Bahn\u00fcbergang bei Rikon. Und pl\u00f6tzlich \u2013 ein Blitz. In Gedanken versunken, hatte ich nicht aufgepasst und den Blechfotografen schlicht vergessen. Dabei steht er schon seit einer Woche dort. Na ja, selber bl\u00f6d, dachte ich bei mir. Doch zwei Tage sp\u00e4ter wieder \u2013 Blitz. Und jetzt \u00e4rgerte ich mich gewaltig. Auch \u00fcber mich. Die Tage danach fiel mir auf, dass die Autos in Rikon nur so dahin schleichen. Alle langsamer als die erlaubten 50 Stundenkilometer. Eigentlich logisch, denn wer will schon das Risiko eingehen, sein sauer verdientes Geld f\u00fcr unvorteilhafte Fotografien auszugeben?<\/p>\n

Die Folgen von allzu korrektem Fahren w\u00e4ren allerdings schlimm: Staus bilden sich, Hupkonzerte dr\u00f6hnen, der L\u00e4rmpegel w\u00e4chst ins Unermessliche, Menschen erleiden vor lauter \u00c4rger Herzattacken, die Gesundheitskosten steigen, die Krankenversicherungen werden teurer\u2026 Schliesslich m\u00fcssen Mindestgeschwindigkeiten eingef\u00fchrt werden. Und die Bussen bei Unterschreitung sind doppelt so hoch wie diejenigen f\u00fcr Raser. Also muss das Lebensziel heissen: \u00abNie mehr \u00e4rgern\u00bb. Nicht nur im Strassenverkehr, ganz allgemein. Es gibt Kurse, Anleitungen und Lekt\u00fcre daf\u00fcr.<\/p>\n

Wenn sich alle Menschen dieses Motto einverleiben, werden wir in einer harmonisch ausgeglichenen Welt leben, wo sich niemand mehr in die Quere kommt. Und vor lauter H\u00f6flichkeit und R\u00fccksichtsnahme, gibt es keine Streitereien mehr. Niemand entwickelt mehr eine Idee oder ein Produkt, das in irgend einer Form irgend jemandem in den falschen Hals gelangen k\u00f6nnte. Friede und Freude herrscht. Kein \u00c4rger bedeutet aber auch: keine Emotionen. Keine Wut, kein Lieben, kein Hassen. Somit kein Antrieb, sich etwas zur Verbesserung der Situation einfallen zu lassen. Ganz zu schweigen von den Verlusten f\u00fcr Juristen, Mediziner und Pharmakonzerne, die ihre Hilfe bei Gerichtsterminen, Magengeschw\u00fcren und anderen Stresssymptomen nicht mehr verkaufen k\u00f6nnen. Ergo: \u00c4rger ist ein Wirtschaft und Wohlstand erhaltender, unverzichtbarer Faktor im Leben. \u00abMerdre\u00bb.<\/p>\n

Salzstreuer 38 \/ 19<\/p>\n

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Trends oder das neue Yoga<\/strong><\/p>\n

\u00abAlles fahrt Schii, alles fahrt Schii\u00bb \u2013\u00a0mit diesem Schlager besang Vico Torriani 1963 einen schweizerischen Trend, der \u00abMamme, Bappe und Sohn\u00bb in die Sonne auf schneeweisse Pisten trieb. Trends gab es immer wieder und wird sie immer geben. F\u00fcr eine bestimmte Zeit ist eine Sache, ein Nahrungsmittel oder Sport in aller Munde und bestimmt das Leben zahlreicher Menschen. Es ist schwierig, sich dem Sog zu entziehen, schliesslich reagieren wir nicht immer rational. Sonst h\u00e4tten Werbung und andere Beeinflussungsversuche keine Chance und k\u00f6nnten es k\u00f6nnte viel Geld eingespart werden. Auch Trends bestimmen unser Leben. Noch mehr \u2013 sie bestimmen unser Wohlbefinden.<\/p>\n

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Um einige Beispiele zu nennen: pl\u00f6tzlich verdr\u00e4ngte Margarine den Butter, weil sie angeblich ges\u00fcnder ist. Pl\u00f6tzlich waren lange Haare bei m\u00e4nnlichen Jugendlichen das Mass aller Dinge und wurden in der Gesellschaft akzeptiert. Da lenkten sogar konservative Milit\u00e4rk\u00f6pfe ein und begegneten dem Trend 1992 mit der Einf\u00fchrung von Haarnetzen f\u00fcr Rekruten. Pl\u00f6tzlich wurden Schlaghosen wieder modern. Pl\u00f6tzlich wurde Mini, dann Maxi, dann Schlabberlook, dann Eleganz Mode \u2013 und so fort. Vor allem die Bekleidungs- und die Nahrungsindustrie setzen Trends. Einerseits sp\u00fcren sie die allgemeine Stimmung und den allgemeinen Gesellschaftszustand und andererseits bereiten sie den Boden daf\u00fcr, sicher auch um das Gesch\u00e4ft anzukurbeln. Schliesslich wird jegliche Gewohnheit mit der Zeit langweilig.<\/p>\n

Yoga ist einer der wichtigsten Trends, der schon so lange existiert, dass er kein Trend mehr, sondern Allgemeingut ist. Doch sucht die Industrie auch da neue Wege und aktuelle Anreize. In einem Werbeprospekt eines namhaften schweizerischen Kaufhauses beispielsweise wird ein neuer Trend \u2013 die \u00abWohlf\u00fchlh\u00f6hle \u2013 R\u00fcckzugsort in der Natur\u00bb \u2013 beschworen. Auf professionell inszenierten Farbbildern wird die Idylle \u00abNatur\u00bb beschworen. Da steht etwa ein Tisch mitten auf einer Wiese am Waldrand. Sch\u00f6n gedeckt, mit Pilz verzierter Tischdecke, Kerzen, Wiesenstrauss und deftigem Brot neben einem Korb voller Eierschw\u00e4mmen und Steinpilzen. Und an Schn\u00fcren h\u00e4ngen mit Kr\u00e4utern eingepackte Perlh\u00fchner \u00fcber einem Feuer, edle Weinflaschen sind auf Moos drapiert. \u00abRetour \u00e0 la nature\u00bb wird anm\u00e4chelig pr\u00e4sentiert.<\/p>\n

Auf dem Waldboden liegen auch exklusiven Messer aus Damaszenerstahl, \u00e4sthetisch arrangiert. Dazu der raffinierte (?) Text: \u00abMesserkunst \u2013 der Messerschmiedekurs ist das neue Yoga\u00bb. So verdr\u00e4ngt halt ein Trend den anderen.<\/p>\n

Salzstreuer 37 \/ 19<\/p>\n

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Von Zwergen, Elfen und b\u00f6sen R\u00e4ubern<\/strong><\/p>\n

M\u00e4ssig warm war es, geregnet hatte es ganz fest, ein Freund jubelte \u00abGenau richtiges Pilzwetter\u00bb. Im Wald st\u00e4nden sie bereit, ja sie w\u00fcrden darauf warten geschnitten zu werden. Also gutes Schuhwerk geschn\u00fcrt, Faserpelz anmontiert, Messerchen und K\u00f6rbchen geschnappt und los. \u00abWir m\u00fcssen in die H\u00f6he\u00bb. Gut, hochgekraxelt. Bis es etwas flacher wurde. Er war total fit, ich keuchte hinterher. Mit Kennerblick musterte er B\u00e4ume, Bodenpflanzen und Bodenbeschaffenheit. Weiter, dann blieb er wieder stehen. Weiter. Pl\u00f6tzlich sagte er: \u00abHier steche ich in den Wald\u00bb. Und weg war er. Ich schlenderte \u2013 froh \u00fcber das ruhigere Tempo \u2013 weiter auf dem Weg.<\/p>\n

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Ich sah eine h\u00fcbsche Waldlichtung und in meinem Pilz-Laien-Hirn stellte ich mir vor, auf einen Haufen der begehrten Objekte zuzulaufen und sie nur pfl\u00fccken m\u00fcsse: nichts da. Vermoderndes Laub, angefaulte \u00c4ste, vereinzelte Blumen, M\u00fccken, K\u00e4fer, sonst nix. Da ich nicht auf Pilz-Such-Find-Resultat getrimmt bin, nahm ich mich die Einladung des halbwegs trockenen, querliegenden Baumstamm, der mich zum Sitzen aufforderte, an. Dankbar nahm ich an und genoss die Stille.<\/p>\n

Bald realisierte ich, dass die Stille ziemlich laut war. Zirpen, diskutierende V\u00f6gel, krachende \u00c4ste, im Wind s\u00e4uselndes Bl\u00e4tterwerk. Bei jedem Ger\u00e4usch. Meine Fantasie erwachte und schenkte mir zu jedem Ger\u00e4usch eine Geschichte zur Auswahl. Da eilten Zwerge vor\u00fcber, lauerten b\u00f6se R\u00e4uber mit dicken Keulen hinter B\u00fcschen, eine Elfe l\u00e4chelte mir verschmitzt zu \u2013 kurz, ich vergass die Realit\u00e4t, verwandelte mich in ein kleines Kind, verloren im Wald. Pl\u00f6tzlich h\u00f6rte ich Schritte, \u00c4ste knackten, ich erschrak, ein Riese greift mich an. Doch es war nur mein Bekannter. Brutal bef\u00f6rderte er mich in die knallharten Wirklichkeit zur\u00fcck.<\/p>\n

Fr\u00f6hlich schwenkte er das K\u00f6rbchen, darin vier bis f\u00fcnf ansehnliche Speisepilze. \u00abJetzt gehen wir zu Dir und kochen\u00bb. Auf die Frage, wie er seine Beute zubereiten wolle, meinte er lakonisch, dass seine Frau daf\u00fcr sorge, wie sie auf den Tisch kommen und murmelte irgendetwas von \u00abPanieren\u00bb und \u00abIch habe keine Ahnung\u00bb. Also \u00fcbernahm ich das Gesch\u00e4ft, panierte und briet die Pilze. Die Arbeitsteilung war klar: er als Realist fand die Pilze, ich als Fantasierender bereitete sie zu. Und wir genossen gemeinsam den leckeren Fund mit einem Glas Weisswein.<\/p>\n

Salzstreuer 36 \/ 19<\/p>\n

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ProBon oder so<\/strong><\/p>\n

\u00abW\u00e4nd Si no d\u2019 ProBon?\u00bb \u2013 Die Frage wird in Fachgesch\u00e4ften oft geh\u00f6rt. Bei einem \u00abJa\u00bb klebt man diese dann in einen Kartonumschlag und kann bei voller Seite f\u00fcr CHF 10 einkaufen. Praktisch eigentlich. Und sympathischer als die elektronischen Karten der Grossverteiler, die nur wissen wollen, wie meine Einkaufsvorlieben \u2013 oder besser Gewohnheiten \u2013 sind, um mich gezielt zu bewerben. Zwar wollen die ProBon-Marken den Kundinnen und Kunden auch den jeweiligen Laden schmackhaft machen \u2013 man nennt das KundInnenbindungsprogramm \u2013, aber die kleinen aufklebbaren Zettelchen wirken in unserer Zeit von Apps irgendwie altmodisch. Obwohl man sie nicht mehr mit der Zunge ablecken muss. Doch erinnern sie mich an meine Ferien bei meiner Grossmutter. Bei ihr gab es Silva-B\u00fccher.<\/p>\n

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Ich muss erkl\u00e4ren: namhafte Schweizer Unternehmen wie Steinfels, Toni-Molkerei, Thomy & Franck AG oder Lindt & Spr\u00fcngli gr\u00fcndeten die Genossenschaft Silva-Verlag. Gem\u00e4ss Statuten \u00abeine Vereinigung von Fabrikationsunternehmen mit dem Zweck, in Verbindung mit dem Verkauf der von ihnen produzierten Waren k\u00fcnstlerisch und erzieherisch wertvolle Bilderwerke herauszugeben und zu propagieren\u00bb. Dort konnte man die Bilderb\u00fccher ohne Bilder. beziehen. Dann konnte man \u00abSilva-Punkte\u00bb sammeln, die auf die Verpackung der Ware gedruckt waren. Gegen die Einsendung gen\u00fcgender Punkte erhielt man dann die Bilder zum Buch. Also man sammelte ebenfalls kleine Papierchen, die einem Gegenwert entsprechen, ganz wie heute.<\/p>\n

Es waren gezeichnete und kolorierte Bildchen, die irgendwelchen historischen, naturkundlichen oder m\u00e4rchenhaften Dingen ein Gesicht gaben. Es gab \u00abHeidi\u00bb, \u00abRobinson Crusoe\u00bb, \u00abV\u00f6gel\u00bb, \u00abRosen\u00bb, \u00abUniformen\u00bb, \u00abEisenbahnen\u00bb und dergleichen mehr. Die B\u00fccher waren f\u00fcr mich als Bub \u00e4usserst spannend. Schliesslich gab es kein TV, die exotischen oder aus fernen L\u00e4ndern stammende Illustrationen vermittelten mir eine neue Welt. \u00c4hnliche B\u00fccher wie Lexika oder so fanden sich nur in Bibliotheken oder bei ganz reichen Leuten. Mit den Silva-B\u00fcchern konnte ich viel lernen. Und habe stundenlang jedes Detail der Bildchen studiert.<\/p>\n

Ganz vergessen ist das System noch nicht. Ich denke an die Sammelwut, die alle vier Jahre ausbricht: Panini-Alben mit den Tschuttistars. Altbew\u00e4hrtes scheint immer noch Konjunktur zu haben.<\/p>\n

Salzstreuer 35 \/ 19<\/p>\n

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Sex on the Beach<\/strong><\/p>\n

Bei einem dieser heissen Julitage spazierte ich am T\u00f6ssufer entlang. Die Sonne zeigte sich von ihrer unbarmherzigsten Seite, der Wind hatte sich in die Sommerferien verzogen, das einzige Wasser, das munter str\u00f6mte, war der Schweiss auf meiner Stirne. Meine Kehle trocknete aus, ich hatte Durst. Auch meine Gedanken wurden tr\u00e4ger und pl\u00f6tzlich kam mir \u00abSex on the Beach\u00bb in den Sinn. Nicht, was Sie jetzt vermutlich denken, mir erschien das Getr\u00e4nk wie eine Fata Morgana vor den Augen. Ich hatte es vor einigen Wochen zum ersten Mal getrunken, es hat mir sehr gut geschmeckt, so richtig fruchtig. Dann erinnerte ich mich aber daran, dass es mit ziemlich viel Alkohol verbunden war: Aprikosenlik\u00f6r, Vodka, Ananassaft, Orangensaft und Cranberrysirup.<\/p>\n

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Also so etwas Fruchtiges h\u00e4tte ich bei der Hitze gerne getrunken. Allerdings ohne Lik\u00f6r und Vodka, nach Alkohol war mir \u00fcberhaupt nicht zu Mut. Nicht einmal ein k\u00fchles, frischgezapftes Bier konnte mich locken, Ich wusste, dass es zwar erfrischend die Kehle hinab zischte, dann aber eine heimt\u00fcckische M\u00fcdigkeit in meinen K\u00f6rper pumpe. Ich freute mich darauf, meinen Durst zu Hause mit kaltem Pfefferminztee. zu l\u00f6schen. Habe ich danach wieder etwas gek\u00fchltere, klarere Gedanken, werde ich mich sicher fragen, wer wohl alle die Fantasienamen f\u00fcr Cocktails und Drinks erfindet.<\/p>\n

In unseren Vorarlbergferien stiessen wir auf eine abenteuerliche Drinkkarte: \u00abDeath in the Afternoon\u00bb,\u00abBerliner Brandstifter\u00bb, \u00abMissionarin\u00bb, \u00abBienenstachel\u00bb oder \u00abOachkatzel Colada, sie haben alle eines gemeinsam: Hochprozentiges mit Zutaten. Verschiedene Fl\u00fcssigkeiten werden zusammengemixt, mit Fruchts\u00e4ften, Fruchtst\u00fccken und kleinen Papierschirmchen erg\u00e4nzt und schon finden sie ihre Liebhaberinnen und Liebhaber. Je abenteuerlicher der Name, desto gr\u00f6sser der Reiz es auszuprobieren. So entstehen wahrscheinlich auch die Bezeichnungen. Je mehr man probiert hat, desto bl\u00fchender die Fantasie und umso abenteuerlicher die Titelkreation.<\/p>\n

Noch flimmerte die Landschaft, noch war ich nicht im Schatten, noch qu\u00e4lte mich der Durst. Der Gedanke an den kalten Tee machte mich ganz giggerig. In Gedanken kreierte ich einen eigenen \u00abCocktail\u00bb. Wobei \u00abHahnenschweif\u00bb \u2013 \u00dcbersetzung \u2013 f\u00fcr ein Getr\u00e4nk doch ein eher seltsamer Begriff ist. Also nichts wie heim und den \u00abIcemintmaison\u00bb oder \u00abKalter Badewasserspass\u00bb \u2013 ohne Alkohol \u2013 runtergest\u00fcrzt. Ist sicher genau so gut wie \u00abSex on the T\u00f6ssuferbeach\u00bb.<\/p>\n

