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Vor dem Zelt kl

Kaum wird es im Zelt dunkel, pfeift, johlt und klatscht das Publikum, die Vorfreude auf die neuste Produktion «C’est Nous» ist enorm. Und dann beginnt die Aufführung. In der Manege wird Zeitung gelesen, Betten werden bezogen, der Tisch wird gedeckt, Besteck klappert, Gläser und Teller rumgereicht, Stühle bereitgestellt, aus einer Fastfood-Box Chinesisches gegessen. Alltag halt, der Alltag im Schöntal, der Alltag der Pipistrellis, die dort leben.

Auf der Rolle kl

Hochbegabte Truppe
Doch so ganz «normal» ist dieses Alltagsleben nicht. Denn rhythmisch raschelndes Zeitungspapier verdichtet sich zum swingenden Jazzsound, von einer Stehlampe, die bürgerliche Idylle verbreitet, löst sich der Schirm, schwebt zum Himmel und wird hoch oben zur Tanz- und Spielfläche für zwei Tänzerinnen, das Fixleintuch wird zur Verkleidung für zirzensisches Treiben.
Da wirbeln Teller, Besteck und Gläser durch die Luft, wird ein Tisch zu einer Bank umgebaut, auf der sich das ganze Ensemble hinfläzt. Was die Artistinnen und Artisten dieser hochpräzisen und technisch hochbegabten Truppe in die Finger kriegen, verwandelt sich zu einem Requisit für spielerische Akrobatik. Kissen formieren sich zu einem poetischen Tanz, ein Brett auf einer Rolle dient als beweglicher Untergrund für eine Jongliernummer. Und wenn mal etwas nicht klappt, wird es einfach wiederholt. Jede Möglichkeit wird ausgelotet, wie sich ein simpler, unspektakulärer Gegenstand – beispielsweise ein metallener Müllkübel – zu einem Partner für Kunststücke entpuppen kann. Da werden Flaschen nicht einfach auf den Tisch gestellt, nein, ein Künstler spaziert auf ihnen, stellt einen Stuhl auf sie und hockt sich auf diesen. Eine geniale Nummer.
Überhaupt erinnern einige Szenen an die frühen Anfänge des Cirque du Soleil, der in den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts am Zürcher Theaterspektakel gastiert hat.

Circolino Pipistrello kl

Vertrauen und Musikalität
Das Können der Mitspielerinnen und Mitspieler – zwischen Clownerie und Akrobatik – ist auf einem sehr hohen Niveau, die Spielfreude ansteckend, die Konzentration bewundernswert. Jede der 17 auftretenden Personen verkörpert mit einem unverwechselbaren Kostüm ihren ureigenen Charakter, der durch den Abend durchgezogen wird. Da gibt es etwa – um nur einige zufällig Ausgewählte zu nennen – den Träumer, der mit seinem Besen durch die Manege schwebt, die schrille Salsa-Tänzerin, der Schüchterne, der durch die Szene huscht oder die Melancholische, die alles mit einem todernsten Gesicht verrichtet. Ihr Zusammenspiel ist von grossem Vertrauen geprägt, klettern sie doch auf- und übereinander, lassen sich blind fallen, werden aufgefangen und wieder hoch geworfen.
Was wäre ein Zirkus ohne Musik? Selbstverständlich übernehmen die siebzehn Menschen verschiedene Instrumente und untermalen die Szenen musikalisch selber. Da wird geblasen, getrommelt, gezupft, gestrichen und gesungen, dass es eine Freude ist. Mal laut, mal zart, mal eintönig, mal mit vollem Orchester. Dafür verantwortlich zeichnen Marc Bänteli und Roman Naef, die ihre Truppe musikalisch im Griff haben. Als Ideengeber und Regieführende nennt das hübsche Programmheft Ursina Kappenberger und Baptiste Raffanel.
Doch «C’est Nous» ist nicht nur die Zirkusvorstellung. Dazu gehört auch die Szenerie rund um das Zelt – mit dem von Hand betriebenen Karussell, dem Duft aus der Garküche, den Gummibärlispiessen und den Hühnern, die zwischen den Wohnwagen picken. Und so gilt das grosse Lob für diesen hinreissenden und wunderbaren Abend dem Zusammenspiel aller, die das Publikum zu begeistern und die zauberhafte Atmosphäre immer wieder herbei zu zaubern wissen.

