Warning: Declaration of Standard_Nav_Walker::start_lvl(&$output, $depth, $args) should be compatible with Walker_Nav_Menu::start_lvl(&$output, $depth = 0, $args = NULL) in /home/httpd/vhosts/guylang.ch/httpdocs/wp-content/themes/standard/lib/Standard_Nav_Walker.class.php on line 12 Warning: Declaration of Standard_Nav_Walker::end_lvl(&$output, $depth, $args) should be compatible with Walker_Nav_Menu::end_lvl(&$output, $depth = 0, $args = NULL) in /home/httpd/vhosts/guylang.ch/httpdocs/wp-content/themes/standard/lib/Standard_Nav_Walker.class.php on line 89 Warning: Declaration of Standard_Nav_Walker::start_el(&$output, $item, $depth, $args) should be compatible with Walker_Nav_Menu::start_el(&$output, $data_object, $depth = 0, $args = NULL, $current_object_id = 0) in /home/httpd/vhosts/guylang.ch/httpdocs/wp-content/themes/standard/lib/Standard_Nav_Walker.class.php on line 21 Warning: Declaration of Standard_Nav_Walker::end_el(&$output, $item, $depth, $args) should be compatible with Walker_Nav_Menu::end_el(&$output, $data_object, $depth = 0, $args = NULL) in /home/httpd/vhosts/guylang.ch/httpdocs/wp-content/themes/standard/lib/Standard_Nav_Walker.class.php on line 84 Warning: Cannot modify header information - headers already sent by (output started at /home/httpd/vhosts/guylang.ch/httpdocs/wp-content/themes/standard/lib/Standard_Nav_Walker.class.php:0) in /home/httpd/vhosts/guylang.ch/httpdocs/wp-includes/feed-rss2.php on line 8 HR Today – Guy A. Lang – Texte https://www.guylang.ch Ich schreibe Ihre Texte. Mon, 01 Feb 2016 16:13:03 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.4.4 Service à l’Indien – Tee oder Kaffee https://www.guylang.ch/?p=1598 https://www.guylang.ch/?p=1598#respond Mon, 28 Sep 2015 10:05:47 +0000 http://www.guylang.ch/?p=1598 Heiss war unsere Reise durch Rajasthan, sehr heiss. Die indische Sonne kannte kein Erbarmen und liess das Thermometer auf 42 Grad klettern. Dazu der Strassenstaub und die selbstverständliche Windstille.

Ganesha

Ganesha

Regen, so wurde uns kolportiert, floss zum letzten Mal vor einigen Jahren. Wir besuchten ein Staudammprojekt. Irgendwo weit ausserhalb eines kleinen Dorfes. Erstaunlicherweise arbeiteten dort nur die Frauen. Die Männer lagen derweil im Schatten – ohne Wasser konnten sie auf den Feldern nichts ausrichten. Die Stimmung war fröhlich, die Frauen lachten und schufteten. Sie hackten Erde, füllten sie in grosse korbartige Behälter, schleppten diese auf dem Kopf und schütteten einen Damm auf. Dieser sollte bei einem allfälligen Monsun das Wasser speichern helfen, das bei dem derart ausgetrockneten Boden einfach abfliessen würde.

Später kehrten wir in das Dorf zurück und besuchten ein Restaurant. Der Schweiss floss uns in Bächen über den Körper, diese Flüssigkeit wollte ersetzt werden. Wir hatten schrecklichen Durst und setzten uns, um einen heissen Tee – in solchen Situationen bekanntlich das Beste – zu trinken.

Ein stolzer Rajput mit leuchtendfarbigem Turban und stattlichem Schnurrbart stand da, offensichtlich bereit, Bestellungen entgegenzunehmen. Er lächelte uns zu, wir bestellten «Tschai», er nickte, sagte: «Yes, Sir!», und stand weiter da. Nach geraumer Zeit – schliesslich wussten wir, dass in Indien die Zeit eine völlig andere Rolle spielt als bei uns und dass ungeduldiges Drängeln das Gegenteil bewirkt – machten wir uns nochmals bemerkbar. Der grosse Mann lächelte, nickte nochmals und meinte: «Yes, yes, he’s coming.» Wir wunderten uns, hatten wir doch nicht bemerkt, dass er offenbar irgendwie irgendein Zeichen gegeben hatte.

Irgendwann schlurfte ein zweiter krummbeiniger Hüne mit spitzen Schnabelschuhen in den Raum. Knapp fragte er, was wir wollten. Wir erklärten, leicht gereizt, aber sehr zurückhaltend, dass wir schon Tee bestellt hätten. «Oh, no, no, no. Tschai is my business!», berichtigte er und deutete auf seinen Kollegen: «He is only the coffee-wala.» Und der Kaffee-Wala – Wala bezeichnet in Zusammenhang mit einem Gegenstand wie Fax, Auto oder eben Tschai die zuständige Person – bringt keinen Tee. Schliesslich will er seinem «Teekollegen» nicht den Job wegnehmen.

Dass jeder einen eigenen Platz in dieser Gesellschaft hat, darauf wird streng geachtet. Ob Frauen in ihrer Arbeitsteilung beim Bau oder Männer im Service, ob geteilte oder gemeinsame («shared») Services – ein durchaus soziales System, das allen Menschen Gelegenheit bietet, eine Arbeit zu verrichten und etwas zu verdienen.

 

Erschienen in HR Today

 

]]>
https://www.guylang.ch/?feed=rss2&p=1598 0
Traditionserhalt – oder? https://www.guylang.ch/?p=1097 Mon, 11 Mar 2013 10:09:35 +0000 http://www.guylang.ch/?p=1097 Im April 2006 schrieb ich folgenden Text. Sieben Jahre später erinnert mich ein Werbeplakat im Tram daran – offenbar ist die Kolumne von damals noch aktuell:

Buecherwand

Wie viel Zeit braucht der Traditionserhalt?
Kennen Sie die «Buddenbrooks»? Sicher. Sie wissen auch, dass der Roman seinem Erzeuger Thomas Mann 1929 den Nobelpreis für Literatur eintrug. Und dass das Werk mit dem Untertitel «Verfall einer Familie» zu denjenigen gehört, deren Lektüre geradezu bildungsbürgertümliche Pflicht ist. Ein Lesemuss der Allgemeinbildung. Aber – Hand aufs Herz – haben Sie den Wälzer wirklich schon gelesen? Immerhin handelt es sich um rund 767 Seiten. Wenn man annimmt, dass man für eine Seite etwa vier Minuten braucht, ergibt das 3068 Minuten. Und wer hat nebst dem Einverleiben von Börsenkursen, «20 Minuten», Visitenkarten, E-Mails sowie ab und an eines Fachschinkens noch Zeit für ein «normales» Buch?

Jetzt ist die Rettung nah. Eine der renommiertesten Schweizer Zeitungen – und das ist erstaunlich, denn sie legt viel Wert auf Werte – und ein Jungunternehmen, das sich auf die Zusammenfassung von Literatur spezialisiert hat, haben sich gefunden und veröffentlichen Kurzfassungen von Weltliteratur: «Krieg und Frieden», «Madame Bovary», «Faust I» oder «Odyssee». Auf 14 Seiten. Diese lassen sich in kürzester Zeit bewältigen. Und man weiss über Inhalt, Autor, Stil und historischen Hintergrund Bescheid. «Auf diese Weise wollen wir einen Beitrag zur Erhaltung der Überlieferung leisten», schreibt der Redaktionsleiter im Editorial des «Klassiker kompakt». Denn er beklagt, dass «das Bewusstsein für Traditionen zunehmend verloren» geht.

Die Absicht scheint ehrenwert. Doch wozu brauche ich eine neue Broschüre? Ich hocke ja sowieso an meinem zeitsparenden täglichen Arbeitsinstrument – dem Computer, Laptop, Blackberry oder so. Und dort gebe ich einen Romantitel – falls ich überhaupt ein kleines Zeitfenster für lesenden Müssiggang finde – bei einer Suchmaschine ein. Als Ergebnis erhalte ich in etwa die gleichen Informationen. Und sorge in «geraffter Form» für den Traditionserhalt in unserer Gesellschaft. Ich raffe mir quasi die abendländische Kultur zusammen. Das kommt mir so vor, als sollte ich vom Lesen einer Rezeptsammlung satt werden. Oder dass der geballte Zusammenschnitt mit Toren und sonstigen Höhepunkten am TV mir ein Fussballspiel ersetzen soll.