Salzstreuer 34 \/ 19<\/p>\n

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Regenwurmapokalypse<\/strong><\/p>\n

Munter bohrt und gr\u00e4bt sich der Regenwurm durchs Erdreich, m\u00fcmmelt Erdkrumen und vermodertes Pflanzenmaterial in sich rein, geniesst das Leben. Der \u00abrege Wurm\u00bb \u2013 daher soll sein Name stammen \u2013 ist einer aus den 46 Arten, die sich in der Schweiz durch den Boden w\u00fchlen. Er hat sich unseren Garten als Bleibe auserw\u00e4hlt. Wir freuen uns, dass er hier lebt, denn der beliebte Gast hinterl\u00e4sst kalziumhaltige Ausscheidungen. Und diese neutralisieren die s\u00e4urehaltigen Bodeninhaltsstoffe und verbessern so die Bodenqualit\u00e4t auf nat\u00fcrliche Weise. So quasi ein biologischer D\u00fcng-Apparat, der keinen L\u00e4rm verursacht.<\/p>\n

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Nicht nur wir, auch andere Gartenmitbewohner \u2013 Marder, Igel, Spitzm\u00e4use, Ameisen und K\u00e4fer \u2013 sch\u00e4tzen den l\u00e4nglichen, braunen Lebensgenossen. Diese allerdings, weil sie ihm das Leben schwer machen, ja es sogar beenden wollen. Weil auch sie Hunger haben und sich nicht mit Erdkrumen und Moder zufriedengeben. Wurmes besondere Feinde sind allerdings zahlreiche Vogelarten. Da stechen besonders die Amseln, alias Merlen hervor. Bei ihnen dient der Bodenbohrer nicht nur als Nahrungsquelle, sondern als Spezialit\u00e4t. Nur ist es so, dass die Begehrten nicht einfach so vor ihrem Schnabel tanzen, sondern sich unter dem Boden tummeln.<\/p>\n

Wie kommt also die Merle zu dem Leckerbissen? Sie h\u00fcpft \u00fcber die Wiese, bleibt stehen, h\u00fcpft weiter und \u2013 zack \u2013 zieht sie den Wurm aus dem Boden. Da gibt es Forscher, die behaupten, die Bodenersch\u00fctterungen durch den Vogel w\u00fcrden den Wurm aufschrecken.- Auf seiner Flucht k\u00e4me er aus dem Boden. Andere haben beobachtet, dass die Amsel den Kopf ab und zu schr\u00e4g h\u00e4lt, so als ob sie die Ohren spitzten und lauschten. Daraus schliessen sie \u2013 weil V\u00f6gel erwiesenermassen ein ausserordentlich gutes Geh\u00f6r haben \u2013, dass die Amsel den Bohr-, Kratz- und Fortbewegungsl\u00e4rm h\u00f6ren und genau wissen, wo sie zupicken m\u00fcssen.<\/p>\n

F\u00fcr unseren Bodengast ist ziemlich egal, welche der wissenschaftlich nicht bewiesenen Theorien zutrifft. Ob gesehen, geh\u00f6rt, gesp\u00fcrt oder aufgescheucht, sein Problem ist, dass er als \u00abSonntagsbraten\u00bb dient und gefressen wird. Gl\u00fcck hat er insofern, dass sein Regenrationsverm\u00f6gen besonders ausgepr\u00e4gt ist. Pickt ihm die Amsel nur den hinteren K\u00f6rperteil ab, w\u00e4chst dieser fast vollst\u00e4ndig wieder nach. Schwein gehabt.<\/p>\n

Salzstreuer 33 \/ 19<\/p>\n

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Veraltet \u2013 oder weiss noch jemand, was ein Bandsalat ist?<\/strong><\/p>\n

K\u00fcrzlich fand ich beim Aufr\u00e4umen ein altes SBB-Billett, so eins aus braunem Karton, das der Kondukteur \u2013 er trug eine grosse roten Tasche \u2013 mit einer schweren Zange gelocht und entwertet hat. Dann erinnerte ich mich, wie mein Grossvater sofort zum Bahnhof eilte, sobald das neue Kursbuch erschienen war. Er studierte es sorgf\u00e4ltig und plante die Ferien. Ich weiss, das ist eine Geschichte aus l\u00e4ngst vergangenen Zeiten. Best\u00e4tigt wurde mir dies von einem Teenie, der das braune Billett sah und mich fragte, wie man so etwas denn ausdrucke. Da wurde mir bewusst, dass f\u00fcr mich ganz viele Dinge selbstverst\u00e4ndlich sind und sind, die der j\u00fcngeren Generation nicht mehr bekannt sind.<\/p>\n

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Bandsalat ist so etwas. Das ist kein Sommeressen mit \u00d6l und Essig. Sondern ein \u00c4rgernis hervorgerufen von einer Musikkassette. Endlich durfte ich von einem Kollegen eine Single \u2013 Durchmesser 17.5 cm, 45 Umdrehungen pro Minute \u2013 mit dem Recorder aufnehmen. Und dann das! Das d\u00fcnne Band verhaspelte sich und der damalige Nummer 1 Hit \u00abDas ist die Frage aller Fragen\u00bb von Cliff Richard ert\u00f6nte nicht mehr. Also versuchte ich den Kollegen telefonisch zu erreichen. Ich drehte die W\u00e4hlscheibe \u2013 meine wichtigen Telefonnummern kannte ich selbstverst\u00e4ndlich noch auswendig \u2013 seine Mutter nahm ab und beschied mir, dass er nicht daheim sei.<\/p>\n

Ihm ein Telegramm zu schicken war zu teuer, der Anlass auch zu nichtig. Schliesslich waren Telegramme nur f\u00fcr Hochzeitsgratulationen, runde Geburtstagen ab 60 oder so \u00fcblich. Zudem hat das mit dem Telefon ja geklappt, Apparat und Telefonleitung waren in unserer Wohnung. Besser als bei meinen Grosseltern \u2013 die teilten eine Leitung mit einem Nachbarn, der etwa 150 m weit weg wohnte. Wenn sie telefonieren wollten mussten sie erst zu ihm. Daf\u00fcr konnten wir Kinder das Gespr\u00e4ch am Radio mith\u00f6ren \u2013 Rediffusion. Meine Grossmutter wurde immer fuchsteufelswild und freuten uns diebisch.<\/p>\n

Ich h\u00e4tte meinem Kollegen auch schreiben k\u00f6nnen. Das lohnte sich auch nicht. Schreiben von Bewerbungen hingegen schon. Ich kramte meine sch\u00f6nste Handschrift hervor, legte ein liniertes Papier unter das Schreibpapier, z\u00fcckte meinen Patronenf\u00fclli und schrieb die Vorlage, die vorher formuliert hatte ab. Dann wartete ich mehrere Tage, bis wieder ein Brief kam. Inhalt: \u00abWir bedauern\u2026\u00bb.<\/p>\n

Tja, eine SMS geht schneller. Aber ist sie pers\u00f6nlicher?<\/p>\n

Salzstreuer 32 \/ 19<\/p>\n

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Dichten<\/strong><\/p>\n

Wahrscheinlich jede und jeder war schon mal in der kniffligen Situation, ein Gedicht oder einen Vers zu ben\u00f6tigen. Sei es zu einer Familienfeier, einem Vereinsjubil\u00e4um, aus Anteilnahme oder aus Verliebtheit. Daf\u00fcr gibt es verschiedene Arten das Ziel zu erreichen, also ein Gedicht zu verfassen. Man kann sich auf Berufsdichter wie Goethe, Schiller, oder Gottfried Keller verlassen. Man kann bestehende Lyrik ab\u00e4ndern. Etwa: \u00abDrei Wochen war der Frosch so krank! Jetzt raucht er wieder, Gott sei Dank!\u00bb von Wilhelm Busch. Statt \u00abFrosch\u00bb setzt man einen Namen ein und schon ist das Genesungsgedicht fertig. Ersetzt man noch \u00abraucht\u00bb mit \u00absingt, tanzt, schafft, k\u00fcsst\u00bb oder \u00c4hnlichem, entspricht es auch dem Zeitgeist.<\/p>\n

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Eine weitere M\u00f6glichkeit ist, selber ein Gedicht zu verfassen. Dazu brauch mach Reime, so wie \u00abHerz\u00bb und \u00abSchmerz\u00bb oder \u00abGaul\u00bb und \u00abMaul\u00bb. Aber was reimt sich auf \u00abDich\u00bb? Da gibt es zum Gl\u00fcck Hilfe im Internet bei einer Reim-Web-Seite. Aber ganz gl\u00fccklich wurde ich mit dem Angebotenen nicht. Die Vorschl\u00e4ge: \u00abAalstrich\u00bb \u2013 was auch immer das ist \u2013 \u00abLattich\u00bb, \u00abgr\u00e4sslich\u00bb oder \u00abHaschmich\u00bb. Das t\u00f6nt in meinem Gedicht dann so: \u00abIch liebe Dich, genauso wie Lattich. Ist das nicht gr\u00e4sslich?\u00bb Poesie stelle ich mir irgendwie anders vor. Auch kann ich so nat\u00fcrlich keinen Blumentopf gewinnen, geschweige denn nachhaltig Eindruck schinden.<\/p>\n

Und dann gilt da noch Sprachmelodien, Rhythmus und Versmass \u2013 Alexandriner, Knittelvers, Jamben, Anap\u00e4st, Versf\u00fcsse \u2013 zu beachten. Bis ich das alles kapiert habe, habe ich schon vergessen, was ich eigentlich dichten wollte. Zudem wird mir vor lauter Begriffen ganz schwindlig. Sp\u00e4testens jetzt habe ich den Gedanken an den Literatur-Nobelpreis aufgegeben. Kommt dazu, dass unsere gebr\u00e4uchliche Mitteilungskultur auf dem I- oder Smartphone stattfindet. SMS, WhatsApp und Twitter kaum geeignet ist, kompliziertere Wortgebilde oder gar hochsensible Lyrik zu \u00fcbermitteln.<\/p>\n

Also das mit dem Dichten wird mir etwas zu kompliziert und ich bin zum Schluss gekommen, statt eines eigene Liebesgedichts verschenke ich lieber eine Blumenstrauss oder Pralinen.<\/p>\n

Salzstreuer 31 \/ 19<\/p>\n

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Wenn die holden Winde wehen<\/strong><\/p>\n

Es ist ein delikates, f\u00fcr viele ein unappetitliches, aber nat\u00fcrliches Thema, das mir unter gekommen ist \u2013 es geht ums Flatulieren. Sie wissen schon: einen fahren lassen, furzen, pupsen. Es handelt sich um ein Ph\u00e4nomen der Verdauung, im Darm entsteht ein Gemisch verschiedener Gase wie Sauerstoff, Stickstoff, Kohlendioxid, Wasserstoff und Methan. Diese sind geruchlos. Doch dazu kommt 1 % Gase, die stinken \u2013 Schwefelwasserstoff, erinnert an faule Eier, Dimethylsulfid, riecht wie gekochter Kohl, und Metylmercaptan, duftet wie faules Gem\u00fcse. \u00dcbrigens, jede Person hat pro Tag etwa zehn bis zw\u00f6lf Gasentweichungen \u2013 mal laut mal leise \u2013 was \u00c4rzte als normal bezeichnen. Aber nicht nur wir Menschen furzen. Tiere sind wahre Meister darin.<\/p>\n

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Dabei gibt es spannende Aspekte, wie das neue Buch \u00ab(p)oops! Erstaunliches zur tierischen Flatulenz\u00bb beschreibt. So schl\u00e4gt etwa die Arizona-Korallenschlange ihre Feinde in die Flucht, indem sie einen kr\u00e4ftigen Knall ert\u00f6nen l\u00e4sst, der auch noch stinkt. Das scheint bequemer zu sein, als sich mit den Giftz\u00e4hnen in das Gegen\u00fcber zu verbeissen. Seek\u00fche nutzen die Gase im Darm zum Auftrieb, so k\u00f6nnen sie ohne Anstrengung an der Oberfl\u00e4che d\u00fcmpeln. Elefanten, Nash\u00f6rner und Pferde sollen arg die Luft verpesten. Das wohl einzige Tier, das sich der Vergasung der Umwelt enth\u00e4lt, ist das Faultier. Es bewegt sich ebenso langsam wie es verdaut. So nimmt es die entstehenden Gase im Blut auf und atmet das Gas schliesslich aus.<\/p>\n

Heringe kommunizieren gar mittels Gasabgabe in hohen Frequenzen. Etwas, was einige Menschen auch k\u00f6nnen. Sie k\u00f6nnen die Tonh\u00f6he ihrer Abwinde modulieren und ganze Melodien produzieren. Einige haben diese F\u00e4higkeiten kultiviert und zur Vollendung gebracht und sich das Leben als sogenannte \u00abKunstfurzer\u00bb auf Jahrm\u00e4rkten, Rummelpl\u00e4tzen und im Moulin Rouge verdient. Sie haben sicher gesund gelebt, denn das Unterdr\u00fccken der Gase kann zu Bl\u00e4hungen und Schmerzen f\u00fchren. Die Verdauung ist echt gest\u00f6rt, Abhilfe kann gesunde, ausgewogene Ern\u00e4hrung schaffen. Und sicher kennen Sie das eine oder andere Hausrezept. Also meine Grosstante \u2013 sie war f\u00fcr mich als Kind gef\u00fchlte 100 Jahre alt \u2013 fasste das Thema so zusammen: \u00abWer gut r\u00fclpst und gut forzt, erspart sich Apotheker und Orzt\u00bb.<\/p>\n

Salzstreuer 30 \/ 19<\/p>\n

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Warten auf die Behandlung<\/strong><\/p>\n

Wartezimmeratmosph\u00e4re. Alle starren vor sich hin. Alle sind in ihre Krankheiten und Leiden versunken. Und alle tun sich selber sehr leid. Ich will mich nicht lustig \u00fcber kranke Menschen machen, ich leide auch vor mich hin, wenn ich zum Arzt muss. Und habe \u00fcberhaupt kein Geh\u00f6r f\u00fcr andere Menschen. Kopfweh, Ohrensausen, Husten, Fieber, aufgeschlagene Knie angeschnittene Finger oder R\u00fcckenschmerzen isolieren jeden. Qualen haben eine direkte Funktion auf das Mundwerk \u2013 sie schalten es auf stumm. Und so ist Stimmung \u2013 trotz hellem Licht \u2013 in solchen R\u00e4umen ged\u00e4mpft, trist und \u00fcberhaupt nicht anregend.<\/p>\n

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Da helfen auch Aquarien oder Terrarien mit dahinflitzenden Fischlein oder tr\u00e4g vor sich hin mampfende Schildkr\u00f6ten nichts. Zwar gut gemeint, aber wenig hilfreich. Genauso wenig tr\u00f6stlich sind Zeitschriften vom letzte Monat oder alte Zeitungen. Man bl\u00e4ttert sie lustlos durch, nichts bleibt h\u00e4ngen, man l\u00e4sst halt die wertvolle Zeit vor\u00fcberrauschen. Bis man aufgerufen wird. Zum Gl\u00fcck gibt es die Smart- und IPhones. Man kann sich bestens dahinter verstecken und vort\u00e4uschen, man sei wahnsinnig besch\u00e4ftigt, w\u00e4hrend man nur innerlich vor sich hin jammert.<\/p>\n

Eine grosse \u00dcberraschung erlebte ich bei einem Zahnarzt. Dieses Wartezimmer war freundlich hell, mit einem grossen, frischen Blumenstrauss. Und es lagen gediegene Bildb\u00e4nde auf. Etwa \u00fcber alte Maharaja-Pal\u00e4ste in Indien, Bilder von Expeditionen in Alaska, the Best of Pressefotografien oder nostalgische Eisenbahnen. Man brauchte nicht zu lesen, man konnte sich mit Bildanschauen begn\u00fcgen. F\u00fcr Kinder gab es eine Ecke mit Farbstiften und Zeichenb\u00fcchern. Zudem fragte eine Zahnarzthelferin, ob sie Kaffee, Tee oder Wasser servieren d\u00fcrfe.<\/p>\n

Nicht, dass die wartenden Patientinnen und Patienten in Jubel verfielen \u2013 Zahnarzt bleibt Zahnarzt und Zahnweh Zahnweh \u2013, doch die Stimmung war merklich gel\u00f6ster, die Menschen sichtbar entspannter. Das hat mich v\u00f6llig verbl\u00fcfft, bis anhin waren Zahnarztbesuche das Schrecklichste, was ich mir vorstellen kann, die dr\u00f6hnenden Ger\u00e4usche vom Bohrer im Kopf und das Ohnmachtsgef\u00fchl, sich beim aufgesperrtem Maul nicht artikulieren zu k\u00f6nnen. Jetzt freue ich mich auf die Zahnarzttermine \u2013 bis zu dem Moment, wenn ich ins Behandlungszimmer muss.<\/p>\n