Erschienen in «Der Tößthaler», 7. April 2016

 

Bildstrecke

 

Muellkuebelnummer kl

Akrobatik kl

Huehner 2 kl

Ensemble bei Tisch kl

Stuhlberg kl

 

Diabolo kl

Am Tisch kl

Ensemble kl

Huehner kl

Stuhlberg kl

 

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White Russian, Kultfilm und cineastisches Vergnügen https://www.guylang.ch/?p=1581 https://www.guylang.ch/?p=1581#respond Tue, 08 Sep 2015 19:36:59 +0000 http://www.guylang.ch/?p=1581 Openair Kino im Schöntal – der Anlass hat Kultcharakter und findet bei jedem Wetter statt. Am Donnerstag eröffnete «The Big Lebowski» den Reigen, der heute Samstag mit «Luna Papa», einer Tragikomödie aus Russland zu Ende geht. Etwa 50 genossen am Donnerstag trotz gemischten Wetters den lauschigen Spätsommerabend.

Die Leinwand 2 kl

Die geschenkte Leinwand

Über dem Rahmen für die Kinoleinwand hockt eine rote Eule, sie scheint zu überwachen, was sich auf der Wiese im Schöntal, dem Winterquartier des Circolino Pipistrello, so alles abspielt. Und das ist einiges: Da spielt ein kleines Mädchen mit dem schwarzen Hund «Seli», trudeln Erwachsene ein, turteln Verliebte, plaudern Bekannte. Im Essenszelt werden Hackbraten, Sellerieschnitzel, Kartoffel- und Zucchini-Twister und Salat verkauft, in der Bar – an der Decke hängen Kronleuchter, die Tischchen sind mit gestickten Tischtüchern und kleinen Blumenvasen liebevoll geschmückt – Wein, Bier und Kaffee bestellt. Und selbstverständlich «White Russian», das Lieblingsgetränk der Hauptfigur «Dude» Lebowski, gemixt aus Wodka, Kaffeelikör, Milch und Rahm. Eine einmalige, friedliche und entspannte Atmosphäre.

Stimmung auf dem Platz kl

Stimmung

Geschenkte Leinwand
Der Himmel ist Wolken verhangen, es hat kurz geregnet, dann zeigt sich zaghaft die Sonne wieder. Ein Mädchen trocknet die Tische mit einem Fensterreiniger. «Wir sind wetterfest», sagt Manuel Lindt, «und so schlimm wie letztes Jahr kann es gar nicht werden». Da sei man knöcheltief im Wasser gestanden. Er ist Betreiber des «Wanderkinos» – unter anderem zeigte er Filme an den Winterthurer Musikfestwochen. Eben hat er eine Leinwand aus einem Kino in Pfäffikon erhalten, das geschlossen werden musste. «Sonst hätte man sie weggeschmissen». Sie ist sie riesig und mit kleinen Löchern perforiert, damit der Ton aus den Lautsprechern dahinter durchdringen kann. «Ich zeige Filme nur analog, sie sind zwar nicht so perfekt wie digitale, doch authentisch. Ich mag das», erklärt Lindt. Und weiter: «‹The Big Lebowski› ist 3179 m lang, hat 167’040 Bilder, die auf sechs Rollen gespult sind».
Auf dem Platz unter freiem Himmel, mit den Holzstühlen, Tischen, Bänken und den Zirkuswohnwagen, fühlt man sich nostalgisch an die Stimmung erinnert, wie man sie aus frühen Fellini-Filmen kennt. Damals, als Kino noch ein Ereignis war.

Bar kl

Bar mit White Russian

Pelerinen und Decken
Es gibt warme Decken und wärmende Getränke. Dann dunkelt es ein, die Vorführung kann beginnen. Die Komödie der Coen-Brüder um den Althippie Lebowski, der in den Strudel einer Entführung und einer Lösegeldzahlung von1’000’000 US-Dollar gerät, ist irrwitzig, charmant und amüsant. Die meisten im Publikum kennen den Kultfilm, schmunzeln und lachen. Etwa wenn die Schlägerbande ein bissiges Frettchen zum kiffenden Dude in die Badewanne schmeissen. Dass zwischendurch ein kurzer Regenguss Zuschauerinnen und Zuschauer «erfrischt», tut dem Genuss keinen Abbruch, schliesslich verteilen die Organisatoren sofort Pelerinen und in der Bar finden sich gedeckte Plätze.
Noch gibt es heute Abend Gelegenheit, einen einmaligen Filmabend zu erleben. Auf dem Programm steht «Luna Papa» mit Moritz Bleibtreu und einer fantasievollen, märchenhaften und abenteuerlichen Reise durch Usbekistan, Tadschikistan und Kirgisistan auf der Suche nach dem Vater.