Doch vielleicht ist das auch gut so. Denn die Zeit vergeht immer schneller, die Freizeit muss mit Fitnessvermehrung verbracht werden, und das Lesen im stillen Kämmerlein ist unsozial. Dennoch bleibt der Anspruch der Bildung bestehen. Also Kurzfassungen lesen. Und wenn schon, dann mit dem Segen einer kulturellen Institution – wie dem Verlag an der Falkenstrasse in Zürich. Dennoch – die dünnen Klassiker vermitteln ein dünnes Wissen.

Erschienen in HR Today, 4 / 2006

]]>
Soziokratie und gewaltfreie Kommunikation https://www.guylang.ch/?p=1013 Wed, 09 Jan 2013 07:16:37 +0000 http://www.guylang.ch/?p=1013

«Am Schluss sind alle Angestellten mit allen Entscheidungen einverstanden» – Gespräch mit Suna Yamaner

Suna

© Sabine Schritt

Soziokratie und gewaltfreie Kommunikation: Diese beiden Methoden möchte die Betriebswirtschafterin Suna Yamaner vermehrt im Berufsleben bekannt machen. Als effiziente Managementtools für Führung und Entscheidungsfindung können sie allen beteiligten Menschen einen sinnstiftenden Platz geben und den Unternehmen Gewinn bringen.
Frau Yamaner, Sie setzen sich für Soziokratie und gewaltfreie Kommunikation ein. Ist unsere Sprache gewalttätig?

Suna Yamaner: Wenn allgemein bekannt wäre, wie machtvoll Sprache ist, müsste man einen Waffenschein lösen, wenn man auf die Welt kommt. Sie kann verletzen und unterdrücken, aber auch motivieren und beglücken. Gewaltfreie Kommunikation trägt dieser Tatsache Rechnung, sie gestaltet mit der Sprache Beziehungen auf Augenhöhe. Dabei geht es um die Gleichwertigkeit unter Menschen. Keiner ist mehr oder weniger wert als ein anderer, auch wenn es Strukturen und Hierarchien gibt.

Also ist gewaltfreie Kommunikation eine Kommunikationsform?
Nicht nur. Sie ist mehr. Sie ist ein Beziehungsgestaltungsmodell, das sich an der Sprache orientiert. Wenn wir auf der Sach- oder Beziehungsebene als gleichwertige Personen reden, muss man nicht mehr jedes Wort auf eine Goldwaage legen. Dann ist es möglich, dass der Büezer mit der Generaldirektorin oder dem Generaldirektor über Hierarchiegrenzen hinweg offen und vertrauensvoll kommuniziert. So tut Letzterer gut daran, Erfahrungen und Know-how der Einzelnen ernst zu nehmen und zu berücksichtigen. Das trägt wesentlich zur Qualität seiner Entscheidungen bei. Gewaltfreie Kom- munikation ist eine gute Voraussetzung für soziokratische Prozesse.

Soziokratische Prozesse sind Grundlagen für Entscheidungen. Wie funktionieren sie?
Jeder Mensch will möglichst seine Bedürfnisse befriedigen und einen sinnvollen Beitrag zum Gelingen eines übergeordneten Ganzen leisten. Darauf basiert das Menschenbild der beiden Methoden. Im soziokratischen Prozess findet genau das statt. Dabei geht es nicht wie bei einer demokratischen Abstimmung darum, dass der Wille der Mehrheit bestimmt, sondern darum, dass alle mit dem vorgeschlagenen Ergebnis leben können. Wichtig ist also nicht der Konsens, die Übereinstimmung, sondern der Konsent, abgeleitet vom englischen «consent» für «Einwilligung» oder «Einverständnis». Wir arbeiten daher mit einer «Range of Tolerance». Das heisst: Person A hat eine Meinung, ebenso wie B, C und D. Auch wenn diese Meinungen verschieden sind, innerhalb der Grenzen eines Schnittbereichs sind alle einverstanden, also konsent. Liegt die vorgeschlagene Lösung in diesem Bereich, ist keiner überstimmt und der Entscheid kann im Einverständnis aller umgesetzt werden. Falls sich nicht alle konsent entscheiden, wird ein neuer Lösungsan- satz gesucht.

Können Sie das an einem konkreten Beispiel erklären?
In einer Abteilung der Firma XY wird eine neue Software eingeführt. Um eine Schnellbleiche innerhalb eines halben Tages zu vermeiden – diese bietet der Hersteller zum Kennenlernen der Software an –, will die Personalleiterin zwei Personen aus ihrem Team zu einem umfassenden Weiterbildungskurs schicken. Diese zwei sollen das gesamte Team später schulen und werden in einem soziokratischen Prozess evaluiert: Die Personalleiterin beruft als Moderatorin einen so genannten Circle mit allen Betroffenen ein. Jede einzelne der interessierten Personen muss kurz erläutern, warum gerade sie oder ein anderer aus dem Team geeignet ist, diese Weiterbildung zu besuchen. Nach dieser Runde verteilt die Moderatorin Wahlzettel. Damit das Verfahren transparent wird, schreibt jeder seinen eigenen Namen sowie die Namen der zwei Per- sonen auf, die er nach Anhören aller Voten für die geeignetsten hält. Die Zettel werden gesichtet und die Personen mit den meisten Stimmen vorgeschlagen. Nun wird jeder in der Runde gefragt, ob er mit der Wahl konsent sei oder ob ein schwerwiegender Einwand vorliege. Wer damit leben kann, sagt «konsent», und wer dagegen ist, meldet «Einwand». Diesen muss er nach der Konsent-Runde erläutern. Das Verfahren wird wiederholt, bis alle konsent sind. Die Gewählten besuchen die Weiterbildung und geben ihr gewonnenes Wissen über die neue Software ans Team weiter.

Ist der Zeitaufwand für einen Circle nicht enorm?
Meiner Erfahrung nach ist es möglich, selbst in Konfliktsituationen innerhalb etwa einer halben Stunde zwei Personen zu benennen, mit denen alle einverstanden sind. Der Vorteil des Verfahrens ist, dass auch die Unterlegenen es als faire und positive Sache erleben. Jeder geht einen halben Meter grösser aus der Versammlung. Denn ihnen wird Vertrauen von vielen Kolleginnen und Kollegen ausgesprochen, die gute Gründe angeben, warum sie sich eignen würden. Es gibt kaum Unstimmigkeiten, die Menschen werden eher aufgebaut. Spannend ist auch, dass ganz selten Hardliner gewählt werden, die meisten vertrauen ihnen nicht.

Antipathien und Sympathien spielen demnach keine Rolle?
Höchstens insofern, als dass man seine Idealperson vorschlägt. Wird aber eine andere gewählt, liegt sie entweder in der Range of Tolerance oder es gibt einen schwerwiegenden Einwand. Dann muss ein neuer Kandidat, eine neue Kandidatin kommen. Manipulieren geht nicht, alle müssen konsent sein.

Als Wahlprozedere leuchtet mir das soziokratische Verfahren ein. Wie aber lässt es sich als Führungstool verwenden?
Circles lassen sich auf jeder Stufe für jede anstehende Entscheidung einrichten. Wenn beispielsweise der Verwaltungsrat Entscheidungen gegen den Willen der Geschäftsleitung durchboxt, kommt es nicht gut, auch wenn das Resultat mehrheitlich abgestützt ist. Bei dem soziokratischen Prozess nehmen zwei Vertreter der Geschäftsleitung an den VR-Sitzungen teil. Den einen bestimmt der VR, der andere ist von der GL soziokratisch gewählt. Nun werden die anstehenden Pläne vorgelegt und bei allgemeinem Konsent verabschiedet. Folgerichtig passiert das auf jeder Ebene: In der GL-Sitzung sind wiederum zwei Vertreter der Abteilungsleiter, auf der nächsttieferen Hierarchiestufe ebenfalls. Am Schluss sind sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter einer Firma mit allen Entscheidungen konsent, denn in jedem Circle auf jeder Stufe ist die untere Stufe vertreten.