Salzstreuer 29 \/ 19<\/p>\n

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Zwischenr\u00e4ume<\/strong><\/p>\n

\u00abMut zur L\u00fccke\u00bb \u2013 ein sch\u00f6ner Buchtitel. Nicht? Ich habe ihn im Wartzimmer meines Zahnarztes gesehen, im Buch gebl\u00e4ttert und schon war er nicht mehr sch\u00f6n. Es geht um die Geschichte der ausgefallenen Z\u00e4hne und den Flickmethoden im Lauf der Zeit. Ich hab e das Buch dann weggelegt und hoffte, mein Zahnarzt w\u00fcrde in meinem Mund keine L\u00fccke hinterlassen. Sonst geht es mir im Spiegel wie in dem Gedicht von Morgenstern:
\n\u00abEs war einmal ein Lattenzaun
\nmit Zwischenraum, hindurchzuschaun\u2026\u00bb.<\/p>\n

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L\u00fccken sind Leerr\u00e4ume und durchaus nicht immer negativ. Es sind jedoch immer Stellen, die in irgendeiner Art gef\u00fcllt werden wollen. Zum Beispiel Parkl\u00fccken. Sie sind \u2013 besonders in St\u00e4dten \u2013 oft ein Geschenk f\u00fcr den eiligen Autofahrer. Doch sie zu f\u00fcllen geht manchmal nicht ohne Blechschaden ab. Und wenn sie gef\u00fcllt sind, tickt die Parkuhr und man f\u00fchlt, wie das Geld rasend schnell aus der Tasche rollt. Da haben es L\u00fccken im Blumenbeet besser. Sie kann man einfach mit Pflanzen, einer Blume, einem Busch oder Baum, auff\u00fcllen. Das braucht zwar eine Zeit bis es angewachsen ist, aber dann ist die L\u00fccke weg.<\/p>\n

Etwas problematischer ist es mit Wissensl\u00fccken. Besonders bei solchen, die in der Schulzeit vor Urzeiten mal gef\u00fcllt gewesen sind und jetzt einfach klaffen, weil das F\u00fcllmaterial vergessen gegangen ist. Ich denke da an gewisse Rechenaufgaben oder an den Fremdsprachen Wortschatz. Was ist eine L\u00fccke eigentlich, die einstmals gef\u00fcllt gewesen ist? Ist dort nichts mehr oder ist es nur versch\u00fcttet? Und ist es noch eine Wissensl\u00fccke oder einfach ein Ged\u00e4chtnisloch? Gibt es einen Unterschied?<\/p>\n

Ich denke, dieses Problem m\u00fcsste ein Philosoph angehen. Als Schreiber weiss ich nur, dass die L\u00fccken in einem Text auch ihr Gutes haben. Denn was nicht geschrieben ist, st\u00f6sst nicht auf Unverst\u00e4ndnis oder Widerstand. Es kann nicht missverstanden werden und auch nicht falsch gelesen. Denn es ist ja eine Leerstelle.<\/p>\n

Morgenstern hat sein Gedicht noch weiter geschrieben, er hinterliess keine L\u00fccke:
\n\u00abEin Architekt, der dieses sah,
\nstand eines Abends pl\u00f6tzlich da \u2013
\nund nahm den Zwischenraum heraus.
\nDer Zaun indessen stand ganz dumm
\nmit Latten ohne was herum,
\nein Anblick gr\u00e4sslich und gemein.
\nDrum zog ihn der Senat auch ein.
\nDer Architekt jedoch entfloh
\nnach Afri \u2013 od \u2013 Ameriko\u00bb.<\/p>\n

Da ich keinen Mut zur L\u00fccke habe, beende ich jetzt diese Zeilen. Mit einem Punkt, dass man sieht, dass es fertig ist.<\/p>\n

Salzstreuer 28 \/ 19<\/p>\n

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Flomi<\/strong><\/p>\n

An sonnigen Samstagmorgen bummle ich gerne \u00fcber einen Flohmarkt. Nicht, dass ich etwas Bestimmtes suche, nein, mich reizen die Stimmung, die Menschen, das Entdecken von Rarit\u00e4ten, das Handeln um den Preis \u2013 kurz die einzigartige Atmosph\u00e4re. Es ist ein ganz besonderes V\u00f6lklein, das sich auf einem Flohmarkt trifft. Sowohl bei den Verkaufenden als auch den Interessierten. Da mischen sich Freaks mit Gutsituierten, Sammler auf der Suche nach dem ultimativen Objekt, H\u00e4ndler auf der Suche nach dem g\u00fcnstigsten Schn\u00e4ppchen, Gelegenheitsk\u00e4ufer, Jugendliche, die ihr Taschengeld aufbessern, Menschen, die plaudern wollen, M\u00fcssigg\u00e4nger und Flaneusen.<\/p>\n

\"Flomi\"<\/p>\n

Das Angebot? Schuhe, Schmuck, Kleider, Schals, B\u00fccher, Spiegel mit Bierreklamen, kitschige Souvenirs aus exotischen L\u00e4ndern, Geschirr, Gl\u00e4ser, Spiele, Veloglocken, kleine Dosen, Spiegel, Pez-Zeltli-Spender mit Mickey-Mouse-Kopf \u2013 ich denke Sie wissen, was sonst noch zu finden ist.<\/p>\n

\u00dcbrigens seinen Namen soll der \u00abFlohmarkt\u00bb von den putzigen Springern erhalten haben, die in den angebotenen Textilien heimisch geworden sind. Die gibt\u2019s noch gratis dazu beim Kauf von Klamotten. Allerdings haben K\u00e4uferinnen und K\u00e4ufer kein Anrecht auf zus\u00e4tzliche Gratistiere. Wo k\u00e4me man da auch hin? So k\u00f6nnte beispielsweise ein Flohzirkusbesitzer seine wertvollen Tiere ganz billig erstehen, indem er beispielsweise einen Schal f\u00fcr 50 Rappen kauft, wo die H\u00fcpfer drin sind. Obwohl sie in der Tierhandlung erstens selten und zweitens teurer sind.<\/p>\n

F\u00fcr mich hat das Handeln eine grosse Bedeutung. Es ist ein traditionelles Ritual, das leider in unseren Gesch\u00e4ften, Grossverteilern und M\u00e4rkten verschwunden ist. Heute gilt immer der angeschriebene Preis. Es ist pragmatisch und fantasielos geworden. Das Spiel entf\u00e4llt. Ein Beispiel:<\/p>\n

Gesch\u00e4tzter Wert CHF 5.
\nH\u00e4ndler\/in)-Angebot CHF 10 (ab jetzt H).
\nK\u00e4ufer(in)-Zahlbereitschaft und Angebot (K): CHF 5.
\nH: Emp\u00f6rtes Kopfsch\u00fctteln, neues Angebot: CHF 8.
\nK: Entr\u00fcstetes Ausrufen: h\u00f6chstens CHF6\u2026
\nEinigung: CHF 7.50.<\/p>\n

Und alle haben das Gef\u00fchl profitiert zu haben, obwohl alles wissen, dass zu viel bezahlt wurde.<\/p>\n

Zu Hause stellt man dann fest, dass der heiss umk\u00e4mpfte Gegenstand nur rumsteht und Staub ansetzt. Und er wird auf den Flohmarkt gebracht\u2026<\/p>\n

Salzstreuer 27 \/ 19<\/p>\n

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Arbeitskr\u00e4fte<\/strong><\/p>\n

Die gr\u00f6ssten Schwierigkeiten im Arbeitsleben unserer Zeit sind Personalprobleme. Dies habe ich von verschiedenen Seiten geh\u00f6rt. Ich spreche von KMU, die bekanntlich das R\u00fcckgrat der Schweiz bilden. Junge Menschen seien zwar gut ausgebildet, doch wenn in der Firma kleinere Problem auftauchen, seien sie schnell \u00fcberfordert, heisst es Und dann schmeissen sie hin, wechseln die Stelle oder machen eine neue Ausbildung. So richtig ein Ding durchziehen, sei den Wenigsten gegeben. Ob diese Thesen zutreffen oder nicht, mag und kann ich nicht beurteilen, ich bin so quasi eine Firma aus mir allein.<\/p>\n

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Ich denke es liegt vor allem an Folgendem: wer kann sich heute schon mit \u00abseiner\u00bb Firma noch identifizieren? Fr\u00fcher war man stolz, etwa bei \u00abde Sulzere\u00bb oder \u00abbim\u2026\u00bb \u2013 Name zuf\u00e4llig gew\u00e4hlt \u2013 \u00ab\u2026M\u00fcller-Meier\u00bb zu schaffen. Aber in der globalisierten Welt weiss man ja nicht mehr, f\u00fcr wen man sich einsetzt, dem Patron ist ein studierten Manager gewichen, dem es egal ist, in welcher Branche er neu strukturiert, Kosten einspart und Gewinne hochschraubt. Und sich f\u00fcr einen anonymen Shareholder abzurackern, der schlicht m\u00f6glichst viel kassieren will, ist auch nicht gerade befriedigend. So ist der Beruf zum Job verkommen, motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu \u00abHuman Resources\u00bb, zu m\u00f6glich g\u00fcnstigem, menschlichen Arbeitsmaterial verkommen.<\/p>\n

Logisch, sind Feierabend und die M\u00f6glichkeit mit Br\u00fcckentagen m\u00f6glichst viel Freizeit einzuziehen immer wichtiger. Dagegen lassen sich die Chefs einiges einfallen. Personal muss gepflegt werden, sonst schmeissen sie hin und die Suche nach Ersatz ist teuer und aufw\u00e4ndig. Es gibt Kaffeelounges, Freitags institutionalisierte Wochenendap\u00e9ros, die Betriebsausfl\u00fcge f\u00fchren nach Berlin, Paris, Prag oder sonst wo hin, m\u00f6glichst exklusiv und weit weg. Die besten Angestellten werden am schwarzen Brett \u2013 also \u00fcber die internen E-Medien \u2013 belobigt und andere kreative Ideen umgesetzt. Hauptsache, die Leute bleiben.<\/p>\n

Gl\u00fcck hatte eine junge Handwerksfrau, die bei einem Mini-KMU besch\u00e4ftigt war \u2013 der Meister und sie. Ihr Chef hatte auch irgendwo aufgeschnappt, dass man f\u00fcr das Personal innovative Z\u00fcckerchen verteilen und Anreize schaffen soll. Jetzt ist sie jeden Monat \u00abdie Angestellte des Monats\u00bb.<\/p>\n

Salzstreuer 26 \/ 19<\/p>\n

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Von Wasser- und anderen Fachkenner(innen)<\/strong><\/p>\n

\u00abSo geht heute Wasser\u00bb \u2013 ein Plakat, darauf eine Flasche. Ich habe nicht verstanden, was das soll: \u00abSo geht heute Wasser\u00bb. Der Spruch l\u00e4sst mich nicht los. Ich gr\u00fcble und gr\u00fcble. Dass es nichts mit Bewegung zu tun hat, ist klar, Wasser fliesst und geht nicht. Und sicher, es gibt Salzwasser, S\u00fcsswasser, Hahnenwasser, Mineralwasser und \u2026 Aber wie Wasser funktioniert, weiss ich nicht. Ich trinke es gern, vor allem direkt aus dem Hahn. Jetzt ist mir ein Zeitungsartikel untergekommen, der mir klar vor Augen gef\u00fchrt hat, welch simpler Banause ich bin.<\/p>\n

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\u00abWasser degustieren\u00bb war sein Titel. Er beschrieb, dass Wasser nicht gleich Wasser ist, dass je nach Herkunft grosse Unterschiede in Geschmack und Geruch gibt, dass es eine ideale Trinktemperatur gibt, dass je nach Speise eine ganz bestimmte Mineralwassersorte getrunken werden muss. T\u00f6nt logisch. Dass man sich alles Know-how aneignen kann, daf\u00fcr braucht es Schulen. Und wie ich recherchieren konnte, gibt es einige. In der deutschen \u00abGenussschule\u00bb bei M\u00fcnchen beispielsweise kann alles Wissenswerte \u00fcber Genuss studiert werden. Auch \u00fcber Wasser. Hat man das Diplom bestanden, ist man Wasser-Sommelier.<\/p>\n

Bis jetzt kannte ich nur den Wein-Sommelier in den teuren Lokalen, die ich nur frequentiere, wenn ich eingeladen bin. Dort ist es er Kellner f\u00fcr Getr\u00e4nke. Der Name kommt aus dem Provenzalischen \u00absaumalier\u00bb, was \u00abF\u00fchrer der Saumtiere\u00bb bedeutet. Dieser war f\u00fcr den Proviant im Haus zust\u00e4ndig. Wein mussten die Maulesel schon bei den R\u00f6mern in F\u00e4ssern \u00fcber die Berge schleppen, damit die Legion\u00e4re im kalten Norden etwas zu trinken hatten.<\/p>\n

Wenn mit Sommelier die Zust\u00e4ndigkeit etwas Schluckbares auf den Tisch zu bringen, machen ein Wasser- Wein-, Bier- oder Schnapssommelier. Und weil Trinken alleine nicht gl\u00fccklich macht, braucht man auch noch was zwischen die Z\u00e4hne. Und so gibt es K\u00e4sesommeliers, Brotsommeliers, Fleischsommeliers, Tee- und Kaffeesommeliers. Selbstverst\u00e4ndlich ebenfalls die entsprechenden Sommeli\u00e8res. Von Salat- und Kr\u00e4utersommeli\u00e8ren habe ich nichts geh\u00f6rt und gelesen.<\/p>\n

Bin ich jetzt ein Salzsommelier, weil ich den Salzstreuer schreibe? Quasi \u00abSo geht Salzstreuer heute\u00bb?<\/p>\n

Salzstreuer 25 \/ 19<\/p>\n

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Jodlerfest und Streetparade<\/strong><\/p>\n

Jodlerinnen, Jodler, Alphornmusikanten, Fahnenschwinger \u2013 Frauen sind dabei noch rar \u2013 und Folkmusikformationen, sie alle treffen sich ab n\u00e4chsten Freitag in Winterthur. Das traditionelle Brauchtum hat seinen grossen Auftritt. Daf\u00fcr wurden ein Jodlerdorf, eine Holzbr\u00fccke, Festbeizen und Zelte aufgebaut, Kirchen, Schulen und der Hundeclub zu Einsinghallen umfunktioniert und Winterthur W\u00fclflingen zum Festgel\u00e4nde erkl\u00e4rt. Die Voraussetzungen f\u00fcr ein Megafest sind optimal.<\/p>\n

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\u00abCool\u00bb, \u00abSingen statt Drogen\u00bb, \u00absexy\u00bb, sagen junge und \u00e4ltere Beteiligte. Solche Aussagen und die Tatsache, dass das Schweizer Fernsehen die Live\u00fcbertragung von Schwingfesten ausbaut, zeigen, wie schweizerische Kulturg\u00fcter einem immer breiter werdenden Publikum wichtig werden. Dass die Besinnung auf Wurzeln und Brauchtum auf im wahrsten Sinn konservative \u2013 also bewahrende \u2013 Eigenheiten wieder an Boden gewinnen, weckt Hoffnung auf das Abebben der absolut egoistische Phase \u00abGewinnmaximierung f\u00fcr sich selber\u00bb. Werte wie Empathie, Verantwortung, gegen\u00fcber anderen oder Zusammengeh\u00f6rigkeit und gemeinsames Erleben gewinnen an Raum, machen das Zusammenleben reicher und erfreulicher. Dabei gilt die Verantwortung nicht nur Menschen sondern auch Natur, Tiere, Nahrungsmittel gegen\u00fcber.<\/p>\n

Auch f\u00fcr verschiedene andere Grossveranstaltungen kann das farbgenfrohe Jodlerfest in der Region ein Vorbild sein. Neben den etwa 4\u2019000 Aktivenerden auch 60\u2019000 Besucherinnen und Besucher erwartet. Krawalle, sexistische Plakate und Petardenangriffe wie anderswo, sind kaum zu erwarten. Denn es ist laut eigener Aussage \u00abein friedliches V\u00f6lklein\u00bb, das da kommt. Wie schon das Sprichwort sagt: \u00abWo man singt, da lass Dich ruhig nieder, b\u00f6se Menschen haben keine Lieder\u00bb.<\/p>\n

Dieses bewahrheitet sich auch bei einem anderen Musikfest. Ich meine die Streetparade. Auch sie ist bunt, auch bei ihr treffen sich Menschen zu gemeinsamer Musik. W\u00e4hrend die einen zusammen singen, tanzen die anderen zusammen. Und beide zeigen ihre sch\u00f6nsten Kost\u00fcme \u2013Trachten oder schrille Outfits. Stimulanzien gibt es auch bei beiden \u2013 hie Ecstasy, da Alkohol. Wichtig ist bei beiden: man trifft sich, man freut sich zusammen und man feiert zusammen. Musik verbindet halt.<\/p>\n