 

Erschienen in «Der Tößthaler», 5.September 2015

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Schulhaus Risi – Wo scho s’Grosi de Chrüzlistich gleert hätt https://www.guylang.ch/?p=1569 https://www.guylang.ch/?p=1569#respond Thu, 03 Sep 2015 05:15:21 +0000 http://www.guylang.ch/?p=1569 Im Schulhaus Risi in Turbenthal haben seit 1915 rund 10’000 Kinder die Schulbank gedrückt – heutige Grossmütter, Onkels, Mütter, Väter, ihre Kinder, Enkelinnen, Urenkel. In dieser Zeit wurden nur Instandsetzungsarbeiten getätigt, jetzt benötigt das unter Denkmalschutz stehende Gebäude eine umfassende Sanierung. Am letzten Samstag wurden Pläne und Konzept vorgestellt.

In den hundert Jahren seit Bestehen der Schulanlage hat sich vieles verändert – Gesellschaft, Brandschutzvorschriften, Unterrichtsmethoden, technische Ausstattungen, Anforderungen an den Energiebedarf, Feuerwehrzufahrt, Gesetze über die Hindernisfreiheit in öffentlichen Gebäuden wie über Erdbebensicherheit und und und…

 

Risi

Schulhaus Risi

Investition in die Zukunft
Eine gründliche Abklärung der Bausubstanz und der heutigen Bedürfnisse ergab, dass die bauliche und architektonische Qualität immer noch ausgezeichnet ist. Dennoch, alleine für die absolut notwendigen Massnahmen müssen fünf Millionen Franken investiert werden. Dies, ohne irgendeinen Mehrwert zu gewinnen. Die Primarschulgemeinde hat deshalb nach sorgfältiger Planung einen Kredit von acht Millionen Franken beantragt, über den am 8. September 2015 in Turbenthal abgestimmt wird. Gewonnen werden 5 neue Klassen, drei Gruppenzimmer sowie Informatikanlagen. Und so wie sich in Turbenthal die momentane Bautätigkeit zeigt, werden die zusätzlichen Zimmer für neue Schülerinnen und Schüler dringend gebraucht. Sind doch infrastrukturelle Gegebenheiten ein wesentlicher Anreiz und eine wichtige Entscheidungsgrundlage für Neuzuzüger einen Wohnort auszuwählen. Zudem ist für die denkmalgeschützte Anlage Risi eine Umnutzung – etwa zu einem Hotel – schwerlich ausführbar.

Messgeräte

Messgeräte

Heizungskeller

Heizungskeller

Emotionale Verbundenheit mit dem Risi
Heinz Gurtner ist der Hausabwart. Bei seinem Stellenantritt – selbstverständlich hat auch er im Risi Rechnen, Lesen und Hobeln gelernt – übergab ihm in der Turnhalle sein Vorgänger die Verantwortung und meinte: «Heinz, nach 25 Jahren überreiche ich Dir die Schlüssel». «Und jetzt bin ich auch schon 27 Jahre hier», sagt Gurtner lächelnd. In dieser Zeit hat er viele Menschen kommen und gehen gesehen. Kinder, Lehrerinnen und Lehrer. Insgesamt dürften es etwa 80 bis 100 verschiedene Lehrkräfte gewesen sein, schätzt Schulleiter Kaspar Schüpbach. Darunter waren legendäre Personen, wie beispielsweise die Handarbeitslehrerin Fräulein Amalie Spengler, bei der die Schwiegermutter des Berichtenden sowie ihre drei Schwestern ebenso Flicken und Nähen gelernt haben, wie seine Ehefrau. Spricht man in Turbenthal mit jemandem über das Schulhaus Risi, treten Erinnerungen, Anekdoten und Geschehnisse zu Hauf an Tag. Alle fühlen sich emotional mit ihrer Primarschule verbunden.