Der Vorteil liegt auf der Hand, alle Mitarbeitenden können Entscheide nachvollziehen und mittragen.
Ja, alle ziehen zum Wohl der Firma an einem Strick und sind motiviert, sich einzusetzen. Das Argument «Die da oben machen eh, was sie wollen» entfällt, schliesslich ist jede und jeder einverstanden. Dank des Konsents jeder einzelnen Person vertreten alle die Umsetzung einer Strategie und stehen voll dahinter. Das trägt entscheidend zur Effizienz und zum Erfolg einer Firma bei. Die Seele jeder Firma sind engagierte und mitdenkende Mitarbeitende, die auf gleicher Augenhöhe behandelt werden.

Muss eine gesamte Unternehmenskultur diesem Prinzip gehorchen oder kann beispielsweise eine HR-Verantwortliche diese Entscheidungsform einführen?
Es ist ein Konzept, das man nicht über das Ganze stülpen muss. Man kann beispielsweise in gewissen Bereichen beginnen, in denen die Involvierung der Mitarbeitenden entscheidend ist. Betrachtet man das moderne Wissensmanagement einer Firma, findet man explizites Wissen, das nachgelesen werden kann, und das viel wichtigere implizite Wissen, das nur zugänglich ist, wenn die qualifizierten Leute bei Entscheidungsprozessen einbezogen werden. Denn es ist ja nicht so, dass Einzelne nach ihrer Meinung gefragt werden und dann eine Entscheidung fällt. Sondern, dass die Mitarbeitenden bei der Fragestellung und der Entscheidungsfindung fest integriert sind, denn sie repräsentieren gewisse Ziele und Bedürfnisse einzelner Gruppen.

Fassen wir zusammen: Was sind die Vorteile von soziokratischen Prozessen?
Da niemand eine Patentlösung hat, sind folgende drei Punkte wichtig. Erstens verfügt Soziokratie über eine menschliche Struktur, die allen einen sinnstiftenden Platz gibt. Bei der Komplexität der Problemstellung ist es eine Überlebensfrage, dass breites Wissen und vielfältige Erfahrungen in Entscheide einfliessen. Zweitens ist sie friedenstiftend. Wo jede Person einen anerkannten Platz hat, arbeitet sie nicht gegen etwas, sondern ist zufrieden und motiviert. Und drittens ist sie effizient. Je mehr Selbststeuerung in eine Gruppe von Menschen gegeben wird, umso effizienter können sie arbeiten. Wird zu viel geregelt und gesteuert, sterben Mut und Dynamik der Mitarbeitenden ab, sie sind nicht mehr interessiert, innovative Wege auszuprobieren und ihr Bestes zu geben. Selbstverantwortung ist ein Garant für das erfolgreiche Fortkommen eines Unternehmens.

Suna Yamaner ist Betriebswirtschafterin MBA, Betriebsausbildnerin SVEB II und zertifizierte Trainerin für Non-violent Communication. Die selbständige Unternehmensberaterin ist zusammen mit Regula Langemann Inhaberin der Metapuls, Gesellschaft für Unternehmenskultur und Frauenförderung in Zürich, mit Schwerpunkt Kommunikationstraining, gewaltfreie Kommunikation, innerbetriebliche Schulungen und Coaching. www.metapuls.ch.

Erschienen in HR Today Juli/August 2012

Artikel als pdf: Soziokratie

]]>
Traditionen und Nachhaltigkeit https://www.guylang.ch/?p=961 https://www.guylang.ch/?p=961#respond Tue, 18 Dec 2012 13:29:05 +0000 http://www.guylang.ch/?p=961 Ein Yak mit blauen Füssen ziert einen kleinen Teppich, den wir einst aus Nepal mitbrachten. Wir brauchen das 40 mal 40 cm messende Stück als Unterlage, immer wenn wir unsere zwei bis drei Skatabende pro Jahr als Ritual mit einem Freund zelebrieren. Er besucht uns, wir schlürfen einen Gin Tonic, die Unterlage wird ausgebreitet und die Karten verteilt.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Nach etwa einer Stunde machen Yak, Karten und Gläser Platz für Teller und einen Imbiss. Nach der Pause kommen sie wieder zu Ehren.Ehre hat der kleine Yak auch verdient. Ist er doch handgewoben und stammt von einer Frau, die nach einer mühseligen Wanderung über steile Pässe und hohe Berge von Tibet nach Nepal gelangte. Dort produzierte sie in einem dunklen Raum auf dem feuchten Boden Teppiche, um sich und ihre Familie mehr schlecht als recht durchzubringen. Ihr Handwerk hat sie auch ihrem Nachwuchs weitergegeben, die Tradition, auf die sie so stolz war, sollte erhalten bleiben. Ihr Sohn hat denn die Teppichfabrikation ausgebaut und modernisiert, arbeitet mit Laptop und Handy. Auch die Arbeitsbedingungen wurden verbessert, die Produktion gesteigert.

Ebenfalls wurden die Umweltprobleme, die durch das verseuchte Wasser der Färbereien entstanden sind, in Angriff genommen: Projekte, welche die Wollfärbereien am dem Rand der Siedlungen verlagern sowie Wasseraufbereitungsanlagen werden installiert. Aus einer Tradition entwickelte sich ein nachhaltiger und zukunftsträchtiger Arbeitszweig mit modernen Designteppichen.

«Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah!» – auch bei uns gibt es zahllose Beispiele für Altes, welches von Jungen in neuer Form weitergeführt wird. Neulich – auf einer Wanderung in der Innerschweiz – stiessen wir auf einen Gasthof, den wir von früher kannten. Eine dunkle, verrauchte Stube mit abgeschabten Plastiktischtüchern. Um so grösser war unser Erstaunen, als wir eintraten: gestylte Tische, ansprechende Sets, ein verlockendes Speiseangebot. Statt vor Fett triefender Rösti gab’s Salatvariationen, satt abgestandenem Kaffee aus einer Thermoskanne frisch gebrühten Espresso, statt mürrischer Serviertochter aufgestelltes, junges Personal.

Ob Himalaya oder Voralpen, ob globalisiert oder local business, Traditionen haben wir gern, Bewährtes lieben wir. Um so wichtiger ist der innovative Umgang mit diesen Traditionen. Nachhaltigkeit stellt sich dank der Lebendigkeit von Überliefertem durch neue Ideen ein.

Erschienen in HR Today 12/2011

]]>
https://www.guylang.ch/?feed=rss2&p=961 0
Langfristige Personalplanung https://www.guylang.ch/?p=923 https://www.guylang.ch/?p=923#respond Wed, 28 Nov 2012 08:39:41 +0000 http://www.guylang.ch/?p=923 Der elegante Vogel ist aus Metall, etwa 1.50 m hoch, hat einen ganz langen Schnabel und sieht beim Näherkommen aus wie ein Storch. Ist ja irgendwie logisch, schliesslich steht er vor der dem Eingang zur Geburtenabteilung im Spital. Unübersehbar. Und unübersehbar sind auch die farbigen Zettel  –  rote, gelbe blaue grüne – die er statt gewickelter Babys im Schnabel trägt. SAMSUNGLaut Volksmund bringt er ja den Nachwuchs zu den glücklichen Eltern. In einer Gynäkologie wäre er mit der lebendigen Last gewichtsmässig völlig überfordert: 3980g, 2870g, 4270g, 2770 g, 3940 g… Diese Angaben sind von Hand auf die Karten geschrieben, zusammen mit Namen, Datum, Grösse und Geburtsstunde.

Das wäre ausser für Verwandte und Freunde ja nicht besonders interessant, gäbe es nicht ungeahnte Perspektiven für Recruiter. Kurzfristig nützt der silberne Vogel allerdings nichts. Aber er bietet ungeahnte Zukunftsperspektiven. Wie wir alle wissen, herrscht Personalmangel für Fachkräfte. Nun können Headhunter, Personalchefs und andere Suchende sich die öffentlichen Informationen in der Geburtsklinik holen.