Salzstreuer 24 \/ 19<\/p>\n

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Luxus- und Wegwerfgesellschaft<\/strong><\/p>\n

Zugegeben, die drei St\u00fchle entsprachen nicht dem modernsten Design. Es waren einfache, ganze Holzst\u00fchle aus \u2013 gesch\u00e4tzt \u2013 den Sechzigerjahren des letzten Jahrtausends. Und wie damals \u00fcblich, waren sie aus harten Holz, stabil gebaut und ohne grosse Kratzer. In der Stadt h\u00e4tte man sie wahrscheinlich als nostalgische Retrost\u00fchle \u2013als Vintagem\u00f6bel \u2013 verkaufen k\u00f6nnen. Doch wir wollten sie weggeben, seit unserer Z\u00fcglete vor einigen Jahren nach Turbenthal hatten wir zu viele Sitzgelegenheiten. Und diese Drei fristeten ein trauriges Dasein, abseits ihrer Bestimmung, im Keller. Einfach so wegschmeissen wollten wir sie aber nicht, sicher kann sie noch jemand gebrauchen.<\/p>\n

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In der N\u00e4he gibt es eine Stelle, wo man Nichtmehrgewolltes hinbringen kann und diejenige Person, die daf\u00fcr Verwendung hat, kann dieses einfach mitnehmen. Das ist sehr sinnvoll und genau das Richtige f\u00fcr die St\u00fchle. Doch mir wurde beschieden, sie h\u00e4tten wenig Platz und \u2013 nach Augenschein \u2013 sie wollen sie nicht. Platzmangel kann ich verstehen. Also fuhr ich los, in der n\u00e4heren Umgebung kenne ich ein Brockenhaus mit wohlt\u00e4tigem Zweck. Doch dort sah man sie an wollte sie auch nicht. Das wurde mir mit einem absch\u00e4tzigen Blick kundgetan. In dem Laden stand eine Tafel: \u00abEntsorgen, 20 Rappen pro Kilo\u00bb. Also fragte ich, ob ich die St\u00fchle da lassen k\u00f6nne? Doch sie wollten CHF 5 Entsorgungsgeb\u00fchr pro St\u00fcck!<\/p>\n

Also transportierte ich die nun weitgereisten Sitzgelegenheiten zur Abfallentsorgung, schweren Herzens und ziemlich entt\u00e4uscht, dass solide Handwerksware heutzutage nicht mehr gewollt ist. Pl\u00f6tzlich rief eine junge Frau: \u00abW\u00e4nd Si die wegschmeisse? Die sind ja no guet und robuscht. Chann ich die ha?\u00bb Ich war sehr erleichtert, dass unsere Sitzm\u00f6bel eine sinnvolle Bleibe gefunden hatten.<\/p>\n

Was f\u00fcr eine Luxus- und Wegwerfgesellschaft sind wird doch geworden! Wir haben nicht mehr nur die Anzahl St\u00fchle, die wir um Sitzen brauchen, wir haben mehr, quasi zur Auswahl. Und dann sind wir \u2013 aus irgendwelchen Gr\u00fcnden \u2013 ihrer \u00fcberdr\u00fcssig und wollen sie los sein. Doch selbst soziale Institutionen sind w\u00e4hlerisch geworden und sind nicht mehr auf alles angewiesen. Es wird wirklich Zeit, dass wir uns alle \u2013 der Schreibende eingeschlossen \u2013 an der Nase nehmen, der Werte besinnen, Kaputtes reparieren und sorgf\u00e4ltiger mit den Gegenst\u00e4nden umgehen, alte Handwerkskunst achten \u2013 kurz mehr Achtung vor Ressourcen haben.<\/p>\n

Salzstreuer 23 \/ 19<\/p>\n

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Das Geheimnis der weissen Katze <\/strong><\/p>\n

\u00abMissy\u00bb heisst die schwarz-weisse, dicht behaarte Katze unserer Nachbarn. Nicht, dass sie die einzige in der Umgebung w\u00e4re, wir sehen rote, dunkelgraue, getigerte und ganz schwarze Tiere, die durch die Gegend streifen, Blumenbeete mit \u00f6ffentlichen Toiletten verwechseln, manchmal M\u00e4use und Blindschleichen stolz nach Hause tragen, oder sich schlicht in der Sonne r\u00e4keln. Das allerdings sind ganz gew\u00f6hnliche Exemplare ihrer Gattung, wie Katzen halt so sind.<\/p>\n

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Missy ist anders. Sie war ganz klein, als sie die B\u00fchne unserer Wahrnehmung betrat. Herzig, doch wir hatten das Gef\u00fchl, dass sie nur Katze spielt und gar nicht weiss, wie Katze wirklich geht. Ich muss das etwas N\u00e4her erkl\u00e4ren: Missy schlich sich wie eine Erwachsene, geduckt, ganz tief, voller Spannung an ihre Beute und schlug mit der Pranke zu. Aber das Gejagte war keine Maus, kein Frosch, nein, es war ein schlichtes Blatt. Nach dem Zuschlagen hat Missy sich \u00fcber sich selber erschrocken, fiel um, schaute verdutzt in die Welt und spazierte \u2013 wie wenn nichts gewesen w\u00e4re \u2013 weg. Manchmal lag sie friedlich in der Sonne. Dann flatterte ein Schmetterling in ihre N\u00e4he. Jede andere h\u00e4tte nach ihm geschlagen und ihn zu fangen versucht. Nicht so unsere s\u00fcsse Missy \u2013 sie ist voller Panik aufgesprungen und in wilder Flucht davon gerast.<\/p>\n

Eine Katzenkennerin erkl\u00e4rte uns ihr Verhalten. Sie sei ohne Mutter aufgewachsen, habe f\u00fcr ihr Jagd-, Anschleich- und Zuschlagverhalten nie ein Vorbild gehabt und \u00fcbe jetzt so, wie sie es halt empfinde. Wir hatten unsere helle Freude an der Kleinen, haben oft laut gelacht, wenn sie wieder, nach Kapriolen durch die Luft, bel\u00e4mmert am Boden in die Welt starrte und zu fragen schien: \u00abWas war jetzt das?\u00bb Ihr Lieblingsplatz war vor dem Katzeneingang am Fenster des Nachbarhauses. Dort lag sie meistens. Zufrieden mit sich und der b\u00f6sen Welt.<\/p>\n

Vor kurzem waren wir ein paar Tage unterwegs. Nach unserer R\u00fcckkehr erschraken wir sehr \u2013 auf Missys Lieblingsplatz fl\u00e4zte sich eine weisse, fremde Katze. So als ob schon ewig hierher geh\u00f6re. Wir r\u00e4tselten rum, spekulierten und liessen es schliesslich auf sich beruhen. Schade, aber so ist der Lauf der Welt, Altes vergeht, Neues kommt. Bis nach einigen Tagen die Weisse verschwunden war, und Missy ihr gewohntes Leben wieder aufnahm. Jetzt fragen wir uns, ob wir Halluzinationen haben, Missy sich verkleidet hat, oder ob da ein brutaler Verdr\u00e4ngungskrieg stattfindet. Wir beobachten weiter!<\/p>\n

Salzsteruer 22 \/ 19<\/p>\n

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Kofferraum auf Abwegen <\/strong><\/p>\n

Mein Auto hat eine Macke, wahrscheinlich hat jedes Fahrzeug eine solche. Ist sie bekannt, ist der Umgang damit problemlos. Schliesslich ist man flexibel und kann sich anpassen \u2013 wenn man weiss wie, funktioniert das Gef\u00e4hrt wie es sollte. Mein Fall liegt etwas komplizierter. Also mein schwarzes Fahrzeug f\u00e4hrt tadellos, Hupe, Bremsen, Scheibenwischer, Licht und Motor \u2013 alle geben keinen Anlass zur Klage. Nur der Kofferraumdeckel f\u00fchrt ein Eigenleben. Manchmal will er einfach nicht aufgehen. Dann verschliesse ich das Auto erneut, \u00f6ffne es wieder, das Ganze noch einmal, und hoffe, dass sich der Deckel erweichen, respektive \u00f6ffnen l\u00e4sst. Einige Male klappt\u2019s, manchmal nicht. Also ganz doof ist diese Geschichte, wenn ich zum Bahnhof muss um einen Zug zu erwischen, und den Rollkoffer hinten drin verstauen will.<\/p>\n

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Bei einem Routineservice habe ich das Problem meinem Garagisten geschildert, selbstverst\u00e4ndlich liess sich der Deckel ohne M\u00fche \u00f6ffnen. Ich wurde gebeten, das n\u00e4chste Mal, wenn er sich nicht \u00f6ffnen l\u00e4sst, vorbei zu kommen, dann s\u00e4he man was es sei. Eines Tages musste ich nach Winterthur, um in einem Gartencenter einen grossen Trog f\u00fcr die Tomaten abzuholen. Zu Hause probierte ich aus, ob die Klappe gn\u00e4dig sei, sie war es. Kaum war ich auf dem Parkplatz, klemmte sie wieder. Ich konnte durch die beiden hinteren T\u00fcren die Sitze runterklappen und den Trog mit M\u00fche hinein packen \u2013 ganz knapp ging es. Dann schnell zur Garage mit meinem Beweis.<\/p>\n

Der Garagist kam heraus, liess mich das Auto zwei, drei Mal zu- und aufschliessen, \u00f6ffnete die Klappe. Es war wie verhext, ich kam mir vor wie der gr\u00f6sste Depp. Es war wie beim Zahnarzt, kaum ist man bei ihm, sind die Zahnschmerzen weg. Ich entschuldigte mich, beharrte aber darauf, dass die Klappe vorher nicht auf zu kriegen war. Da mich der Automechaniker schon l\u00e4nger kennt, glaubte er mir \u2013 hoffe ich. Zumindest meinte er in einem v\u00e4terlichen Ton: \u00abKommen Sie halt wieder, wenn der Deckel wieder streikt\u00bb.<\/p>\n

Es g\u00e4be einen Ausweg aus der Misere, doch die ist mir zu teuer: Man k\u00f6nnte die ganze Schliesselektronik ausbauen und eine neue einbauen. Die andere Variante w\u00e4re, das Auto einzutauschen. Das will ich auch nicht. Jetzt leb ich halt damit. Schliesslich ist es auch spannend: fahren meine Frau und ich zu einem Grosseinkauf, schliessen wir jedesmal eine Wette ab, ob wir den Kofferraum beladen m\u00fcssen oder alles durch die hinteren T\u00fcren im Auto stapeln.<\/p>\n

Salzstreuer 21 \/ 19<\/p>\n

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Lauschangriff der Blumen <\/strong><\/p>\n

Hallo liebe Apfelblu\u0308te, ich bin die Biene und best\u00e4ube Dich jetzt\u00bb, soll der Baum in unserem Garten vor kurzem vernommen haben. Er hat es mir allerdings nicht selber erz\u00e4hlt, das w\u00e4re zu unwahrscheinlich. Und dass es sich genau so angeh\u00f6rt hat, ist ebenfalls zweifelhaft. Doch wie ein deutsches Nachrichtenmagazin berichtet, arbeiten Forscher an einer Studie, die nachweist, dass Schwirrger\u00e4usche von Bienen und Faltern bestimmte Blumen zur Produktion von s\u00fcsserem Nektar anregen. Sie hatten die Nachtkerzenpflanzenart Oenothera drummondil untersucht und festgestellt, dass sich \u00abdie Zuckerkonzentration im Nektar innerhalb von drei Minuten um rund 20 Prozent erh\u00f6ht\u00bb habe.<\/p>\n

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Fl\u00fcgelschl\u00e4ge erzeugen Schallwellen, die sich in der Luft ausbreiten. \u00abWir zeigen, dass die Ger\u00e4usche der fliegenden Best\u00e4uber und k\u00fcnstliche Ger\u00e4usche mit den gleichen Frequenzen eine Vibration der Bltenbl\u00e4tter und eine schnelle Reaktion ausl\u00f6sen\u00bb, heisst es in der Studie. Dies deute auf einen plausiblen Mechanismus hin, bei dem die Bl\u00fcten als H\u00f6rsinnesorgane der Pflanzen dienen.<\/p>\n

Jetzt wissen wir es also. Selbst wenn wir uns auf dem Balkon oder im Garten unbeobachtet f\u00fchlen, m\u00fcssen wir aufpassen, was wir von uns geben, denn der L\u00f6wenzahn, die Rose, ja die Brennnesselbl\u00fcte h\u00f6rt mit. Und die w\u00e4ren sicher beleidigt, wenn wir schlecht \u00fcber sie reden w\u00fcrden. Ihre Reaktion ist kaum abzusch\u00e4tzen, vielleicht w\u00fcrden sie welken, verdorren oder einfach verschwinden. Was im Fall der Brennnessel gar nicht so schlimm w\u00e4re. Also lohnt es sich, den Blumen zu schmeicheln, ihnen zu sagen, wie sch\u00f6n sie bl\u00fchen oder sie zu fragen was sie w\u00fcnschen. Allerdings ist die Kommunikation einseitig. Sie h\u00f6ren uns, wir k\u00f6nnen sie aber nicht verstehen. Wir k\u00f6nnen h\u00f6chstens interpretieren.<\/p>\n

Wenn sie darben, haben wir sicher etwas Falsches erz\u00e4hlt. Es ist gar nicht so einfach, herauszufinden was sie h\u00f6ren wollen. Vielleicht Witze? Oder das Neueste aus der Wissenschaft? Oder Lobges\u00e4nge? Es ist wahrscheinlich wie bei den Menschen \u2013 alle haben einen eigenen Geschmack. Was tr\u00f6stlich ist, wenn Sie Blumen in einer Vase auf dem Wohnzimmertisch haben, k\u00f6nnen Sie miteinander reden, streiten, Liebesschw\u00fcre austauschen oder was sie wollen. In sp\u00e4testens einer Woche sind die Blumen in der Vase verbl\u00fcht, landen im Kompost und k\u00f6nnen nichts weiter erz\u00e4hlen.<\/p>\n

Salzstreuer 20 \/19<\/p>\n

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K\u00e4se, K\u00fche, K\u00fcsse<\/strong><\/p>\n

Kennen Sie unser Nationalepos f\u00fcr die Kinder? Sicher. Ich meine \u00abHeidi\u00bb von Johanna Spyri. Wundersch\u00f6n geschrieben, unendlich vielmal nacherz\u00e4hlt, verzeichentrickfilmt, vercomict und verschlagert. Die Handlung ist klar und logisch. Nur in einem Punkt hat sich Frau Spyri nicht festgelegt: Da sitzt Heidi beim Grossvater Alp\u00f6hi am Holztisch und er bringt etwas zum Essen \u2013 K\u00e4se und Brot. So weit so gut. Aber um welchen K\u00e4se handelt es sich? Alpk\u00e4se, klar, man kann davon ausgehen, dass der Alp\u00f6hi eigenen Maienfelder-Alpk\u00e4se hingestellt hat. Wahrscheinlich aus Ziegenmilch, denn der Geissenpeter spielt eine wichtige Rolle im Geschehen. Er h\u00fctet die Geissen die gemolken werden wollen. Aber auf der Alp k\u00f6nnten ja auch K\u00fche gelebt haben. Dann fragt sich, welche Kr\u00e4uter, Blumen und Gr\u00e4ser die gefressen haben. Denn je nachdem muss die Milch anders schmecken. Milch als Rohprodukt f\u00fcr beispielsweise Kr\u00e4uterk\u00e4se.<\/p>\n

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Das mit dem K\u00e4se ist interessant. Denn es gibt so viele Sorten, dass ein Laie sie unm\u00f6glich alle kennen und unterscheiden kann, da muss ein K\u00e4se-Sommelier helfen. Dar\u00fcber will ich aber gar nicht schreiben. Szenenwechsel. Wir hatten Besuch aus Glarus. Der brachte uns verschiedene K\u00e4sesorten seines Kantons mit: Nidel-Alpch\u00e4s, Altknorren, Braunwalder-Alpk\u00e4se, Alp-Fessis-K\u00e4se und K\u00e4se aus dem Durnachtal, um nur einige zu nennen. Um auf Heidis Mahlzeit zur\u00fcck zu kommen: ich denke, in Graub\u00fcnden ist es \u00e4hnlich. Deswegen ist mir nach wie vor unklar, was sie f\u00fcr einen K\u00e4se das M\u00e4dchen genossen hat.<\/p>\n

Eigentlich ist es ja egal. Hauptsache die Milch stammt von gl\u00fccklichen K\u00fchen. Ob diese mit oder ohne H\u00f6rner gl\u00fccklicher sind, kann ich nicht beurteilen, da m\u00fcsste man die Tiere selber fragen. Sicher sehr zufrieden ist die Evol\u00e8nerkuh, die letzten Monat im Bernischen nach einem Sprung \u00fcber ein Steinm\u00e4uerchen in die Freiheit galoppierte. Seither ist sie verschwunden, obwohl ihr Besitzer mit Nachbarn die Verfolgung aufgenommen, die Polizei, den Wildh\u00fcter, die lokale Presse alarmierte und auf Facebook einen Aufruf get\u00e4tigt hatte. Doch die Kuh wollte sich offensichtlich auf Facebook nicht outen, sie liess nicht mehr das Geringste von sich h\u00f6ren.<\/p>\n