Rege Freizeitnutzung
Das beginnt bei der Schönheit des Baus über die roten Sechseckplättli am Boden über die schwere Eingangstüre bis hin zu den besonderen Fensterformen und den Treppenstufen, über die man in letzter Sekunde ins Klassenzimmer flitzte. Dazu kommen zahllose Freizeitstunden, die mit dem eigenen Verein im Singsaal oder in der Turnhalle des Primarschulhauses Risi verbracht wurden: Seniorenturnen Männer, Seniorenturnen Frauen, Skiclub, Männerriege, FC Turbenthal, Kammerorchester, Kammerchor, Männerchor, Jugendmusikschule – die Aufzählung liesse sich sicher beliebig verlängern. Dass es eine solch rege Platzausnutzung auch zu gewissen Parkplatzproblemen führen kann, ist wahrscheinlich unvermeidlich. Doch müssen diese auf einer anderen Ebene gelöst werden.

Spezielle Fensterform

Spezielle Fensterform

Das Primarschulhaus Risi ist in Turbenthal eine Institution von enormer Tradition und Wichtigkeit. Und es ist zu wünschen, dass dies in Zukunft – in einer den Ansprüchen unserer Zeit angepassten Version – weiterhin der Fall sein wird.

Erschienen in «Der Tößthaler», 25. August 2015

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Pipistrello: Kubik – die akrobatisch-poetische Welt der Würfel https://www.guylang.ch/?p=1525 https://www.guylang.ch/?p=1525#respond Fri, 03 Apr 2015 12:34:18 +0000 http://www.guylang.ch/?p=1525 Ein ausverkauftes Zelt am Nachmittag, etwa 300 Personen am Abend – der Circolino Pipistrello lockt das Publikum mit dem neuen Programm «Kubik» in Scharen nach Schöntal. Am letzten Sonntag war die Saisonpremiere – um es vorwegzunehmen: ein Ensemble in Hochform, tosender Applaus, rundum beglückte Zuschauerinnen und Zuschauer.

Pipistrello und die Wuerfel

Pipistrello und die Wuerfel

Stellen Sie sich einen lauen Frühlingsabend vor, langsam dämmert es sanft, die Lichter von Karussell, Essensstand und Zelteingang entfalten ihre Leuchtkraft, kleine Mädchen mit Krönchen im Haar knabbern Gummibärchenspiesse, fröhliche Menschen sitzen an langen Holztischen, plaudern und stärken sich mit Wein, Bier, und Würsten, die Zirkusband Gypsolino Circolüner stimmt musikalisch ein und alle warten auf den Vorstellungsbeginn. Die Stimmung ist zauberhaft, friedlich und wunderbar.
Dem war leider am Premierentag nicht so: das Wetter zeigte sich garstig, der Wind blies unangenehm, der Regen trommelte aufs Zeltdach. Doch der Stimmung im Winterquartier von Pipistrello konnte das keinen Abbruch tun. Sie war – wie oben beschrieben – zauberhaft, friedlich und wunderbar.

Zwei Welten – Bunt gegen Grau
Fünf grosse Würfel – orange, gelb, blau, grün und rot – stehen in der Manege. Plötzlich bewegen sich die Wände, man sieht Finger, dann Arme und schliesslich krabbeln Figuren heraus. Sie scheinen direkt aus der Commedia dell’arte entsprungen. Da gibt es einen trotteligen Alten, der seine hübsche Tochter Louisa an ihrem Geburtstag vermählen will. Dafür wird ein grosses Fest organisiert, zu dem alle – ausser den Grauen – eingeladen sind. Denn die sind businessorientiert, cool, ihr Motto: «Zeit ist Geld», tanzen, lieben oder spielen sind Verschwendung. Doch ausgerechnet Louisa verliebt sich in einen Grauen. Der Konflikt zwischen den zwei Welten ist vorprogrammiert.

Die Grauen

Die Grauen

Die hohe Kunst der Körperbeherrschung
Diese Geschichten ist für die siebzehn Menschen der Truppe und ihre Regisseure Josua Goenaga und Manuel Schunter Anlass für einen artistisch hochstehenden, musikalisch animierenden und optisch hinreissenden Abend. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Da werden Jonglierkeulen zu Champagnerflaschen, Küchensiebe zu Insektenähnlichen Augen, Schirme zu Waffen, bunte Stofffetzen zu Zeiteinheiten. Mit beeindruckender Körperbeherrschung zeigten die Artistinnen und Artisten ihr anspruchsvolles Können. Und die Truppe hat sich gegenüber letztem Jahr gesteigert, man merkt, dass konzentriert und viel gearbeitet wurde. Sie wirkt kompakter, das Stück abstrakter und anspruchsvoller in der artistischen Leistung. Mit grossem Enthusiasmus und Präzision kommen die Tanznummern daher, es wird durcheinander gewuselt, mit Plastikröhren rhythmisch exakt musiziert. Und der grosse Kampf – Graue gegen Bunte – ist eine durchdachte und präszis ausgeführte Choreographie. Um zu wissen, was mit Würfeln aus Stahlrohren alles möglich ist, wie man sie betanzen, besteigen und bespielen kann, nur schon dafür lohnt ein Besuch der Aufführung.