Also da steht beispielsweise – die Namen sind der Redaktion bekannt, hier allerdings verändert – «Tom; 19.7.; 12.45; 4020g, 50 cm» oder «Irene, 19.7.; 9.28; 2730 g; 46 cm». Wer nun einen eher kräftigeren Facharbeiter sucht, wird Tom im Auge behalten, eine Modelagentur hofft auf lang wachsende Beine bei Irene. Wichtige Angaben sind auch die Geburtszeiten. Als Nachtwächter ist «Franz, 01.40» sicher eher geeignet als Fritz, der sich bis 14.30 Zeit gelassen hat.

Als Quell von Namensinspirationen lässt sich der Schnabelinhalt des Vogels ebenfalls gebrauchen. Leoarba, Flurin Lion oder Dustin Liam – klingen diese Namen nicht schön? Diese Menschen scheinen prädestiniert für ein Leben in fernen, abenteuerlichen Ländern. Als Reiseleiterin, Archäologe oder bündnerischer Bergjäger, der statt eines Bären einem Löwen nachpirscht.

Ob allerdings Castingprofis von künftigen Oscarpreisträgerinnen und -trägern hier fündig werden, ist fraglich. Denn in Wirklichkeit sehen alle Neugeborene bis ins Alter von rund einem Jahr ziemlich gleich aus (ich weiss, dass ich für diese Behauptung Proteste in Orkanstärke ernten werde). Und Fotos nach Ausbildung individueller Gesichtszüge trägt der Storch ja nicht mit.

erschienen in HR Today, September 2012

]]>
https://www.guylang.ch/?feed=rss2&p=923 0
Verfallsdatum und Jugendlichkeit https://www.guylang.ch/?p=863 https://www.guylang.ch/?p=863#respond Tue, 20 Nov 2012 19:59:13 +0000 http://www.guylang.ch/?p=863 Bei einem Besuch in Deutschland offerierte mir meine Gastgeberin einen Fruchtsaft aus einer Glasflasche mit Drehverschluss. Das war im letzten Sommer, am Samstag, den 5. August. In einer Gesprächspause fiel mein Blick auf das Verfallsdatum des Getränks: 5.8.2006, 17.32 Uhr. Ich sah auf die Uhr und erschrak: 18.04! Mir wurde siedend heiss und trockeneismässig kalt, Vergiftungsvisionen überfielen mich. Zwar hatte der Saft ganz normal geschmeckt, aber war da nicht ein seltsam schaler Geschmack gewesen? Ich kramte in meinem Gehirn nach Fakten aus dem Biologieunterricht – er liegt immerhin schon etwa 35 Jahre zurück – darüber, wie schnell sich Bakterien, Kokken und anderes todbringendes Getier vermehrt.
Indische Gerwuerze
Heimlich sah ich in einen Spiegel, konnte jedoch keine Veränderungen feststellen. Weder war ich grün im Gesicht noch traten meine Augen glubschend aus den Höhlen. Nach einer eher unruhigen Nacht wachte ich erleichtert auf – ich hatte den abgelaufenen Saft überlebt.

Besser als produzierte Dinge haben es die Menschen. Sie verfallen nicht, sie zeigen nur Abnützungserscheinungen. In Gesicht, Körper und Geist. Der Verfall kommt eher fliessend. Während bei Esswaren etwas datummässig Verfallenes endgültig schlecht ist und weggeschmissen werden muss, können bei den Übergängen im menschlichen Bereich gewisse Abhilfen geschaffen oder zumindest Korrekturen angebracht werden.

Man denke nur an ästhetische Medizin, die florierende Pharmaindustrie oder all die Anti-Ageing-Angebote. Es ist heutzutage eine Tatsache, dass «Ältere» immer «jünger» werden – die bekannten demografischen Probleme will ich hier mal ausklammern. Gesucht wird nach jungen Mitarbeitenden oder solchen, die zumindest so wirken. Alt aussehen impliziert Unflexibilität, Vergangenheit, eben das Verfallsdatum überschritten habend. Und so wird sehr viel unternommen, um den strahlenden Anschien zu wahren. Am liebsten hat man Zwanzigjährige, die allerdings möglichst eine Berufserfahrung von Vierzigjährigen haben sollten. Juvenilität versus Senilität.

Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es einen neuen Beruf geben könnte: «Gesichtsentfalter für Bewerbungsgespräche.» Geeignet sind beispielsweise Botoxbehandlungen – die Falten werden einfach weggespritzt. Allerdings muss man sich über das Verfallsdatum dieser Substanz im Klaren sein. Sonst kann es passieren, dass mitten in einem wichtigen Gespräch die Wirkung nachlässt, die glatte Haut sich faltet und der eine Geschäftspartner plötzlich ganz alt aussieht.

Erschienen in HR Today

]]>
https://www.guylang.ch/?feed=rss2&p=863 0
Menschenverstand und Spaghetti-Zertifikat https://www.guylang.ch/?p=826 Tue, 06 Nov 2012 16:00:56 +0000 http://www.guylang.ch/?p=826 Beglückt kam ich vor einigen Tagen aus einem meiner seltenen Kinoabende. Der Film handelte von älteren Menschen in London, die aus irgendwelchen Gründen – Geldmangel, Erinnerungen an die Jugendzeit und ähnliches – ihr Leben verändern mussten. Da kam ihnen ein Prospekt, der eine luxuriöse Altersresidenz in einem prächtigen Palast von Jaipur anpreist, gerade recht. Wie sie ihr neues Leben im indischen Gewimmel einer Grossstadt angehen,

Strassengewimmel okmeistern oder einfach über sich ergehen lassen, ist ein Taumel an Farben, Menschlichkeit und Unerwartetem. Um die Geschichte zu geniessen, sind Indienkenntnisse nicht erforderlich, sie verstärken den Eindruck allerdings, weil Situationen, Begegnungen und Reaktionen gezeigt werden, die alle Indienreisenden so und ähnlich schon erlebt haben.

 

Vor Ofen

ElektrodraehteMir ist dabei aufgefallen, wie viel Kreativität und Flexibilität in unvorhergesehenen Umständen im eigenen Leben frei gesetzt werden und wie viele Lösungen es für Lebensentwürfe gibt. Und wie scheinbar gegensätzliche Kulturen und Gewohnheiten zusammen finden und sich gegenseitig befruchten können. Bei uns verspüre ich immer den Zwang, alles ganz genau zu planen und das Berufs-, Familien- und andere Leben in vorgegebenen Formen zu verbringen. Klappt etwas nicht ganz genau, kommt es zu Problemen, die meist schwer nachvollziehbar sind.

So kenne ich einen liebenswürdigen Menschen, der seine Leidenschaft, nämlich Menschen zu helfen, zu seinem Beruf gemacht hat. Er war äusserst erfolgreich, beliebt bei Schützlingen ebenso wie im Kollegenkreis und stieg selbstverständlich in der Hierarche auf. Eines Tages kündigte er. Seine Begründung: Sein Job bestehe aus Gründen der Zertifizierung jetzt zu 80 Prozent aus Büroarbeit, seine eigentliche Berufung, mit den Menschen zu arbeiten sei zur Marginalie verkommen. Sicher haben auch klare Regeln und Zertifizierungen einen berechtigten Sinn. Doch bei uns werden zwischenmenschliches Verhalten und ungewohnte Lösungen meist der Finanzierbarkeit und dem Gewinndenken der Aktionäre hintangestellt.

Dass Grosseltern einen Berechtigungsschein zur Enkelbetreuung brauchen, ist ja zum Glück vom Tisch. Doch ich warte auf den Tag, an dem ein findiger Beamter den Vorstoss macht, dass ich eine Koch-, Warenkunde- und Gesundheitsprüfung brauche, wenn ich meine Freunde einladen und bekochen will – im Volksmund bekannt als Spaghetti Zertifizierung.