Was das alles mit K\u00fcssen zu tun hat? Es gibt den Ausdruck: \u00abAuf der Alm, da gibt\u2019s koa S\u00fcnd\u00bb. Und da \u2013 denke ich mir \u2013 werden K\u00fcsse getauscht. K\u00fcsse geh\u00f6ren also unab\u00e4nderlich zu dieser Geschichte. Zudem klingt der Titel so besser.<\/p>\n

Salzstreuer 19 \/ 19<\/p>\n

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Tee \u2013 eine unendliche Geschichte <\/strong><\/p>\n

\u00abDie erste Schale Tee, sie netzt mir Kehle und Lippen\u00bb
\n<\/strong><\/em><\/span>Dies ist die erste Zeile aus einem Gedicht von Lu Tong. Er wurde 798 in China geboren, war Einsiedler, wurde als Teemeister gesch\u00e4tzt und galt als etwas verr\u00fcckt, weil er sich ganz dem Tee verschrieben hatte.
\n\u00abDie zweite zerbricht meine Melancholie\u00bb<\/em>
\n<\/em><\/strong><\/span>Das Land der Mitte war urspr\u00fcnglich die Heimat der Teepflanze, erstaunlicherweise kam die erst um 1870 nach Sri Lanka und Indien. Der Schotte James Taylor schmuggelte sie in das Land, wo sie pr\u00e4chtig gediehen.<\/p>\n

\u00a0\"\"<\/em><\/p>\n

\u00abDie dritte Schale aber sickert mir tief ins Gem\u00fct, das verdorrt von den Worten tausender B\u00fccher war\u00bb
\n<\/strong><\/em><\/span>Ich war ein klarer Kaffeetrinker, h\u00f6chstens mal eine Pfefferminz- oder Hagebuttentee wenn\u2019s ganz heiss oder ich krank war. Aber dem schwarzen Zeugs, das meine Grossmutter immer auftischte, konnte ich nichts abgewinnen, viel Zucker und Milch mussten es \u00abtrinkbar\u00bb machen.
\n\u00abDie vierte Schale Tee ruft leichtes Schwitzen hervor, befriedet allen Kummer des Lebens und treibt ihn zu den Poren hinaus\u00bb<\/em>
\n<\/em><\/strong><\/span>Da wurde ich eines Tages mit einem weissen Tee aus China beschenkt, probierte ihn und fand ihn gar nicht so \u00fcbel, ja er duftete wunderbar. Ich hatte das Gef\u00fchl, dass er anregend wirkte. Dennoch nicht so, wie wenn ich zum Arbeiten an der Tastatur eine Kanne Kaffee leerte. Ich wurde nicht so nerv\u00f6s.
\n\u00abDie f\u00fcnfte Schale Tee, sie kl\u00e4rt und reinigt mich durch und durch\u00bb<\/em>
\n<\/em><\/strong><\/span>Ich begann mich f\u00fcr das dunkle Getr\u00e4nk zu interessieren und lernte zu meinem Erstaunen, dass Lindenbl\u00fcten, Pfefferminz oder Salbei in heissem Wasser gezogen, gar kein Tee sind, sondern nur Infusionen. Na ja, aber schmecken tun sie doch, manchmal auch heilen.
\n\u00abDie sechste Schale macht meinen Geist, den Unsterblichen zum Genossen\u00bb<\/em><\/span>
\nDann habe ich noch erfahren, dass es nur vier klassische Herstellungsarten gibt: Gr\u00fcner Tee, Weisser Tee, Oolong und Schwarzer Tee. Und zahlreiche Sortierungen wie Orange, Pekoe, Broken oder Dust, FOP, GFOP etc. Nicht zu z\u00e4hlen sind Aromatisierten Tees, dazu nimmt man Vanille, Rosen, Ingwer oder was auch immer. Nicht zu vergessen die Rauchtees oder die R\u00f6sttees.
\n\u00abDie siebte zu trinken vermag ich nicht. und doch erwachen mir Fl\u00fcgel, sie tragen
\nmich gel\u00e4utert im Wind des Lebens\u00bb<\/em><\/span>
\nJetzt kommen wir zu den Teezeremonien \u2026\u00a0doch Halt!, Vor lauter Tee raucht mir mein Kopf. Und ganz abheben will ich auch nicht ich nicht \u2013 drum mach ich mir jetzt einen Pfefferminz-\u00abTee\u00bb. Oder noch besser, einen Espresso.<\/p>\n

Salzstreuer 18 \/ 19<\/p>\n

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Der Geist des Atems<\/strong><\/p>\n

\u00abMuscheltaucher brauchen einen langen Atem\u00bb \u2013 k\u00fcrzlich habe ich den Titel in einer Zeitung gelesen. Erst dachte ich mir nichts dabei, der Artikel interessierte mich nicht, ich bl\u00e4tterte weiter. Doch dann stutzte ich, die Zeile liess mich nicht los. Wie lang ist der gebrauchte Atem? Drei Meter, hundert Meter, zwanzig Kilometer? Bl\u00f6d, das ist doch zeitlich gemeint. Der Weltrekord im Atemanhalten liegt bei 21 Minuten und 33 Sekunden., ein Schweizer hat das im Jahr 2011 geschafft. Doch Muscheltaucher sind keine Weltmeister. Zudem arbeiten sie mit Sauerstoffflaschen, m\u00fcssen somit selber \u00fcber keinen ausdauernden Atem verf\u00fcgen. H\u00e4ngt die Zeitdauer des Atems mit der Gr\u00f6sse der Lunge zusammen? Wahrscheinlich schon. Diese verarbeitet im Tag etwa 12 km3<\/sup> Luft \u2013 12’000’000’000’000 Liter \u2013, indem sie rund 20’000 Mal atmet. Ich bin froh, dass dieser Prozess automatisch verl\u00e4uft, ich w\u00fcrde ihn sicher dann und wann vergessen.<\/p>\n

\"\"<\/p>\n

Doch wahrscheinlich ist der zitierte Titel \u00fcbertragen zu verstehen. Die Taucher m\u00fcssen Geduld haben, das, bis sie mit ihrem und dem Sauerstoffatem so viele Muscheln gesammelt haben, dass es zum Leben reicht. Wenn die Fanggr\u00fcnde nicht genug hergeben, n\u00fctzt noch so viel atmen nichts. Ihr Dasein umweht der Hauch von Armut. Aber nicht nur Menschen, Tiere und Pflanzen atmen \u2013 bei letzteren nennt man es Fotosynthese \u2013 auch guter Wein muss atmen, ehe man ihn trinkt. Und dann ist da noch der Geist der Geschichte der beispielsweise in Rom, Griechenland oder auf den R\u00fctli atmet. Oder es atmet der Geist der Freiheit und im schlimmsten Fall die Situation geradezu nach Vorteilnahme und Bestechlichkeit.<\/p>\n

Dazu passt der griechische Ausdruck \u00abPneuma\u00bb, der \u00fcbersetzt Atem, Geist oder Hauch meint. Auch die Seele soll damit gemeint sein. Im alten \u00c4gypten gab es gar die G\u00f6ttin Selket, \u00abdie atmen l\u00e4sst\u00bb. Besonders bei giftigen Skorpionstichen soll sie eine heilende Wirkung ausge\u00fcbt haben. Klar, beim Yoga und in der indischen Philosophie ist der Atem besonders wichtig \u2013 er beruhigt, st\u00e4rkt das Bewusstsein und ist \u00fcberhaupt das Zentrum des Menschen. Ein Musiker ohne langen Atem bringt nicht eine getragene Kantilene zustande, speziell ist von S\u00e4ngerinnen und S\u00e4ngern die Rede, sie brauchen den langen Atem im w\u00f6rtlichen Sinne. Der langen Rede kurzer Sinn: der Atem, ob kurz oder lang, geh\u00f6rt jedem Menschen ganz allein. Keiner kann durch die Nase eines anderen atmen.<\/p>\n

Salzstreuer 17 \/19<\/p>\n

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Gebimmel, Gel\u00e4ut und andere Musik<\/strong><\/p>\n

Es ist idyllisch. Das Gebimmel der Kuhglocken, fr\u00fchmorgens an einem sonnigen Tag. Dazu das Vogelgezwitscher. Sie k\u00f6nnen es erleben, wenn Sie in einem Dorf wohnen oder sich in den Ferien auf dem Land tummeln. Falls Sie Strandferien bevorzugen, m\u00fcssten Sie sich erkundigen, ob dort Seek\u00fche heimisch sind und ob diese allenfalls Glocken tragen. Aber zur\u00fcck zur l\u00e4ndlichen Wohlf\u00fchlwelt. Andere weith\u00f6rbare Kl\u00e4nge: etwa alle Viertelstunde, morgens um Sechs und am Abend das Gel\u00e4ut einer Kirche. Nun es gibt zunehmend Menschen, die so empfindliche Ohren ihr Eigen nennen, dass sie sich vehement gest\u00f6rt f\u00fchlen. Und vor Gericht ziehen. Ob das richtig, falsch, gut oder schlecht ist, kann ich nicht beurteilen. Das m\u00fcssen Berufenere tun.<\/p>\n

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Und dann dies \u2013 wir m\u00fcssen hier im stillen T\u00f6sstal einer Zeitung aus der l\u00e4rmigen Stadt Z\u00fcrich entnehmen, dass die Gemeinde Bauma auf der Gemeindeversammlung zu den L\u00e4rmbestimmungen und Ruhezeiten beschlossen hat. Dass \u00abGenerell von den Ruhezeiten\u2026ausgenommen sind: a) Das L\u00e4uten der Kirchenglocken, b) Das L\u00e4uten von Kuhglocken ausserhalb von Wohngebieten und deren n\u00e4heren Umgebung\u00bb. Dazu wird der Vizegemeindepr\u00e4sidenten zitiert: \u00abDas Gel\u00e4ut geh\u00f6rt zu unserer Region und zu unserer Kultur\u00bb.<\/p>\n

Auch die sensibelsten Menschen k\u00f6nnen diese Kl\u00e4nge vor Gericht nicht anfechten. Nun m\u00fcssen Juristinnen und Juristen auf die lukrative Einnahmequelle \u00abL\u00e4rmklage\u00bb verzichten. Als Ersatz k\u00f6nnen sie es ja noch mit laut spielenden Kindern, den Plopps auf Tennispl\u00e4tzen oder einem kr\u00e4henden Hahn versuchen. Oder mit h\u00e4mmernden Spechten.<\/p>\n

In Wald beispielsweise hatten notorisch Gest\u00f6rte eine Chance. Ein Bauer muss seinem Vieh nachts die Glocken abh\u00e4ngen, wie verschiedentlich berichtet wird. So wie Frauen vor dem zu Bett gehen ihre Perlen und anderen Schmuck ablegen, machen sich die K\u00fche nackt zur Nachtruhe bereit. Ob sich das auf die Milchproduktion auswirkt, w\u00e4re sicher eine wissenschaftliche Untersuchung wert. Ich denke, wer sich gest\u00f6rt f\u00fchlt, kann sich mit Kopfh\u00f6rern sch\u00fctzen. Wenn ich mich so in Strassen und Trams, Z\u00fcgen und Postautos umsehe, f\u00fchlen sich 95% aller Menschen vom L\u00e4rm betroffen. Warum wohnen die restlichen 5% offensichtlich in der N\u00e4he einer Kirche, eines Fussballplatzes, eines Kindergartens oder einer Weide?<\/p>\n

Selbstverst\u00e4ndlich existieren tolerierte L\u00e4rmbel\u00e4stigungen. Ich denke da an die musikalische Berieselung in den Warenh\u00e4usern, an Motorradgeknatter, donnernd einfliegende Flugzeuge und fr\u00fchmorgendliche Pressluftbohrer. Geh\u00f6ren halt zu unserer Region und zu unserer Kultur.<\/p>\n

Salzstreuer 16 \/ 19<\/p>\n

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Frohe Ostern<\/strong><\/p>\n

Der alte Osterhase hat sich endg\u00fcltig zur\u00fcckgezogen und das Gesch\u00e4ft dem Nachwuchs \u00fcberschrieben. M\u00f6gen Sie sich erinnern? Vor einem Jahr realisierte er, dass er langsam zu m\u00fcde war, um effizient die Osternester zu f\u00fcllen und die bunten Eier zu verteilen. Er verdonnerte die Jungh\u00e4sinnen und -hasen. Nach anf\u00e4nglichem \u00abKeine Lust\u00bb haben, fingen die Feuer und entwickelten einen riesigen Spass am Job des Zuckereili-Nester-und-gef\u00e4rbte-Eierersteckens. Allerdings war ihnen die Art des ehrw\u00fcrdigen Hasen zu altmodisch und zu langsam. Und sie begannen das Gesch\u00e4ft umzukrempeln. Neu war, dass sie die Arbeit aufteilten: es gab Projekthasen, Businesshasen, Marketing-, Presse- und Kommunikationshasen, Produktionshasen, Vertriebs- und Logistikhasen.<\/p>\n

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Erst gab es einen Workshop, einberufen von den Projekthasen. Darin wurden Ziele, Arbeitsweisen und Mindestmargen definiert. Nach stundenlangen Diskussionen und Kompetenzgerangel st\u00fcrzten sich danach alle hochmotiviert in ihre zugeteilten Aufgaben. Die Businesshasen verhandelten mit dem Oberh\u00fchnerboss \u00fcber die Eierlieferung. Der stattliche, stolze Hahn war ein z\u00e4her Brocken, doch mit der Absatzgarantie konnten die Hasen schliesslich einen guten Preis erwirken. Die Produktionshasen kauften Farben, Schokoladenformen, richteten Ateliers und elektronische Fertigungsstrassen ein, die Vertriebs- und Logistikhasen listeten Adressen von Kindern, Wohnungen und Nestli-versteck-geeigneten G\u00e4rten auf und er\u00f6ffneten attraktive Verkaufsshops. Auch schlug die Stunde der Marketingabteilung. Sie entwarfen Werbekampagnen, schalteten Inserate und reservierten Werbepl\u00e4tze Print und Online und buchten Sendezeiten in Radio- und TV-Anstalten. Die Onlinegruppe war das gr\u00f6sste Team, schliesslich mussten sie alle neuen Medien \u2013 von Facebook \u00fcber Twitter bis Instagram \u2013 bewirtschaften.<\/p>\n

Ein grosses Problem war die Verpackung. Denn die gr\u00fcne Welle hatte auch vor Zuckereili, Marzipanbibeli und Schoggi-Osterhasen nicht Halt gemacht \u2013 \u00abNo Plastics!\u00bb. Noch ist das Problem in diesem Jahr zwar ungel\u00f6st. Doch eine Projekthasendelegation ist in die indische Hauptstadt New Delhi geflogen. Dort hat die indische Regierung die Nutzung, Verkauf und Herstellung\u00bb von Plastiks\u00e4cken aller Art erlassen. Man kann gespannt sein, welche Ideen die junge Hasengeneration heimbringen. Bis dahin geniessen Sie die Feiertage \u2013 Frohe Ostern.<\/p>\n

Salzstreuer 15 \/ 19<\/p>\n

Zur Erinnerung: Osterhasen und anderes Getier (Salstreuer 12 \/ 18
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Der \u00e4ltere Osterhase bemerkte, dass ihn das Alter so langsam in Beschlag nahm. Nicht schlimm. Erst ein kurzes Ziehen in den Sprungl\u00e4ufen und ein Nachlassen der Augen. Auch seine L\u00f6ffel schienen nicht mehr alle Ger\u00e4usche so richtig einzufangen, oft musste er Nachfragen. Dann begann der Korb mit den gef\u00e4rbten Eiern immer schwerer zu werden. Erst dachte er, dass die H\u00fchner immer dickere Eier in die F\u00e4rberei lieferten und fand das ein wenig \u00fcbertrieben. Denn f\u00fcr mehr Schleppen erhielt er nicht mehr Lohn.<\/em><\/p>\n

Er traf sich mit dem Oberh\u00fchnerboss, einem stolzen, stattlichen Hahn. Denn das Federvolk war noch absolut patriarchalisch organisiert, Der Obermacker zeigte sich sehr erstaunt. Er rief seine verantwortliche Oberhenne herbei, kr\u00e4hte sie an und wies sie auf seine erlassene Anordnung hin. Diese besagte, dass die H\u00fchner zur Vorosterzeit kleinere Eier produzieren sollen, um dank weniger Gewicht h\u00f6here Margen zu erzielen. Die Oberhenne war emp\u00f6rt, hatte sie die Anordnung doch korrekt weitergegeben, ja die Legenden hatten sie derart peinlich verfolgt, dass ihre H\u00fchnereier schon beinahe zu Wachteleiergr\u00f6sse geschrumpft waren.<\/em><\/p>\n