Die Bunten und die Grauen machen Musik

Die Bunten und die Grauen machen Musik

Das Spiel mit Witz und Poesie
Überhaupt: alle Beteiligten spielen mehrere Instrumente, von Wagnertuben über Cello, Saxophon, Handharmonika zum Schlagzeug. Und es wird gesungen, was die Lunge hergibt. Die Begeisterung aus der Manege wirkt ansteckend auf das Publikum im Zelt. Es klatscht im Takt, Kinder kommentieren und geben den Spielenden Hinweise zum Geschehen im Hintergrund.
Selbstverständlich kommt die Poesie nicht zu kurz. Etwa wenn venezianisch anmutende, weiss gekleidete, mit Vogelmasken versehene Figuren auf Stelzen durch den Nebel staken. Faszinierend unheimlich wird es, wenn Feuerräder im Dunkeln wirbeln und lustig, wenn aus einem roten Würfel ein Kopf schaut und dieser rauf und runter geworfen wird. Oder wenn ein Würfel plötzlich Beine und einen Oberkörper erhält und weg marschiert.
Wie der Krieg zwischen Bunt und Grau zu einem guten Ende kommt, sollte man sich selber ansehen.
Jetzt tourt der Circolino Pipistrello durch die Schweiz und motiviert Jugendliche, Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen zum Mitmachen, Mitfreuen und Mitlachen. Der Start ist gelungen.

Erschienen in «Der Tößthaler», 2. April 2015

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Sargnagel Susi und das Testament https://www.guylang.ch/?p=1514 https://www.guylang.ch/?p=1514#respond Thu, 26 Mar 2015 09:46:34 +0000 http://www.guylang.ch/?p=1514 «Morde heute, erbe morgen» ist das Motto von Hans Gmürs Krimikomödie «Rabeneck». Am letzten Samstag präsentierte das Ensemble Pirg vor ausverkauftem Turnsaal im Schulhaus Schmidrüti die Premiere: ein begeisternder Abend mit bester Unterhaltung.

Das_Ensemble klein

Ensemble Pirg

Die Pirger Abendunterhaltung ist legendär. Zahlreich strömen die Gäste, um die einmalige Stimmung zu geniessen – aus der näheren Umgebung, dazu von weit her die Auswärtigen, aus dem St. Gallischen und dem Thurgau. Imposant ist auch die Zahl der Sponsoren: 43 Gönnerinnen und Gönner zeugen von Beliebtheit und Wichtigkeit des Anlasses. Und sie kommen alle auf ihre Kosten. Das beginnt bei den ausgezeichneten Älplermagronen mit Apfelmus über köstliche, selbstgemachte Torten und Kuchen, einer ausgesprochen reichhaltigen Tombola bis zum Tanz mit dem frisch aufspielenden Albin Hasler. Und selbstverständlich mit dem locker von der Leber weg gespielten Stück «Rabeneck».

Ein Testament inspiriert die Fantasie
Es ist spannend: im abgelegenen Hotel Rabeneck logiert der alternde, aber dank der Klatschillustrierten noch bekannte Hollywoodstar Hector Lorenz mit seiner blonden Begleitung Uschi Schnebeli. Mit Hilfe des Journalisten Bruno Hirzel will er seine Memoiren verfassen. Hoteldirektor Max Hügi und Barmaid Carmen verwöhnen ihren Gast. Abgestiegen ist auch Dr. Urs Castelberg, der statt einen Kongress zu besuchen lieber die Nähe von Carmen sucht. Da platzt Frl. Susanna Oberholzer in diese Einsamkeit, sie hat die Berühmtheit aufgespürt und sich ihm auf die Fersen geheftet. Die Nähschullehrerin schreibt Krimis und ist begeisterte Hobbydichterin. In Leserkreisen ist sie als «Sargnagel Susi, die Lehrerin mit der Leiche im Schrank» bekannt. Sie verfügt über eine glasklare, scharfe Logik und weiss, dass Hector Lorenz ein Testament hinterlässt, das Menschen äusserst grosszügig bedenkt, die ihm in den letzten Tagen vor dem Hinschied Liebes, Nettes zukommen liessen – und vor allem der Dame, die zuletzt sein Bett teilt. Dieses Wissen weckt in allen Anwesenden Begehrlichkeiten. Sie schmieden Pläne und Strategien, um ans winkende Vermögen zu kommen…