Erschienen in HR Today

]]>
Halb statt doppelt https://www.guylang.ch/?p=686 Tue, 09 Oct 2012 11:08:04 +0000 http://www.guylang.ch/?p=686 Rasch noch ein Bier trinken vor dem Heimgehen, geschwind noch einen Blick in den «Blick am Abend», ohne Zeitverslust noch was Einkaufen, schleunigst was Essen, das Kino wartet nicht … uff! TulpenstraussSie kennen das sicherlich auch. Unser Leben ohne diese tägliche Eile ist kaum vorstellbar. Entziehen können wir uns dem Geschwindigkeitsrausch kaum. Überall in der Stadt grinsen uns Uhren an, überall sind wir dank I-Phon, Handy und Laptop jederzeit abrufbar – die Devise «time is money» ist in unserer kapitalistischen Welt voll präsent. Beim «Eben-schnell-mal-ein-bisschen-surfen. bin ich auf eine Meldung gestossen, die mich innehalten liess: «Walter Nater starb überraschend nach einer Herzoperation». Irgendwie kam mir der Name bekannt vor, schliesslich erinnerte ich mich. Ziemlich genau vor 17 Jahren habe ich ihn besucht und einen Artikel über ihn verfasst. Er war Drogist. Aber noch viel wichtiger, er war Musiker und war felsenfest davon überzeugt, dass die barocke und frühklassische Musik viel zu schnell gespielt wurde.

«Ein Taliban der Entschleunigung» hat ihn der «Berliner Tagesspiegel» einmal genannt. Denn für Nater – er hatte durch emsiges Forschen in Bibliotheken, Briefen von Mozart und weiteren Komponisten überzeugende Argumente für seine Thesen gefunden – war klar, dass er sich doppelt so viel Zeit für einen Ton , beispielsweise eine Viertelnote, nehmen musste als alle anderen. Üblicherweise stellt man ein Metronom nach den Tempoangaben des Komponisten ein und der Zeiger schlägt hin und her. Tick, Tack, Tick, Tack. Jeder Schlag steht für eine Note. Nicht so für den musikalischen Drogisten. Für ihn galt «Tick,Tack» als ein Schlag, also das Hin und das Her, das ergibt halbes Tempo.

Ich erinnerte mich an mein Interview mit ihm. Er legte mich auf eine Couch, stülpte mir Kopfhörer über und spielte mir eine «normale» Interpretation eines Werkes und dann seine Version vor. Es war verblüffend. Plötzlich überkam mich eine Ruhe, ich erlebte die «langsame» Musik im Einklang mit meinem Atem und dem Puls.  Aber eben, die angenehme Entschleunigung, die nicht nur für die Musik galt, war schnell wieder vergessen. Erst jetzt fiel sie mir wieder ein. Und ich realisierte, dass der seltsame Forscher schon damals voll im Trend lag: Slow Food, Slow Travel, Slow down etc. Jetzt schlürfe ich das Bier wieder langsam, lese die Zeitung ausführlich, geniesse das sorgsam ausgesuchte Essen und verzichte aufs Kino.
Erschienen in HR Today 2012

]]>
Das ideale Profil für den kreativen Geist des KKL Luzern https://www.guylang.ch/?p=589 https://www.guylang.ch/?p=589#respond Tue, 12 Jun 2012 11:41:58 +0000 http://www.guylang.ch/?p=589 Elisabeth Dalucas leitet seit 2003 erfolgreich das Kultur- und Kongresszentrum in Luzern. Die CEO sieht sich als Mittlerin zwischen Kultur und Wirtschaft auf hohem qualitativem Niveau. Für sie stehen der offene Umgang mit Menschen, hohe künstlerische Leistungen und die Zufriedenheit der Gäste im Mittelpunkt.

Elisabeth Dalucas

«Ich habe mich beworben und Glück gehabt», sagt Elisabeth Dalucas auf die Frage, wie sie zu dem Job in dem unvergleichlich ästhetischen Bau des französischen Architekten Jean Nouvel gekommen ist, und lacht. Dabei sei für ihr Interesse an der Direktion des KKL Luzern nicht primär das Gebäude ausschlaggebend gewesen, sondern die Möglichkeit, sich als Mittlerin zwischen Kultur und Wirtschaft zu engagieren. «Als neu- gieriger Mensch bin ich offen für alles, für künstlerische Belange ebenso wie für betriebs- wirtschaftliche.» Ihr Kulturbegriff ist entsprechend weit – Esskultur gehört ebenso dazu wie Musik, zwischenmenschliche Begegnungen ebenso wie Ausstellungen oder Design. «Insofern ist diese Stelle wirklich eine Traumaufgabe für mich», sagt Dalucas.
Für das KKL Luzern sind denn auch drei Säulen wichtig: Konzertveranstaltungen, Kongresse und das kulinarische Angebot. Ursprünglich war für die gastronomische Betreuung der Besucher ein Fremdcatering vorgesehen, ein Konzept, das sich aufgrund der anspruchsvollen Logistik als nicht geeignet erwiesen hat. Dalucas: «Wenn die Gäste vor oder nach einem hoch stehenden Konzert essen wollen, dann muss sich die Qualität ebenso verhalten wie bei der künstlerischen Darbietung.» Deshalb wurde seit ihrer Direktionszeit das Restaurant RED – RED steht für Purpurrot, Rotwein und Real Elegant Dining – konzipiert und neu eröffnet. Und neben dem «World Café», der «KKL Seebar und Waterfront» sowie brandneu der KKL Lounge steht den Gästen in der Konzertpause noch eine Ter- rassenbar mit Aussicht auf Vierwaldstättersee und Luzernpanorama zur Verfügung.

Das KKL Luzern verantwortet das Gesamtprogramm und tritt sowohl als Vermieterin wie auch als Veranstalterin auf. Als Vermieterin stellt die KKL Luzern Management AG die Infrastruktur für Kunden wie Lucerne Festival, Rose d’Or, internationale Corporates oder Kongressveranstalter zur Verfügung, die ihre Programme und Events organisieren – seien dies Vortrags-, Workshop- oder Banketträume. Aus Prestigegründen ist das KKL Luzern ein attraktiver und beliebter Veranstaltungsort.
Die Planung der eigenen Konzerte steht in der Verantwortung von Direktorin und Leiter Veranstaltungen, die sich auch mit Mitarbeiten- den beraten. «Wir haben Spezialisten, die fundierte Kenntnisse aus den unterschiedlichen musikalischen Sparten mitbringen. Ich persönlich kenne mich vor allem in der Klassik und im Jazz aus.» Hierbei ist die Oper, insbesondere das italienische Fach, ein Lieblingsgebiet der selbst- bewussten und sympathischen Frau. In «ihrem» eigenen Haus kann sie die Oper allerdings nur konzertant spiegeln. «Es gibt zwar einen Schnürboden, doch über einen eigentlichen Bühnenturm verfügt das KKL Luzern nicht.» Für ein Bühnenbild mit Kulissen wäre dies notwendig, ebenso wie Seiten- und Hinterbühnen. «Auch vom Platzangebot her ist das KKL Luzern klar ein Konzerthaus», erklärt Dalucas. Dasselbe gilt auch für Kongresse. Eine Messe mit Bedarf an reichlich Ausstellungsflächen ist im KKL Luzern nur bedingt möglich, dafür eignet sich das Haus besonders für wortlastige Veranstaltungen wie Generalversammlungen, Jubiläen oder für Produktlancierungen vor spektakulärer Kulisse.