Als das der Osterhase h\u00f6rte, war ihm klar, dass es nicht an der Korbf\u00fcllung sondern an seinen altersm\u00e4ssig schwindenden Kr\u00e4ften lag. Er beschloss den Job an den Nagel zu h\u00e4ngen und dem Nachwuchs eine Chance zu geben. Doch die Jungen waren gar nicht begeistert, sie hatten keine Lust mit Eierk\u00f6rben durch die Gegend zu hoppeln und Osternester zu verstecken. Das ganze Osterged\u00f6ns sei ein sinnloses \u00dcberbleibsel aus einer antiquierten Welt. Da wurde der \u00e4ltere Osterhase fuchsteufelswild \u2013 obwohl F\u00fcchse seine Todfeinde sind. Er stauchte die Jungen brutal zusammen: \u00abUnd die grossen, traurigen Kinderaugen, wenn sie nichts finden? Und die armen Eltern, welche die darob quengelnden Kinder beruhigen m\u00fcssen? Sch\u00e4mt Euch!\u00bb Schliesslich h\u00e4tten sie einen Job und sie sollten die Traditionen hoch halten, auch wenn die Zeiten andres seien. Schliesslich g\u00e4be es keine App, die Osternester verstecke. <\/em><\/p>\n

Die Jungh\u00e4sinnen und -hasen wurden ganz bleich und klein mit Hut. Sie sahen aus wie Schneehasen und beschlossen zu zeigen, dass die Jugend gar nicht so schlecht sei, wie der Alte glaube. Sie versteckten die Nester in Windeseile, f\u00fcllten sie mit Zuckereili und Marzipanbibeli. Kaum waren sie fertig, z\u00fcckten sie ihre Smartphone, chatteten und twitterten ihre \u00abHeldentat\u00bb in alle Welt.<\/em><\/p>\n

Falls sie, liebe Leserin und Leser, ein Osternestli finden, geniessen sie den Inhalt. Und denken Sie daran, dass die Jungen durch die richtigen Worte zu motivieren sind. Frohe Ostern.<\/em><\/p>\n

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Blumenpracht <\/strong><\/p>\n

Vor einigen Wochen liessen wir uns von der Bl\u00fctenpracht, den Gartenidyllen, den lauschigen Sitzpl\u00e4tzen und beruhigenden Baumlandschaften einlullen. Wir sammelten Ideen, Prospekte und Eindr\u00fccke und waren von den wunderbar gestalteten Ausstellungsfl\u00e4chen beeindruckt. Wir besuchten die \u00abGiardina\u00bb, die Messe f\u00fcr das \u00abLeben im Garten\u00bb, wie sie sich selber bezeichnet. Die F\u00fclle an Blumen, Str\u00e4uchern, B\u00e4umen, B\u00fcschen, Teichen, Brunnen, B\u00e4nken, Rasenm\u00e4hrobotern und was dergleichen Utensilien f\u00fcr das Wohlf\u00fchlen im Freien mehr sind, ist \u00fcberw\u00e4ltigend<\/p>\n

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Das Publikum war begeistert, lange Schlangen vor den so genannten Schaug\u00e4rten bezeugten das. Es wurde hin und her \u00fcberlegt, die \u00e4sthetisch perfekte Pracht im Geist in den eigenen Garten oder auf den eigenen Balkon verpflanzt. Die meist geh\u00f6rte Phrase w\u00e4hrend unseres Besuchs waren: \u00abWenn man nur mehr Geld h\u00e4tte\u00bb und: \u00abMan sollte halt mal im Lotto gewinnen\u00bb. Und wenn sie es h\u00e4tten w\u00fcrden sie die Pracht kaufen und nach Hause schaffen lassen. Zum Beispiel ein Feld mit etwa tausend Tulpen, welches wahrhaft bezaubernd aussieht und dessen Anblick ein Gl\u00fccksgef\u00fchl \u2013 um nicht zu sagen: einen Gl\u00fccksrausch \u2013 ausl\u00f6st. Ich komme ins Tr\u00e4umen \u2013 wie w\u00e4re das in unserem Beet?<\/p>\n

Zur\u00fcck in der Realit\u00e4t, stelle ich mir vor, dass auch diese Tulpen nach sp\u00e4testens anderthalb Wochen verbl\u00fcht sind, ihre St\u00e4ngel sich tanzend verbiegen und die Bl\u00fctenbl\u00e4tter fallen. Die Verg\u00e4nglichkeit der Blumen und Bl\u00fcten wird in der Ausstellung ausgeblendet. Zudem sind die fantastischen Musterg\u00e4rten weder Wind noch Hagel ausgesetzt, Schnecken, Engerlinge und wurzelfressende M\u00e4use ist der Zutritt verboten. Auch verwandte Pflanzen wie Unkraut m\u00fcssen draussen bleiben. Was bleibt ist die Illusion einer pr\u00e4chtig heilen Gartenwelt. Kommt noch dazu, dass sich nur Grossgrundbesitzer einen der vorgestellten G\u00e4rten mit einem Teich voller verschiedenfarbigen Kois und bl\u00fchenden Seerosen, gem\u00fctlichen Holzb\u00e4nken und Marmortisch unter schattenspendenden Laubb\u00e4umen leisten k\u00f6nnen. Neben dem Einrichten ist auch der Unterhalt ist sehr teuer und arbeitsintensiv.<\/p>\n

Und so bleibt\u2019s bei dem Genuss der sch\u00f6nen Ausstellung, dem Tr\u00e4umen von ewig bl\u00fchenden Blumen und arbeitsfreiem Garten geniessen. Jetzt gehe ich j\u00e4ten und freue mich an den \u00abnormalen\u00bb, unscheinbaren Bl\u00fcmlein, die spriessen.<\/p>\n

Salzstreuer 14 \/ 19<\/p>\n

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Fliegende Velos<\/strong><\/p>\n

Es ist windig und regnerisch. Doch die Velofahrerinnen und ihre m\u00e4nnlichen Pendants lassen sich durch solche Kleinigkeiten nicht abschrecken, sie trampen temporeich durch die Strassen. Um wenigstens nicht ganz durchn\u00e4sst am Arbeitsplatz, in der Schule oder im Einkaufsgesch\u00e4ft anzukommen, sch\u00fctzen sie sich mit einem Umhang. Das ist so ein Stoff-Plastikgebilde ohne \u00c4rmel und h\u00e4lt wenigstens den Regen von oben ab. Meist ist es gelb oder rot, seltener blau, gr\u00fcn habe ich noch nicht gesehen. Und w\u00e4hrend die Beine strampeln, f\u00e4hrt der Wind unter diese Pelerinen und bl\u00e4ht sie auf. Das sieht so aus, als w\u00fcrden die Radelnden bald abheben und schweben.<\/p>\n

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Das w\u00e4re eigentlich eine \u00f6kologische Variante zum Fliegen. Fast so wie Nils Holgersson auf seiner Gans, Bastian Balthasar Bux aus Michel Endes \u00abUnendliche Geschichte\u00bb auf dem Gl\u00fccksdrachen Fuchfur oder Phileas Fogg Im Ballon, der so eine Etappe seiner Reise um die Welt in 80 Tagen hinter sich brachte. \u00abFliegende Velos\u00bb \u2013 die Idee der Zukunft. Sie brauchen keinen Sprit, kein Gas, keine Sonnenenergie. Nur in die Pedale treten m\u00fcssen die Reisenden. Je nach Kraft, Kondition und Durchhaltewillen l\u00e4sst sich das Ziel \u2013 ferner oder n\u00e4her \u2013 setzen. Ich denke allzu weit weg d\u00fcrfte dieses nicht sein. Wenn man allerdings dank g\u00fcnstiger Voraussetzungen einen Jetstream erreicht, ist man Ruck-Zuck in den Malediven. Da dort Strandleben angesagt ist, ist auch das Gep\u00e4ck kein Problem. Eine Badehose passt allemal unter die Pelerine.<\/p>\n

Schwieriger wird es allerdings, die Erlaubnis f\u00fcrs Radfliegen zu erhalten. Denn ich bin \u00fcberzeugt, auch daf\u00fcr braucht es ein amtliches Papier, einen Ausweis oder eine Sonderbewilligung. Und die kostet! Denn was in der Schweiz w\u00e4re ohne B\u00fcrokratismus zu haben. Und wo gibt es b\u00fcrokratische Handlungen, die gratis sind? Zu den amtlichen Hemmschwellen kommen noch nat\u00fcrliche dazu: man muss auf den Wind warten. Und ob der gerade dann stark genug weht, wenn die Ferien angefangen haben, ist nicht garantiert. Also m\u00fcsste man riesige Windmaschinen ben\u00fctzen. Aber dann ist \u00f6kologische Bilanz wieder im Eimer. Und was ist, wenn es im Sommer heiss ist, so heiss, dass man auf den Veloschutzmantel verzichten muss, weil man sonst vor Schweiss daran klebt und die Beine nicht mehr bewegen kann? Ich merk schon, ausgegoren ist meine Idee nicht. Bleiben wir halt auf dem Boden.<\/p>\n

Salzstreuer 13 \/ 19<\/p>\n

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Das Ende der Illusionen<\/strong><\/p>\n

Meine Mutter hat mir die Geschichte von \u00abAli Baba und die 40 R\u00e4uber\u00bb erz\u00e4hlt. Ich \u2013noch sehr klein \u2013 fand es aufregend, dass sich die T\u00fcre zur H\u00f6hle automatisch \u00f6ffnete, kaum war \u00abSesam \u00f6ffne Dich\u00bb ausgesprochen. Einige Zeit sp\u00e4ter kamen in fast jedem Warenhaus T\u00fcren auf, die ohne Falle und Schloss aufgingen. Ich glaubte an Zauberkraft, wurde aber aufgekl\u00e4rt, dass dieses \u00abWunder\u00bb Dank einer Unterbrechung der Lichtschranke funktioniere. Meine Illusion wurde brutal zerst\u00f6rt, das Geheimnisvolle wurde allt\u00e4glich und banal.<\/p>\n

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Mich st\u00f6rt, dass sich alles rational erkl\u00e4ren l\u00e4sst. Das Staunen \u00fcber unerkl\u00e4rbare Ph\u00e4nomene stirbt, wird ausgerottet. Und damit stirbt ein grosser Teil der Fantasie, die uns in Sph\u00e4ren jenseits des Alltags f\u00fchrt. Ich bin \u00fcberzeigt, dass Staunen, Tr\u00e4umen und Fantasieren gl\u00fccklich machen, dass sie Welten er\u00f6ffnet, die wichtig, ja Lebenselixier sind. Wir leben in einer rationalen Welt, zwischenmenschliche Werte sind den materiellen unterlegen. Ob das gut oder schlecht oder beides ist, mag jeder f\u00fcr sich entscheiden.<\/p>\n

Ich pers\u00f6nlich bin immer traurig, wenn meine M\u00e4rchenbilder und Utopien geklaut werden. Leider geschieht das laufend. Man zeigt mir beispielsweise eine Reportage \u00fcber das Drehen eines Filmes. Ich erlebe wie eine Sequenz geprobt und in Szene gesetzt wird: drei Leute betreten einen Lift und w\u00e4hrend des Hochfahrens besprechen sie die ungeheuerlichsten Intrigen. Doch der Lift ist gar kein Lift, es ist einfach eine Box mit einer T\u00fcr, hochfahren tut das Ding \u00fcberhaupt nicht. Oder eine Frau h\u00e4ngt gef\u00e4hrlich \u00fcber einem tiefen Abgrund, der Held kann sie knapp retten. In Wirklichkeit st\u00fctzt sie sich an eine Wand, Tiefe und Felsen werden nachtr\u00e4glich per Computer dazu kopiert.<\/p>\n

Mir ist klar, dass Filme, Theater, Zaubershows nicht \u00abecht\u00bb sind, dass getrickst wird. Aber ich will es nicht wissen, ich will mich unterhalten lassen, will den \u00abthrill\u00bb in meinen Adern sp\u00fcren. Es \u00f6det mich an, wenn ich weiss, wie mich die Macher erwischen. Aber \u00abMaking of\u00bb und Blicke hinter die Kulissen sind im Trend. Die Welt ist schon desillusionierend genug, lasst mir doch bitte meine Fiktionen, verschont mich mit dem Wissen um die Software, die meine Gef\u00fchle evoziert. Lasst mich bei \u00abAli Baba\u00bb wieder \u00fcber die automatische T\u00fcr staunen.<\/p>\n

Salzstreuer 12 \/ 19<\/p>\n

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Fr\u00fchlingsgef\u00fchle<\/strong><\/p>\n

\u00abIm M\u00e4rzen der Bauer die R\u00f6sslein einspannt\u2026\u00bb Gilt nicht mehr, eher \u00abIm M\u00e4rzen der Bauer den Traktor betankt\u2026\u00bb. Aber dar\u00fcber will ich nicht schreiben. Sondern \u00fcber den Fr\u00fchling, der uns langsam den recht kalten Winter vergessen l\u00e4sst. Die Sonne scheint l\u00e4nger, die Tage werden heller, die S\u00e4fte steigen. Die Bl\u00e4tter schiessen zartgr\u00fcn aus, die Obstb\u00e4ume schicken ihre Bl\u00fcten an die frische Luft. Und die ersten Bienen und K\u00e4fer schwirren herum.<\/p>\n

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\u00c0 propos K\u00e4fer: Pech hatte ein Musiker, der mit seinem Cellokasten ausrutschte \u2013 das war nat\u00fcrlich vor dem aufkeimenden Lenz, noch beherrschten Schnee und Eis die Strassen. Wie ein Maienk\u00e4fer landete er auf dem R\u00fccken, beziehungsweise dem Cellokasten. Zum Gl\u00fcck sind ihm und dem Instrument nichts passiert. Einzig der Anblick seiner strampelnden Beine und seine m\u00fchsamen Versuche wieder auf die Beine zu kommen, wirkten f\u00fcr Umstehende komisch. Laut Volksmund ist ja Schadenfreude die reinste Freude \u2013 zwar gemein aber wahr. Doch jetzt haben die weissen Massen ihren Aggregatszustand ver\u00e4ndert, gurgeln fr\u00f6hlich in einem B\u00e4chlein helle oder bringen Nahrung f\u00fcr keimende Blumen. Und der Musiker d\u00fcrfte seine Schreck auch vergessen haben und fr\u00f6hliche Fr\u00fchlingsmelodien \u00fcben.<\/p>\n

Hoffentlich geht es ihm da nicht wie mir. Mir w\u00fcrde vor Fr\u00fchlingsm\u00fcdigkeit der Bogen aus der Hand fallen und die schnarrenden T\u00f6ne k\u00e4men nicht von der tiefsten Saite, sondern von meinem dezenten Schnarchen. Dabei ist es doch schade, die schon w\u00e4rmende Sonne zu verschlafen, statt sich den K\u00f6rper mit Vitamin D voll zu pumpen. Doch falls man sich aufraffen kann, lohnen sich Spazierg\u00e4nge durch die erwachende Natur. V\u00f6gel zwitschern wieder, erst zaghaft, dann lauter. Achten Sie darauf, dass Sie immer etwas Geld in der Tasche haben. Denn sollte einer der seltenen Kuckucks rufen und Sie sind blank, verhiesse das nichts Gutes f\u00fcr Ihre finanzielle Zukunft. Sagt zumindest der Aberglaube. Aber so oder so \u2013 Fr\u00fchlingsempfindungen erobern die Welt, geben die Illusion von Allmacht und Unsterblichkeit und f\u00f6rdern das Liebesverlangen. Aber Achtung! Die Folgen von solch \u00fcberschw\u00e4nglichen Emotionen k\u00f6nnten sich neun Monate sp\u00e4ter zeigen.<\/p>\n

Sakstreuer 11 \/ 19<\/p>\n

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\u00abSchaben\u00bb und \u00abscheissegal\u00bb<\/strong><\/p>\n

\u00abH\u00e4sch e Schabe?\u00bb Lang, lang ist\u2019s her, seit ich diesen Ausdruck geh\u00f6rt habe. Es muss in der Pubert\u00e4t gewesen sein. Ich weiss nicht, ob dieser antiquierte Ausdruck f\u00fcr es Sch\u00e4tzli, noch bekannt ist. Und ich weiss ebenfalls nicht, was die aktuellen Ausdr\u00fccke Jugendlicher heute sind. Was mich viel mehr fasziniert, ist dass liebevoll oder positiv gedachte Benennungen oft einen negativen Ursprung haben. \u00abSchabe\u00bb ist eine Motte und ein Kratzwerkzeug.<\/p>\n

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Wieso sind positiv gemeinte Beschreibungen und Steigerungen oft negativ besetzt? \u00abSie ist verdammt sch\u00f6n\u00bb. \u00abDas Essen ist verflucht gut\u00bb. \u00abEr ist scheissfreundlich\u00bb. \u00abDieser Song ist huere geil\u00bb. \u00abDer Typ ist bl\u00f6dsinnig intelligent\u00bb. Sicher k\u00f6nnen Sie die Liste selber unendlich erg\u00e4nzen. Ich kann mir zwei m\u00f6gliche Erkl\u00e4rungen zusammen reimen: Positives wird verst\u00e4rkt, wenn man ihm Negatives zuf\u00fcgt, denn dadurch kann das Gute \u00fcber das Schlechte triumphieren. Oder es ist wie bei den Nachrichten \u2013 gute sind langweilig, schlechte machen Schlagzeilen. \u00abNo News\u00bb sind zwar \u00abGood News\u00bb, doch sie produzieren keine Schlagzeilen. Wer will schon \u00fcber einen Star lesen: \u00abEr ist gl\u00fccklich und zufrieden verheiratet\u00bb. Aber wenn ein Scheidungskrieg droht\u2026<\/p>\n

Und so liest man gen\u00fcsslich, wie sie Promis zerfleischen, fertig machen, sich gegenseitig beschimpfen und sch\u00e4big benehmen. Und wieder und wieder tauchen neue Einzelheiten auf. Wenn sich hingegen zwei lieben, kann man h\u00f6chstens einen Kuss zeigen. Und was ist das schon in der heutigen Zeit? Somit ist klar, dass nur negative Formulierungen und Geschichten interessant sind. Also \u00abEr ist lieblich freundlich\u00bb w\u00fcrde sicher niemand sagen. Und so \u00fcben wir uns schon von klein auf, die sch\u00f6nen Dinge schlecht zu reden. Und spezialisieren uns darauf, immer etwas Negatives zu finden. \u00abNichts ist schwerer zu ertragen, als eine Reihe sch\u00f6ner Tage\u00bb, soll Goethe gesagt haben. So beklagen wir uns in einem sch\u00f6nen, sonnigen Sommer, dass wir den Regen vermissen. Und schifft es was das Zeugs h\u00e4lt, freuen wir uns nicht, dass es gen\u00fcgend Wasser hat. Vielleicht sollten wir merken, dass wir auf hohem Niveau jammern, und dass \u00abSchaben\u00bb und \u00e4hnliche unpassende Ausdr\u00fccke \u00fcberfl\u00fcssig sind.<\/p>\n

Salzstreuer 10 \/ 19<\/p>\n

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Kaugummidichte<\/strong><\/p>\n

Sie kennen es sicher, das eklige Gef\u00fchl in etwas zu treten und festzustellen, dass es ein frisch ausgespuckter Kaugummi ist. Noch zieht er F\u00e4den zwischen Schuhsohle und Asphalt. Auf ungeteerten Wegen sind sie nicht so schlimm, dort herrscht die andere gruusige Hineintreten-Falle vor. Trotz Robidogs und roter Plastiks\u00e4cklein all \u00fcberall. Aber zur\u00fcck zu den weissen Flecken, die den Boden zieren. Dazu muss gesagt werden, dass sie eher ein urbanes Problem sind.<\/p>\n

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Denn sie finden sich meist an Bahnh\u00f6fen, Tram- und Bushaltestellen, vor Filialen eines Fastfoodgiganten oder an beliebten Treffpunkten. Die Kaugummidichte gibt Auskunft dar\u00fcber, wie frequentiert und beliebt besagter Ort ist. Vielleicht sollten zust\u00e4ndige Tourismusverantwortliche dies in ihre Tipps und Stadtpl\u00e4ne aufnehmen. So liesse sich der Jugendtourismus anregen, sie w\u00fcssten genau, wo man Gleichgesinnte findet. Und da nicht nur Jugendliche \u00abk\u00e4tschen\u00bb, lockte man auch Erwachsene dorthin, was wiederum dem Dialog der Generationen f\u00f6rderlich w\u00e4re.<\/p>\n

Nun muss ich gestehen, dass die Idee sich mit der Kaugummidichte zu besch\u00e4ftigen nicht von mir stammt. Mein Kollege J\u00fcrg Rohrer, angesehener \u00abTagesanzeiger\u00bb-Journalist, hatte sie vor Jahren. Doch ich finde sie genial, fragte ihn an, ob ich ihn quasi plagiieren darf und danke ihm f\u00fcr seine Erlaubnis. Jetzt hoffe ich, dass ein j\u00fcngerer Kollege sie in ein paar Jahren wieder aufgreift und sie der Zukunft erh\u00e4lt. Vorausgesetzt, dass es diese Mund bewegenden K\u00f6stlichkeiten dann noch gibt.<\/p>\n

Zum Thema. Die plattgetretenen Gummimassen sind heute immer weiss. Rote Sorten wie beispielsweise \u00abBazooka\u00bb sind vom Markt verschwunden. Zudem sind die meisten zuckerfrei. Eigentlich d\u00fcrften sie dann nicht mehr so am Boden haften, so ohne Zucker. Aber wahrscheinlich habe ich im Chemieunterricht mal nicht so gut aufgepasst und verpasst, dass die Kaugummis nicht des Zuckers wegen kleben. Doch dem Nachzugr\u00fcbeln, warum sie so haften, interessiert mich nicht. Vielmehr besch\u00e4ftigt mich die Frage, warum die Industrie es nicht schafft, gut verdauliche Kaugummis zu produzieren, so dass man ohne Magenverstimmungen zu riskieren herunterschlucken kann. Die Folge w\u00e4ren Fleckenfreie Bahnh\u00f6fe, Stationen und Trottoirs. Interessierte w\u00fcrden die wichtigen Orte sicher dennoch finden.<\/p>\n

Salzstreuer 9 \/ 19<\/p>\n

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Ich werde gebraucht<\/strong><\/p>\n

Das Telefon klingelt. Doof, ich bin gerade fertig mit Duschen, noch am Abtrocknen, noch nackt. Und hetze mit dem Badetuch um die H\u00fcfte aus dem Badezimmer, nehme ab und h\u00f6re: \u00abHallo, sind Sie sicher, dass sie nicht zu viel Krankenkassenpr\u00e4mien bezahlen?\u00bb Es ist kalt, doch der \u00c4rger \u00fcber das Herumgejagt werden, macht mir heiss. W\u00fctend schreie ich die anonyme Stimme an. So irgendetwas von einem englischen Four-letter-word. Ich weiss es nicht mehr so genau, ist vielleicht auch besser so. Aber meine Ruhe, die ich unter der Dusche gewonnen hatte, ist im Eimer. Ich bin genervt und werde unleidlich.<\/p>\n

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Diese l\u00e4stigen, unerw\u00fcnschten, bl\u00f6den, st\u00f6renden Anrufe haben Eines gemeinsam \u2013 sie kommen zu den unpassendsten Momenten: eben, man ist unter der Dusche, auf dem Klo, in der Badewanne. Oder man ist am Kochen und nach dem uns\u00e4glichen Anruf ist alles angebrannt. Oder der Krimi l\u00e4uft auf seinen H\u00f6hepunkt zu \u2013 im spannendsten Moment \u2026 na Sie wissen schon.<\/p>\n

Es gibt eine Stelle beim Staatssekretariat f\u00fcr Wirtschaft SECO, bei der man in einem Formular die Nummer des Bel\u00e4stigers angeben kann. Das mach ich jedes Mal, dort bin ich Stammkunde. Vielleicht hat es ein bisschen gen\u00fctzt, mir scheint, dass ich weniger angerufen werde. Daf\u00fcr h\u00e4ufen sich die Bel\u00e4stigungsmails. Von leichtbekleideten Damen mit russischen Namen \u00fcber Dating-Plattformen in der Schweiz und \u00d6sterreich, Werkstattwagen, Online-Apotheken, B\u00fcrost\u00fchle, Kreditangebote, UPS- und FedEx-Ank\u00fcndigungen bis zu Gewinnank\u00fcndigungen und Wohlt\u00e4tigkeitsanbieter. Da stand beispielsweise; \u00abIch m\u00f6chte eine gute Nachricht mit Ihnen teilen, ich gewann $ 315.3 Millionen\u2026\u00bb. Und die will dieser Gutmensch teilen und braucht meine Mitarbeit \u2013 \u00ab\u2026das ist kein Witz und ich brauche dich in deiner 100% Aufrichtigkeit\u00bb. Bei solchen Angeboten f\u00fchle ich mich nicht in meiner Ehrlichkeit geschmeichelt, sondern spediere das Ges\u00fclze direkt in einen virtuellen Papierkorb<\/p>\n

Ein grosses Gl\u00fcck habe ich \u2013 es hat sich noch kein Neffe, Enkel oder sonstiger j\u00fcngerer, vor Jahren ausgewanderter Verwandter gemeldet. Ich kann mir allerdings auch nicht vorstellen, dass einer meinen Ahnen ausgewandert ist. Aber wer weiss, wie ich reagieren w\u00fcrde. Allerdings k\u00f6nnte ich ihm kaum Bargeld anbieten, daf\u00fcr ziemlich viele B\u00fccher. Bei einer allf\u00e4lligen \u00dcbergabe m\u00fcsste er allerdings mehrere Kisten schleppen.<\/p>\n

Salzstreuer 8 \/ 19<\/p>\n

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Das braune Getr\u00e4nk<\/strong><\/p>\n

Der Krimi war wirklich spannend, locker lesbar. Bis ich pl\u00f6tzlich auf das Wort \u00abMuckefuck\u00bb stolperte. Irgendwie kam es mir bekannt vor und schliesslich konnte ich aus einer hinteren Hirnwindung eine Assoziation hervorkramen. Das war doch dieses Kaffeegetr\u00e4nk, das so n\u00fc\u00fc\u00fctelig schmeckt, so l\u00fcderig, ein richtiger Bl\u00fcemlikafi. Oder wie ein alter Onkel zu sagen pflegte: \u00abe G\u00fcle\u00bb. Also Kaffeeersatz. Ich erinnere mich noch genau, bei meiner Grossmutter gab es immer Zichorien in blau-gelb oder orange-weiss gestreiften Papiers\u00e4cken. Und einem weissen Porzellanfilter mit Papierfilter. Man musste das heisse Wasser immer auch vorsichtig am Rand fliessen lassen, damit selbst das kleinste Kr\u00fcmelchen Kaffee noch Geschmack abgeben konnte. Heute in Zeiten von Wohlstandsgesellschaft, Kaffeeautomaten, Kapsel- und Kolbenmaschinen ist dies kaum mehr bekannt.<\/p>\n

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Chicor\u00e9e- und L\u00f6wenzahnwurzeln, Eicheln, Bucheckern \u2013 alles wurde ger\u00f6stet und gemahlen mit siedendem Wasser \u00fcberbr\u00fcht und getrunken. F\u00fcr diese dunkle Fl\u00fcssigkeit gab es zahlreiche Bezeichnungen. Neben den schon erw\u00e4hnte etwa \u00abPl\u00f6rre\u00bb \u2013 soll von \u00abPleur\u00bb, \u00abTr\u00e4ne\u00bb abgeleitet sein \u2013 oder \u00abLorke\u00bb, was von lateinisch \u00ablora\u00bb und althochdeutsch \u00ablura\u00bb = Tresterwein stammt. Und dank Wikipedia, unserem so genannt allwissenden Tool, habe ich erfahren, dass \u00abMuckefuck\u00bb weder etwas mit M\u00fccken noch einem englischen Derbausdruck zu tun hat. Sondern das franz\u00f6sische \u00abMocca faux\u00bb verballhornt, der Ausdruck wurde im Rheinland unter der Besetzung von Napoleon eingedeutscht.<\/p>\n

Aber eigentlich ist das gar nicht interessant, jede und jeder will doch einen speziellen Kaffee, einen Latte Macchiato, Cappuccino, Barbagliata, Pharis\u00e4er, eine Melange, einen schlichten Ristretto. Oder was der landestypischen Spezialit\u00e4ten mehr sind. Hauptsache das Getr\u00e4nk weckt den Geist, entspricht dem Zeitgeist und beweist, dass man diesem nachlebt. Kann schon sein, dass sich bald alles \u00e4ndert. Denn modische Trends sind nicht nur bez\u00fcglich Kleider schnelllebig. Und dann trinken wir auch bei uns den bis anhin kaum bekannten Muckefuck. Und Dank der Krimilekt\u00fcre wissen wir, was das ist. Dass Lesen bildet, wissen wir schon lange, dass Krimilesen auf einen m\u00f6glichen Trend hinweist, ist mir neu.<\/p>\n

Salzstreuer 7 \/ 19<\/p>\n

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Das T\u00f6sstal von oben<\/strong><\/p>\n

Kennen Sie das T\u00f6sstal von oben? Ich meine nicht vom Flugzeug aus, auch nicht vom H\u00f6rnli oder Schauenberg, so hoch will ich gar nicht hinauf. Ebenfalls geht es nicht um das ganze T\u00f6sstal sondern nur von Wila bis Winterthur. Ich habe es entdeckt. Jeweils am morgen und am Abend, seit Dezember letzten Jahres. Sie haben es erraten, ich spreche von der zweist\u00f6ckigen S11.Ich sitze gerne oben, unten hab ich immer das Gef\u00fchl, die Leute tanzen auf meinem Kopf herum. Zudem sehe ich alles aus einem neuen Blickwinkel. W\u00e4hrend das Auge fr\u00fcher an einer L\u00e4rmschutzwand h\u00e4ngen blieb, kann ich jetzt die Strasse dahinter sehen, das ist spannender. Ich k\u00f6nnte beispielsweise Autos z\u00e4hlen, Automarken oder Farben in eine Beliebtheitsskala einordnen.<\/p>\n

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Ich erlebe also eine andere Sicht auf beispielsweise Rikon. Bleibt die Frage, ob dies auch mein Empfinden gegen\u00fcber Rikon beeinflusst. Wenn ich Dinge von verschiedenen Seiten beleuchte, \u00e4ndert sich gelegentlich auch meine Meinung dar\u00fcber. Wie das mit Rikon oder Kollbrunn ist, weiss ich noch nicht. Auf alle F\u00e4lle hat die neue S11 unser Essverhalten ver\u00e4ndert. Doch um das verst\u00e4ndlich zu machen, muss ich ein bisschen ausholen. Bis vor f\u00fcnf Jahren lebten wir in Z\u00fcrich Altstetten. Im Quartier gibt es ein sehr gutes Fischgesch\u00e4ft, mit frischer Ware grosser Auswahl und sehr freundlicher Bedienung. Wir haben oft und gerne dort eingekauft und verschiedenste Rezepte ausprobiert. Hier in Turbenthal vermissen wir diese Auswahl manchmal.<\/p>\n

Jetzt haben wir die direkte Verbindung Turbenthal \u2013 Altstetten. Und wenn mich eine unb\u00e4ndige Lust auf ein Fischgericht erfasst \u2013 kein Problem, die S-Bahn bringt mich direkt nach Altstetten. Dann spaziere ich auf altvertrauten Strassen und sehe, wie schnell sich alles ver\u00e4ndert hat. Hier ein Haus abgerissen, dort ein kleines Gesch\u00e4ft geschlossen, ein neuer Discounter mit Parkhaus, ein Wohnblock, wo fr\u00fcher eine Gr\u00fcnfl\u00e4che war. Doch das Fischgesch\u00e4ft gibt es immer noch, sogar die Verk\u00e4uferin erkennt mich wieder. Und ich freu mich auf ihre Beratung und ihren Tipp f\u00fcr ein mir noch unbekanntes Rezept. Der S11 sei Dank.<\/p>\n

Salzstreuer 6 \/ 19<\/p>\n

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Zeitverlust<\/strong><\/p>\n

Durchsagen: \u00abWartezeit beim Autoverlad Furka. Zeitverlust 45 Minuten\u00bb, \u00abStau auf der A1. Sie verlieren 30 Minuten\u00bb, \u00abDie S-Bahn hat Versp\u00e4tung, Zeitverslust ca. 4 Minuten\u00bb. Ob am Radio oder auf dem Perron, solche Ansagen sind kaum der Rede wert, weil allt\u00e4glich und beinahe normal. Doch was heisst \u00abZeitverlust?\u00bb Kann ich Zeit oder gar die Zeit verlieren? Vermisse ich etwas, suche ich ein Fundb\u00fcro auf und frage: \u00abIch habe 30 Minuten Zeit verloren. Wurden sie gefunden und abgegeben?\u00bb Ich mag mir die Blicke auf der anderen Schalterseite nicht vorstellen.<\/p>\n

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Das Meisterwerk des franz\u00f6sischen Dichters Marcel Proust heisst \u00abAuf der Suche nach der verlorenen Zeit\u00bb. Er besch\u00e4ftigt sich genau mit dieser Fragestellung und erz\u00e4hlt In dem siebenb\u00e4ndigen Roman seine eigene Geschichte. Dabei deutet er \u00abverlorene Zeit\u00bb verschieden: als Zeit, die vergeudet zu sein scheint, als Zeit, die verloren ist, wenn sie nicht in der Erinnerung oder in einem Kunstwerk weiterlebt oder die Zeit als Erinnerung, welche Namen oder Gegenst\u00e4nde hervorrufen.<\/p>\n