Qualität, die der Qualität der Architektur des Nouvel-Baus entspricht, ist Voraussetzung für die Programmgestaltung. Unterdessen hat das KKL Luzern einen derart guten Ruf, dass sich sehr viele Künstlerinnen und Künstler melden, die in Luzern auftreten wollen. Elisabeth Dalucas freut sich: «Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir auswählen und ein hohes Niveau bieten können.» Für die eigene Programmgestaltung pflegt sie viele Netzwerke. So kann sie sich stets auf dem neuesten Stand halten, was das künstlerische Angebot betrifft. Zudem besucht sie in ganz Europa Veranstaltungen, Konzerte und Anlässe. Auch mit Partnerveranstaltern, Agenturen und kunstinteressierten Kreisen ist sie laufend in Kontakt.
Die Begegnung mit den Künstlern ist sehr bereichernd. Auch dort sieht sich die elegante Frau als Mittlerin – sie bildet die Brücke zwischen den Ansprüchen der Musiker, den Erwartungen des Publikums und den Lösungsvorschlägen der Mitarbeitenden. Zudem sucht sie nach Möglichkeiten, um den Forderungen eines Stars gerecht zu werden und ihn für einen Anlass im KKL Luzern zu engagieren.
Dass dies sehr anspruchsvoll sein kann, zeigt das Beispiel eines Musikers, der aus gesundheitlichen Gründen in einem Spezialbett schlafen muss und deshalb nach einem Konzert sofort nach Hause fliegen will. Wegen des Nachtflugverbots in der Schweiz ist das allerdings nur bis 23 Uhr möglich, was bei einem Konzertbeginn um 19.30 Uhr unrealistisch wird.

Die Stimmberechtigten der Stadt Luzern haben in fünf Abstimmungen gut 160 Millionen Franken bewilligt. Im Gegenzug hat die Stadt Luzern das Recht, die Lokalität an verschiedene Luzerner Vereinigungen zu stark vergünstigten Konditionen im Nutzungsrecht abzugeben. So finden – neben Veranstaltungen von Weltkonzernen wie Roche oder UBS – Konzerte der lokalen Blasmusiken oder Jodlerabende statt. «Auch dies gehört zur Vielfältigkeit des KKL-Betriebs», freut sich Elisabeth Dalucas sichtlich. Denn das offene Zugehen auf Menschen und ihre kulturellen Bedürfnisse bereichert das eigene Denken und schafft die einzigartige Atmosphäre des vielfältigen Ortes für kulturelle Begegnungen.

Diesen «KKL-Geist» verlangt die Chefin auch von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. 160 Vollzeitstellen verteilen sich auf 360 Personen. «Wichtig ist, dass die Leute Freude und Erfüllung in ihrer Arbeit haben, kreativ und positiv eingestellt sind.» Ehrlichkeit und die Anerkennung von Leistungen der Mitarbeitenden sind für Elisabeth Dalucas eine Grundvoraussetzung für ihren Führungsstil. «Als ich hier anfing, gab es je nach Bereich bis zu acht Hierarchiestufen. Jetzt haben wir nur noch vier. Wir pflegen einen klaren, direkten Dialog, die Türen sind grundsätzlich offen. Wir sind ein Dienstleistungsbetrieb und wollen auf die Wünsche unserer Kundinnen und Kunden eingehen, ohne unsere Ziele und Visionen zu vernachlässigen.» Dafür braucht es vor allem Professionalität, Engagement und die Sensibilität für das einmalige kulturelle und landschaftliche Umfeld, das für das Arbeitsklima prägend und unerlässlich ist und letztlich den Erfolg des KKL Luzern sichert.
Der Arbeitsbeginn im KKL Luzern ist wie in vielen künstlerischen Institutionen mit Abend- betrieb nicht so früh. «Zwischen 9 und 10 Uhr wacht das Haus auf und kommt auf Touren», sagt Elisabeth Dalucas. Der Tagesablauf der Direktorin verläuft wie in einem «normalen» Betrieb. E-Mail checken, Sitzungen und Termine ab- und einhalten, Budget- und Programmplanungen, Kunden- und Mitarbeitergespräche führen. «Und am Abend darf ich oft noch zur Krönung des Tages ein Konzert mit Gästen geniessen.»
Repräsentieren gehört nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen von Elisabeth Dalucas. «Es gehört zu meinem Job. Schlussendlich tue ich es für das KKL Luzern», meint sie. Auch daran, dass sie im Rampenlicht steht, hat sie sich gewöhnt: «Ich habe das Handwerk von Grund auf gelernt. Schon als Studentin arbeitete ich für den damaligen Bankverein als Mitarbeiterin im Marketing.»

Elisabeth Dalucas kommt aus einer künstlerischen Familie – ihr Vater ist Cellist, ihr Onkel war Verleger –, und so ist es verständlich, dass sie Kunstwissenschaften in Zürich, Berlin und Florenz studierte. Public Relations und strategisches Management sind weitere Interessensgebiete von ihr, so dass sie an der Universität St. Gallen HSG ein Nachdiplomstudium in Kommunikation und Management abgeschlossen hat. Ihre Tätigkeit als Kommunikationsbeauftragte bei der Universität und der ETH Zürich brachte es mit sich, dass sie selber auch journalistisch arbeitete. Dass ihr dies im späteren Berufsleben sehr dienlich war und ist, empfindet sie als Vorteil. «Ich habe eine Vorstellung davon, was Medienleute brauchen, und ich weiss ebenso, was ich vertreten will».
Wie erholt sich ein Mensch, der den ganzen Tag mit Kunst, Musik und Veranstaltungen zu tun hat, von der Kultur? «Mit Kultur. Ich lese gerne und liebe es, in Ausstellungen und in die Oper zu gehen. Jetzt habe ich es gerade geschafft, Karten für ‹Benvenuto Cellini› von Hector Berlioz an den Salzburger Festspielen zu erstehen.» Sie freut sich sehr auf diesen Abend, den sie mit ihrem Mann – er ist Architekt – und guten Freunden geniessen will. Auch Gäste bewirten hat für die vitale Baslerin einen grossen Erholungswert. «Das beginnt schon beim Gang über den Markt am Zürcher Bürkli- oder Helvetiaplatz. Ich mag es sehr, frische Produkte direkt vom Bauern einzukaufen», erzählt sie und strahlt, «und dann das ‹Rüeblirüsten›, Kochen und vor allem das gemeinsame Essen mit den Gästen und guten Gesprächen.»

Die Zukunftsvision für das KKL Luzern ist die noch stärkere Verankerung des Hauses im europäischen Kultur- und Kongressleben. «Ich denke, dass wir schon einen hohen Stellenwert erreicht haben. Doch wir arbeiten daran, das Haus noch stärker zu vernetzen und es als eines der ganz wichtigen kulturellen Zentren zu etablieren.» Mit ihrem Ehrgeiz und ihrer grossen Überzeugungskraft scheint diese Vision von Elisabeth Dalucas gar nicht so abwegig.
Guy A. Lang

Zur Person Elisabeth Dalucas
Die Baslerin hat Kunstwissenschaften und Philosophie studiert. Zudem absolvierte sie an der Universität St. Gallen HSG ein Nachdiplomstudium in Kommunikation und Management. Nach dem Studium betreute sie neben verschiedenen PR- und Marketingmandaten auch den Aufbau einer Kunstsammlung einer Privatbank. Von 1996 bis 1999 wirkte sie als Kommunikationsbeauftragte der ETH Zürich. 1999 wurde sie Direktorin des Museums zu Allerheiligen und Kulturbeauftragte der Stadt Schaffhausen, wo sie bis 2003 arbeitete. Seit März 2003 ist sie CEO der KKL Luzern Management AG sowie Geschäftsführerin der Trägerstiftung Kultur- und Kongresszentrum am See, Luzern. Elisabeth Dalucas lebt mit ihrem Mann in Zürich

Das KKL Luzern, Kultur- und Kongresszentrum
Das KKL Luzern wurde vom französischen Stararchitekten Jean Nouvel erbaut. Mit dem spektakulären Dach, das über den Vierwaldstättersee ragt, und dem akustisch wunderbaren Konzertsaal schuf Nouvel ein neues Wahrzeichen der Leuchtenstadt Luzern. Im August 1998 eröffneten die Berliner Philharmoniker unter Leitung von Claudio Abbado den Konzertsaal, 2000 wurden das gesamte Haus und das Kunstmuseum Luzern eingeweiht. Jährlich sind über 450 000 Menschen zu Gast im KKL Luzern. Beschäftigt sind 360 Mitarbeitende in Voll- und Teilzeit. 2006 betrug der erzielte Umsatz 23,6 Millionen CHF.