Also mir sind diese Gedankeng\u00e4nge zu kompliziert. Wenn ich einen Schl\u00fcssel verliere, ist klar, dass ich die T\u00fcr nicht mehr aufschliessen kann. Er fehlt mir. Ich besuche einen Schl\u00fcsseldienst und lasse einen neuen machen. Der Schl\u00fcssel ist ersetzbar. Doch welches Gesch\u00e4ft muss ich aufsuchen, um Zeit zu ersetzen? Oder meine verlorenen Nerven, wenn ich mich stark ge\u00e4rgert habe? Oder einzelne Tr\u00e4ume, die im Laufe des Lebens abhanden gekommen sind?<\/p>\n

\"\"<\/p>\n

Doch besser als \u00fcber Verluste etwelcher Art auch immer zu schreiben, wie w\u00e4re es mit den Gewinnen und Freuden? Da weiss ich allerdings nicht, wo ich anfangen soll, je mehr ich dar\u00fcber nachdenke, desto zahlreicher tauchen die Dinge, Gef\u00fchle, Begebenheiten, Begegnungen auf, die bemerkenswert und erfreulich sind. Ich weiss nicht, wie ich gewichten oder was ich herausstreichen soll. Auch w\u00fcrde die Aufzeichnung den Rahmen eines Salzstreuers sprengen, derart vielf\u00e4ltig sind die positiven Ereignisse.<\/p>\n

Jetzt konnte ich den Zeitverlust positiv nutzen, den ich wegen der S-Bahn-Versp\u00e4tung erlitten hatte \u2013 ich schrieb an dieser Kolumne. Habe ich die Zeit wirklich verloren?<\/p>\n

Salzstreuer 5 \/ 19<\/p>\n

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Aufr\u00e4umen<\/strong>
\nEs ist schrecklich, auf meinem Pult h\u00e4ufen sich wieder Zettel, Zeitungsausschnitte, To-do-Listen, bezahlte und unbezahlte Rechnungen\u2026 Ich muss mir Zeit nehmen, wieder einmal abzulegen, zu sichten, Erledigtes und Unwichtiges zu entsorgen.
\nNur noch schnell einen Tee trinken und dann geht\u2019s los. Bl\u00f6d, wer ruft jetzt an? Muss abnehmen. Und schon ist wieder eine halbe Stunde vergangen. Jetzt piepst auch noch der Geschirrsp\u00fcler und will ausger\u00e4umt werden. Das mach ich schnell. Jetzt kommt mir in den Sinn, die W\u00e4sche muss ich ja auch noch aufh\u00e4ngen. Also los. Und dieser Staub. Nur kurz saugen. Es ist schrecklich, wie schnell die Zeit rast. Ich muss ja noch den Z\u2019Nacht einkaufen und parat machen. Also gut, aber morgen fr\u00fch kommt mein Pult dran. \u00abKannst Du heute mitkommen und mir im B\u00fcro helfen?\u00bb Klar, das Pult kommt morgen dran. Es ist ja erst Mittwoch.<\/p>\n

\"\"<\/p>\n

Schon wieder flattern Rechnungen rein. Bezahlen, lochen, auf den Haufen der abzuheftenden Papiere. Dieser Artikel ist interessant. K\u00f6nnten mal eine Idee f\u00fcr eine Geschichte werden. Muss ich ausschneiden. Ich hab doch irgendwo ein M\u00e4ppchen f\u00fcr solche Zeitungsauschnitte. Ah da. Es wird auch immer dicker. Und schon bin ich am Lesen. Dabei f\u00e4llt mir ein, dass ich einem Bekannten versprochen habe, etwas \u00fcber die letzte Theaterpremiere zu schicken. Das mach ich jetzt endlich.<\/p>\n

Dann muss ich dringend an die frische Luft, ich kann doch nicht den ganzen Tag am Computer verbringen, wenn draussen die Sonne vorsichtig durch die Wolken blinzelt. Ich muss sowieso zum Bankomat. Das k\u00f6nnte ich mit der Post verbinden. Also f\u00fclle ich das l\u00e4ngst f\u00e4llige Formular f\u00fcr die Vollmacht aus. Und wenn ich sowieso dahin muss, schreibe ich doch die Geburtstagszeilen f\u00fcr eine gemeinsame Freundin. Die freut sich sicher, dass wir an sie denken. Gesehen haben wir uns schon lange nicht mehr, entweder hat sie, meine Frau oder ich keine Zeit. Also wenigstens ein paar Zeilen.<\/p>\n

Aufger\u00e4umt ist immer noch nicht. Doch ich weiss genau, welcher Zettel unter welchem Haufen wo liegt. Mein Pult ist quasi wie die Handtasche einer Frau \u2013 f\u00fcr Aussenstehende ein absolutes Chaos, f\u00fcr sich selber der geordnete Hort der t\u00e4glichen Wichtigkeiten. Und n\u00e4chste Woche plane ich es ein. Ich hoffe nur, dass nichts dazwischen kommt.<\/p>\n

Salzstreuer 4 \/ 19<\/p>\n

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Brrrr, saukalt, brrrr<\/strong>
\nSchnupfen, Husten, Halsweh, typisch, es ist Januar \u2013 draussen kalt, drinnen erk\u00e4ltet. Die Jahreszeit ist halt so. Geraffelter Ingwer, Honig, Zitrone, Salbei. Zwiebeln und Bettsocken haben Hochkonjunktur, \u00c4rzte alle Sprechstunden \u00fcbervoll. Und das nur um ihren Patientinnen und Patienten zu erkl\u00e4ren, was diese schon wissen: \u00abSie sind erk\u00e4ltet. Mit Mittel dauert es eine Woche, oder sieben Tage, bis sie wieder auf dem Damm sind\u00bb.<\/p>\n

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Von grossem Pech verfolgt war einer meiner Bekannten. Er ist Single und hatte es nach langem Dr\u00e4ngen und geduldig immer wieder Nachfragen endlich geschafft, die Frau, die er schon lange heimlich verehrte zu einem Rendezvous zu \u00fcberreden. Der Tag des Dates kam n\u00e4her, doch seine Augen tr\u00e4nten, seine Nase triefte, seine Stimme kr\u00e4chzte, sein Kopf brummte \u2013 er musste absagen. Wer ist mit verquollenem Gesicht schon attraktiv und verf\u00fchrerisch? Und weil die Bekanntschaft sowieso eher einseitig und keineswegs konsolidiert war, hatte die Angehimmelte das Gef\u00fchl, er habe sie versetzt und somit kein weiteres Interesse an einer Wiederholung.<\/p>\n

Was so eine Erk\u00e4ltung und K\u00e4lte alles anrichten k\u00f6nnen. Vom Selbstmitleidanfall \u00fcber elendiges Dahinvegetieren bis zur verpassten Chance der Familiengr\u00fcndung. Kommt hinzu, dass es am Abend immer noch fr\u00fch dunkel wird und man sich besser in seine Wohnung verkriecht, statt auszugehen, wo man sich h\u00f6chstens den Hintern abfriert. \u00abKalte F\u00fcsse sind l\u00e4stig, besonders die eigenen\u00bb, hat schon Wilhelm Busch festgestellt. Da kann man nur einen k\u00fchlen Kopf bewahren, die kalte Zeitung aus dem Aussenbriefkasten holen und den Sekt kalt stellen, in der \u2013 eigentlich sinnlosen \u2013 Hoffnung, dass jemand W\u00e4rme sucht, der aus der K\u00e4lte kommt.<\/p>\n

Wenden wir uns also w\u00e4rmeren Gedanken zu. Der heisse Tee ist geschl\u00fcrft, die letzten Taschent\u00fccher in der W\u00e4sche, die Gummibeine wieder etwas fester. Die \u00dcberzeugung, dass es irgendwann wieder w\u00e4rmere Tage geben k\u00f6nnte, macht sich im tiefsten Inneren bereit. Tr\u00f6stlich ist zu wissen, dass auch Erk\u00e4ltungen einmal m\u00fcde werden, dass sich ihr aggressives Angreifen in Ersch\u00f6pfung ausartet und sie sich von den starken k\u00f6rpereigenen Antikr\u00e4ften besiegen lassen m\u00fcssen. Und so k\u00f6nnen wir getrost den Januar Januar, die K\u00e4lte K\u00e4lte und die Grippe Grippe sein lassen. Der n\u00e4chste Fr\u00fchling mit den milden Sonnenstrahlen kommt bestimmt.<\/p>\n

Salzstreuer 3 \/ 19<\/p>\n

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Der Schuh auf der Wiese
\n<\/strong>Hinter dem Haus liegt eine Wiese. Sie ist leicht steil am Hang, wilde Brombeeren wuchern und haben sich zu einem dichten Gestr\u00fcpp formiert. Das Gr\u00fcn. das eher ein Gelb oder Grau ist, w\u00e4chst unkontrolliert vor sich hin. Das St\u00fcck Land dient einigen K\u00fchen als Esstisch, Toilette- und Spazietfeld. Es kann schon mal vorkommen, dass wir in dunkler Nacht nach Hause kommen und in der Dunkelheit grosse Gestalten sehen, die laut h\u00f6rbar schnaufen. Das erste Mal sind wir erschrocken, bis wir gemerkt haben, dass es die liegenden Tiere sind. In der Dunkelheit sind halt alle Katzen grau. Apropos Katzen, auch die schleichen gerne durchs Gel\u00e4nde, schliesslich ist es die Heimat verschiedener M\u00e4use, Blindschleichen und sonstigen Lebewesen. Wenn wir durchs Fenster schauen, ist schwer was los.<\/p>\n

Doch k\u00fcrzlich haben wir etwas Neues, noch nie Dagewesenes entdeckt: einen linken Turnschuh. Seither sind wir ganz unruhig. Was hat der Schuh zu bedeuten? Vielleicht will er uns etwas sagen? Wenn ja, was? Unseren Spekulationen sind T\u00fcr und Tor ge\u00f6ffnet. Wahrscheinlich hat ihn jemand verloren. Doch das ist unwahrscheinlich, wer humpelt 1. durch diese Wiese und 2. noch dazu mit nur einem Schuh? Die Person muss entweder v\u00f6llig besoffen oder auf der Flucht gewesen sein. Oder sie hatte derart schmerzende Blasen, dass sie sich einfach vom Schuh getrennt hat.<\/p>\n

\"\"<\/p>\n

Vorsichtig haben wir uns das Objekt n\u00e4her angesehen und waren erleichtert, dass kein abgehackter Fuss drin war. Als TV-Krimi-Seher ist man ja allerlei gewohnt. Auch sonst fand sich nichts in der Umgebung, das auf etwas Schauerliches h\u00e4tte schliessen lassen \u2013 kein blutiges Taschentuch, keine zerfetzten Kleider, nichts. Nur ein linker Schuh. Unsere Fantasie hat sich beruhigt, obwohl der Schuh auch nach etwa zwei Monaten immer noch daliegt. Ich kann ihn nicht holen und entsorgen, schliesslich liegt er auf fremden Grund. Wenn ich ihn wegnehme, k\u00f6nnte man mich des Diebstahls bezichtigen.<\/p>\n

Eines Tages hatten wir Besuch. Beim Essen plaudert man ja so dies und das. Auch \u00fcber den Schuh. Einer unserer G\u00e4ste hatte eine plausible Erkl\u00e4rung \u2013 ein Fuchs hat ihn irgendwo geklaut und dann aus einem unerfindlichen Grund fallen lassen. Aber jetzt geht das Spekulieren wieder los. Warum hat er ihn fallen lassen? Wer hat ihn erschreckt? Sie begreifen jetzt sicher, ein einzelner Schuh kann uns ganz sch\u00f6n ins Schwitzen bringen.<\/p>\n

Salzstreuer 2 \/ 19<\/p>\n

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Vors\u00e4tze und wie man sie umsetzt<\/strong>
\nSch\u00f6n, dass Sie auch gl\u00fccklich im 2019 gelandet sind. Nun sind schon wieder einige Tage verflossen, und ich f\u00fcrchte, dass auch dieses Jahr mit Windst\u00e4rke 10 vor\u00fcberrauschen wird. Also h\u00f6chste Zeit, sich \u00fcber die guten \u2013 guten? \u2013 Vors\u00e4tze anl\u00e4sslich des Silvesters Gedanken zu machen. Also ich pers\u00f6nlich habe mir nichts vorgenommen, meine Erfahrung hat gezeigt, dass, dass ich ohnehin schwach werde und sie doch nicht einhalte. Mein einziger Vorsatz ist nach wie vor meine Brille vor den Augen.<\/p>\n

\"\"<\/p>\n

Aber ich weiss, dass viele Menschen f\u00fcr sich Pl\u00e4ne gefasst haben, dies oder jenes in ihrem Leben zu \u00e4ndern. Beim Rauchen ist es ja etwas einfacher geworden, statt Glimmstengel, Brissago \u2013 gibt es die \u00fcberhaupt noch? \u2013 oder Zigarren, bieten sich E-Zigaretten an. Das kann ja als Vorsatzerf\u00fcllung durchaus gelten. Man m\u00fcsste allerdings den Vorsatz genauer definieren \u2013 geht es um das Einatmen von Schadstoffen, das \u00abParf\u00fcmieren\u00bb der Umgebung oder darum, das Portemonnaie zu schonen? Danach m\u00fcssten sich die Erf\u00fcllungskriterien richten.<\/p>\n

\u00abSitzen ist das neue Rauchen\u00bb haben Forscherinnen und Forscher herausgefunden. Das hat sicher auch viele Vorsatzwillige beeinflusst. Dies an elektronische Hilfsmittel auszulagern, wird allerdings schwieriger \u2013 es muss schon selber aufgestanden werden. Hilfreich ist ein Stehpult. Doch ob Sitzen eine Sucht ist, weiss ich nicht so recht. Zumindest kenn ich ihre Bezeichnung nicht. Menschen, die zu viel Schnaps, Wein oder Bier trinken, sind Alkoholiker. Aber wie nennt man Zuvielsitzer? Hockliker? Oder Stuhliker?<\/p>\n

Im neuen Jahr weniger zu Trinken, ist ebenfalls ein beliebter Vorsatz. Einem Ondit zufolge haben sich Lebensmittelchemiker mit Programmierern verb\u00fcndet und forschen analog zur E-Zigarette am E-Wein. Wie weit die Bem\u00fchungen gediehen sind, ist offen, es wurde Stillschweigen vereinbart. So bin ich auf Spekulationen angewiesen, wie ich mir das vorstelle: Ich sitze vor dem Bildschirm, lade einen virtuellen Korkenzieher, eine Flasche Wein und ein Glas hoch. Jetzt fliesst der schwere Rote ins Glas, ein wunderbarer Anblick. F\u00fcr die Fortsetzung fehlt mir die Fantasie. Ich \u00f6ffne mir ganz konkret eine Flasche Wein. Vielleicht bringt der erste reelle Schluck meine Fantasie wieder in Gang.<\/p>\n

Salzstreuer 1 \/ 2019<\/p>","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Das war\u2019s Das war\u2019s. Das Jahr 2019, es ist Geschichte. Und auch der Salzstreuer, er ist Geschichte, die Saline ist ausgebeutet, die Salzkammern leer. Ich danke Ihnen, liebe Leserinnen, liebe Leser, daf\u00fcr, dass Sie die Geduld hatten, meine Beitr\u00e4ge zu lesen. Ich verstehe vollkommen, wenn Sie keine Lust hatten und im \u00abT\u00f6\u00dfthaler\u00bb weiter gebl\u00e4ttert haben. […]<\/p>\n","protected":false},"author":2,"featured_media":1822,"parent":0,"menu_order":0,"comment_status":"closed","ping_status":"closed","template":"","meta":{"footnotes":""},"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/www.guylang.ch\/index.php?rest_route=\/wp\/v2\/pages\/1752"}],"collection":[{"href":"https:\/\/www.guylang.ch\/index.php?rest_route=\/wp\/v2\/pages"}],"about":[{"href":"https:\/\/www.guylang.ch\/index.php?rest_route=\/wp\/v2\/types\/page"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.guylang.ch\/index.php?rest_route=\/wp\/v2\/users\/2"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.guylang.ch\/index.php?rest_route=%2Fwp%2Fv2%2Fcomments&post=1752"}],"version-history":[{"count":104,"href":"https:\/\/www.guylang.ch\/index.php?rest_route=\/wp\/v2\/pages\/1752\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":2085,"href":"https:\/\/www.guylang.ch\/index.php?rest_route=\/wp\/v2\/pages\/1752\/revisions\/2085"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.guylang.ch\/index.php?rest_route=\/wp\/v2\/media\/1822"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/www.guylang.ch\/index.php?rest_route=%2Fwp%2Fv2%2Fmedia&parent=1752"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}