Auszug aus HR Today 4/2007

]]>
https://www.guylang.ch/?feed=rss2&p=589 0
Die fremden Nachbarn mit der ähnlichen Sprache https://www.guylang.ch/?p=579 https://www.guylang.ch/?p=579#respond Tue, 12 Jun 2012 11:20:09 +0000 http://www.guylang.ch/?p=579 Deutsche und Schweizer Landsleute treffen wegen der Personenfreizügigkeit hierzulande immer häufiger aufeinander – im Beruf und im Alltag. Dass die Verwandtschaft trotz kultureller und sprachlicher Ähnlichkeit doch nicht so eng ist, zeigt die heisse Diskussion, die zurzeit in vielen Schweizer Medien stattfindet.

2007 Deutsche und Schweizer

24 700 Deutsche sind im letzten Jahr (2006) in die Schweiz eingewandert. Das sind insgesamt 4340 mehr als im Vorjahr und 6600 mehr als 2004. Die meisten der im vergangenen Jahr in die Schweiz gezogenen Ausländer und Ausländerinnen haben einen deutschen Pass. Dies meldete die Schweizerische Depeschenagentur (sda) am 12. Februar 2007. «Von den knapp 25 000 neu eingewanderten Deutschen nahmen zwischen 16 000 und 17 000 eine Arbeitsstelle an», sagte Dominique Boillat, Sprecher des Bundesamts für Migration (BFM).
Seit der Inkraftsetzung des Abkommens zum freien Personenverkehr mit der EU per 1. Juni 2002 ist es für EU-Bürger kein Problem mehr, in der Schweiz Arbeit zu finden: im Handwerk, im Gastgewerbe, in Lehrerberufen sowie im Gesundheits- und Versicherungswesen. Besonders zahlreich sind die Deutschen mittlerweile auch in akademischen Kreisen zu finden. So sind knapp die Hälfte aller Dozenten an der Hochschule St. Gallen Deutsche, nämlich 250 von 513 Professoren. Und an der ETH Zürich stammen von 394 Professoren 104 aus dem nördlichen Nachbarland, an der Basler Universität 95 von 151.

In der Bundesverwaltung stammen 2006 von rund 36 000 beschäftigten Personen insgesamt 1739 Mitarbeitende aus der EU: 28 aus Österreich, 85 aus Frankreich, 348 aus Italien, 191 aus den übrigen EU-Staaten und 313 aus Deutschland. «In der Tat gehören die deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger zu jener ausländischen Bevölkerungsgruppe, die am stärksten zugenommen hat, insbesondere im mittleren und höheren Kaderbereich», antwortet Regula Rebecchi, Leiterin Ressort Kommunikation und Personalinformation beim Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) und dem Eidgenössischen Personalamt (EPA), auf Anfrage von HR Today. Die Zunahme seit 2001 beträgt 146 Personen respektive 87,4 Prozent.
In Spitälern sind die Deutschen ebenfalls präsent. Gabriella Urben, HR-Assistentin im Inselspital Bern: «Wir beschäftigen 8987 Menschen aus insgesamt 83 Nationen. 8,3 Prozent stammen aus Deutschland.» Sie erlebt die Deutschen als sehr angenehme Mitarbeitende und stellt keine antideutschen Ressentiments fest, weder seitens Personal noch seitens Patientinnen und Patienten. «Die Insel kann auf eine lange multikulturelle Tradition zurückblicken.»

Nicola Fielder, Leiterin Personal der Klinik Hirslanden in Zürich, sieht allerdings gewisse anti- deutsche Reflexe bei den Mitarbeitenden: «Wenn in der Führung viele Deutsche vertreten sind, kommt gerade bei den deutschen Mitarbeitenden die Angst auf, es würden in Zukunft deutsche Verhältnisse herrschen.» Obwohl verwandt in der Sprache, gibt es kulturelle Unterschiede. «Die Menschen aus Deutschland sind oft forscher, fordernder, aber auch sehr einsatzfreudig und arbeitsam», sagt Nicola Fielder. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Auswanderer, der seine Heimat und seine Wurzeln aufgibt, ein besonderer Menschenschlag sei.
Die Gründe für den Entscheid, die Koffer zu packen und in die Schweiz einzureisen, sind vielfältig. Längst nicht alle deutschen Emigranten sind arbeitslos. Gerade unter gut qualifizierten und hoch motivierten Menschen ist jedoch die Meinung weit verbreitet, dass es im Heimatland an beruflichen Perspektiven fehle. Die wirksamste Motivationsspritze für den Aufbruch ins «gelobte Land» ist aber die Aussicht auf das Geld, das sich im Ausland verdienen lässt.

Zwar nimmt das traditionell grosse Lohngefälle zwischen der Schweiz und Deutschland langsam ab – nicht zuletzt eine Folge der verstärkten Einwanderung ausländischer Arbeitnehmender in die Schweiz. Im Durchschnitt verdienten Angestellte in der Schweiz im vergangenen Jahr knapp 63 000 Franken, in Deutschland 58 500 Franken. In einzelnen Sparten sind die Unter- schiede jedoch nach wie vor eklatant. In medizinischen Berufen etwa erhalten Angestellte in der Schweiz durchschnittlich 37 Prozent mehr als in Deutschland, in der Verwaltung sind es 27 Prozent, in der Aus- und Weiterbildung gut 20 Prozent. Ein ordentlicher Professor wiederum verdient an der Uni Zürich zwischen 148 000 und 232 000 Franken, an deutschen Unis erhält er in derselben Position höchstens umgerechnet 95 000 Franken plus Zulagen. Was die Buchhaltungsspezialisten betrifft, so liegt deren Einkommen in Deutschland bei rund 77700 Franken, in der Schweiz jedoch bei 171 900 Franken. Das sind grosse Unterschiede, selbst wenn man berücksichtigt, dass in der Schweiz länger gearbeitet wird, weniger Ferien bezogen werden und die Lebenskosten generell höher sind.
Schweizerinnen und Schweizer werden allmählich gewahr, dass die hiesige multikulturelle Gesellschaft noch bunter geworden ist. Man spricht jetzt auch Deutsch auf den Baustellen, im Operationssaal oder am Schalter, und immer öfter erfolgen die Durchsagen auf den Bahnhöfen oder in Trams in kristallklarem Hoch- deutsch, was den Vorteil hat, dass auch unsereins die Mitteilungen jetzt versteht. Umgekehrt geben sich etliche Zuwanderer aus dem Norden redlich Mühe mit den «Schwiizertütsch» – speziell auf Deutsche zugeschnittene Dialektkurse boomen und sind meist ausgebucht.

Die grosse Mehrheit der deutschen Bürger, die sich hier niedergelassen hat, zeigt den Willen, sich einzuleben und übt sich nicht nur tapfer in der Phonetik, sondern auch im Beherrschen der Kommunikationsrituale, die sich – für viele Einwanderer überraschend – teilweise wesentlich von denjenigen in der Heimat unterscheiden. Diskret, höflich und sparsam: In der Öffentlichkeit wirken Deutsche hierzulande manchmal fast überangepasst. Allerdings sind sprachliche Differenzen nicht zu überhören. So kapierte eine Berlinerin den drohenden Unterton ihres Chefs beim Satz «Wir verstehen uns doch?» erst nach einem aufklärerischen Gespräch mit einer Kollegin. «Bei uns droht der Chef explizit», wunderte sie sich.
Etwas anders erleben manche Schweizer die Einwanderer im Berufsalltag, vor allem dann, wenn ausgeprägtes deutsches Selbstbewusstsein auf den notorischen Schweizer Minderwertigkeitskomplex trifft. Nicht selten punkten deutsche Bewerber mit Eloquenz, forschem Auftreten und formidablen Zertifikaten, können aber die in sie gesetzten Erwartungen danach nicht erfüllen. Augenscheinlich ist dies etwa in der hiesigen Kommunikationsbranche, wo in den vergangenen Jahren immer mal wieder Deutsche «eingekauft» wurden, die es in der eigenen Heimat kaum weit gebracht hätten. Ungern gesehen sind auch jene Berufskollegen aus dem Nachbarland, die bis zur Selbstausbeutung Dumping-Politik betreiben, indem sie etwa renommierten Schweizer Zeitungen das Angebot machen, die ersten paar Beiträge gratis zu liefern.

In der Schweiz dauert es nach einem Vortrag oft eine Weile, bis überhaupt Fragen gestellt werden. Man reisst hier nicht gleich den Arm hoch und stellt möglichst aggressive Fragen, wie das in Deutschland der Fall ist», erzählt Erik Petry, der aus Kassel stammt und zurzeit als Assistent am Institut für Jüdische Studien an der Uni Basel arbeitet. Dass es sich in der Schweiz bezüglich Streit- und Diskussionskultur etwas anders als in Deutschland verhält, sieht man auch eindrücklich bei den Unterschieden in der politischen Kultur – im Vergleich zu den geharnischten Diskussionen im deutschen wirken selbst die heftigsten Debatten im Schweizer Nationalrat geradezu zahm.
Solche Unterschiede zwischen Deutschen und Schweizern beschränken sich aber nicht nur auf die hohen Sphären der Politik und Universität, sondern zeigen sich in den meisten Lebensbereichen. Wohl alle Deutschen, die in die Schweiz gezogen sind, können deshalb von Erlebnissen mit gewissen Schweizer Eigenarten erzählen, über die sie sich gewundert und die – das ist wichtig – sie nicht erwartet haben; ein deutlicher Hinweis dafür, dass viele Deutsche die Schweiz von aussen nicht als ein Land mit einer eigenen Alltagskultur wahrnehmen.

Gerade im Bereich der Geschäftsmentalität zeigen sich Unterschiede deutlich. Christopher Steckel, Münchner und Anwalt bei der KPMG in Zürich, erlebt es als sehr positiv, dass überall die Suche nach Konsens im Vordergrund steht: «So gibt es bei Geschäftsverhandlungen weder reine Gewinner noch reine Verlierer. Am Ende können alle sagen: Das ist ein guter Deal.» Regula Besl, Zuständige für Deutschland bei der Standortmarketing-Organisation Greater Zurich Area AG, fasst es pointiert zusammen: «Die Schweizer sind weniger von einer Einzelkämpfermentalität geprägt.» Im Gegensatz zu Deutschland werde in der Schweiz Wert auf so genannte Coopetition gelegt, das heisst, es wird enger mit eigentlichen Wettbewerbsgegnern zusammengearbeitet als in Deutschland. Christopher Steckel schreibt dies der Kleinheit des Landes und der beschränkten Grösse des Arbeitsmarkts zu. «Hier zieht man einen Geschäftspartner nicht so rasch über den Tisch, weil man weiss, dass man ihn nicht nur einmal im Leben trifft, sondern zehnmal, vielleicht sogar jeden Tag an der Tramhaltestelle. Deshalb geht man miteinander vorsichtiger, respektvoller und nachhaltiger um.»
Da die meisten Deutschen, die für eine gewisse Zeit in der Schweiz leben, allen Ähnlichkeiten zum Trotz überrascht sind, wie unerwartet unterschiedlich die Alltagskultur sein kann, muss man davon ausgehen, dass sie anscheinend nur wenig über die Schweiz wissen. «Es besteht ein massives Informationsdefizit in Deutschland bezüglich der Schweiz», meint Erik Petry. «Die Schweiz ist ein sehr stereotyp besetztes Land, für das man sich im Normalfall nur interessiert, wenn man in den Urlaub fährt.» Das bestätigt auch Christopher Steckel: «Die Schweiz ist für die Deutschen, vor allem für die Kriegsgeneration, ein idealisierter Ort mit fast paradiesischem Charakter – friedlich, geordnet, sauber und diszipliniert. Wer noch keinen Kontakt mit Schweizern hatte, könnte meinen: Na ja, die sprechen ja auch Deutsch, das ist deshalb etwa so, wie wenn ich von Hamburg nach Oberbayern gehe.»

Die Einsicht, dass dem nicht so ist, kommt vor allem mit der Sprachbegegnung. Zum einen müssen sich die Deutschen an die vielen Helvetismen in der Schweizer Schriftsprache gewöhnen. So erstaunt es auch nicht, dass Jens Wiese, IT-Spezialist aus dem Ruhrgebiet, der in Bülach lebt und in Zürich arbeitet, in seinem Weblog (www.blogwiese.ch) den sprachlichen Irritationen viel Raum gibt. Der aus Düsseldorf stammende Kulturwissenschaftler Michael Kühntopf wurde durch seine Übersiedlung ins aargauische Widen sogar dazu inspiriert, ein Sach- und Sprachlexikon über die Schweiz zu schreiben. Welcher Deutsche ahnt beispielsweise, dass es sich bei Finken im Kindergarten nicht um Vögel, sondern um Hausschuhe handelt oder dass die Schweizer den Besen zum Wischen und nicht zum Fegen und Kehren brauchen?
Zum anderen ist das Bild des Schweizerdeutschen stark vom Komiker Emil Steinberger geprägt worden, der zwar mit extrem überhöhtem Akzent auftrat, aber ein durchaus verständliches Hochdeutsch sprach. Wenn die Deutschen aber mit den realen Dialekten konfrontiert wer- den, ist das Staunen gross. Werner Koller, zurzeit Germanistikprofessor an der Universität Bergen in Norwegen, schrieb in seiner sprachsoziologischen Untersuchung über die Deutschen in der Deutschschweiz: «Man macht immer wieder die Erfahrung, dass viele Deutsche (auch Sprachwissenschaftler!) nicht nur schlecht, sondern oft falsch über die Dialekt-Hochsprache-Situation der Deutschschweiz informiert sind.» So müssen viele Deutsche in der Schweiz lernen, dass der Dialekt hier eine andere Stellung geniesst als in Deutschland. Denn für die Deutschschweiz gilt: «Wir sind zweisprachig innerhalb derselben Sprache», wie es der Schriftsteller Hugo Loetscher in einem Artikel über das Verhältnis von Dialekt und Hochsprache in der Schweiz formulierte. Der Dialekt für den mündlichen Sprachgebrauch, das Hochdeutsche für das Schriftliche. Die deutsche Studentin Elisabeth Holdener, die zwei Semester an der Uni Bern studierte, schreibt: «Die Sprache ist, um es gleich zu sagen, die grösste Barriere für den Ausländer – der man hier ist! Man wird immer spüren, dass man nicht dazugehört. Denn Schweizerdeutsch ist kein Dialekt, sondern absolute Umgangs- und Alltagssprache.»

Viele Deutsche erleben es als neu, dass mit dem Dialektgebrauch in der Schweiz keine sozialen Abgrenzungen gemacht werden, wie das in Deutschland oder Österreich oft noch der Fall ist. Dafür dient der Dialekt in der Schweiz der «nationalen» Abgrenzung, denn Deutsche machen immer wieder die irritierende Erfahrung, dass der Dialekt von zentraler Bedeutung ist, um sich ihnen gegenüber abzugrenzen, egal aus welcher Region sie stammen oder welchen Beruf sie ausüben. So erzählt Erik Petry, dass er es zu Beginn seines Aufenthalts in der Schweiz erlebt habe, wie ein Berner seine Fragen an ihn eisern auf Berndeutsch wiederholte, obwohl er hätte merken müssen, dass das deutsche Gegenüber Mühe hatte, Berndeutsch zu verstehen.
Dass zurzeit eine Diskussion über die Deutschen in der Schweiz Wellen schlägt, kann Denise Sonderegger, Marketing Manager Rand- stad Schweiz, nicht verstehen: «Es gibt gute und schlechte Menschen überall. Ich kenne arrogante Schweizer ebenso wie andere. Das ist keine Frage der Nationalität.» Und für Michael Agoras, CEO Adecco Schweiz, ist die Diskussion aufgebauscht: «Seit dem Zweiten Weltkrieg macht das Zusammenspiel der Kulturen die Stärken der Schweiz aus. Das Thema ist eine gute Basis für hitzige Wortwechsel, die nichts bringen.»

Guy A. Lang

Auszug aus HR Today 3/2007

]]>
https://www.guylang.ch/?feed=rss2&p=579 0