Publikum

Im Publikum

Hochmotiviertes Ensemble
Schüttelreime wie «Es war einmal ein braver Hai, frass statt Menschen Haferbrei», Situationskomik, überraschende Wendungen und eine liebevolle Sorgfalt zu Details – so prangt auf einem herumhängenden, echten «Blick» die auf das Stück bezogene Schlagzeile «Hector hinter der Kulisse» –, sorgen für zahlreiche Lacher im Publikum. Dazu das hochmotivierte Ensemble: Fredi Gadient als graumelierter Star, Yvonne Meier als hübsche, Männer verführende Blondine, Michi Lauener als geschniegelter Journalist, Silvano Lehmann als souveräner Hoteldirektor, Nicole Erne als spielfreudig überzeugende Carmen sowie Andri Furrer als zynischer Arzt auf Seitensprung. Und dann Conni Zängeler, die überlegene, intelligente und der Improvisation mächtige treibende Kraft Susanna Oberholzer. So unterbrach sie beispielsweise die Handlung, weil ein Subaru falsch parkiert war und stieg problemlos wieder in ihre Rolle ein.
Die gemeinsam geführte Regie war schlüssig, Sturmwinde rauschten gruselig vor dem Hotel, der Schluss des zweiten Aktes war professionell getimt: Dunkel, eine fallende Person, Vorhang, Licht im Saal, Pause, Spannung. Ein Aktschluss nach allen Regeln der Kunst.
Dass sich nach der Vorstellung die Darstellerinnen und Darsteller unters Publikum mischten, sich stärkten und plauderten, verstärkt den authentischen, sympathischen und familiären Charakter dieses einmaligen Theaterereignisses. Und dass ein Schneegestöber die Heimfahrenden überraschte, war wie ein weiterer Regieeinfall von diesem herzigen Geheimtipp.

Erschienen in «Der Tößthaler», 26. März 2015

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Buddenbrooks – Bestimmung und Pflichterfüllung https://www.guylang.ch/?p=1507 https://www.guylang.ch/?p=1507#respond Thu, 19 Feb 2015 12:24:46 +0000 http://www.guylang.ch/?p=1507 Contenance, Arbeit und Geschäftssinn – Maximen, denen Leben der Buddenbrooks untergeordnet war. Der Roman vom Aufstieg und Niedergang der Lübecker Kaufmannsfamilie brachte Thomas Mann den Literaturnobelpreis ein, die Bühnenadaption von John von Düffel dem Theater des Kantons Zürich im ausverkauften Eichhaldensaal starken Applaus.

© Toni Sutter / TT Fotografie

© Toni Sutter / TT Fotografie

Die dramatisierte Fassung konzentriert sich auf die letzten Mitglieder der Familie: Konsul und Konsulin Buddenbrooks, den Sohn Thomas, der mit ehrgeizigem Gespür für Karriere und Finanzen die Firma weiter führt, die Tochter Tony, anspruchsvoll und unglücklich in ihren Ehen, sowie den in den Augen der Familie missratenen Sohn Christian, der sich statt um Zahlen für Gefühle der Menschen interessiert. Die Auswahl erweist sich als dramaturgisch und theatralisch sehr glücklich, denn sie sorgt für einen spannenden Theaterabend ohne ausufernd zu werden.

Guter Ruf und gutes Geschäft
Kay Neumann hat diese Vorlage schlüssig und empathisch inszeniert, seine Regie lässt den Abend zu einem geglückten Ereignis werden. Er versetzt die Handlung in eine heutige Zeit und erreicht so aktuelle Bezüge zu den volatilen Zuständen der modernen Geschäftswelt. Das gutbürgerliche Konsulpaar verheiratet aus firmenpolitischen Gründen Tony, trotz deren Abneigung, mit dem Hamburger Geschäftsmann Grünlich. Als er sich als berechnender Mitgiftjäger entpuppt, ist der Konsul nicht mehr bereit ihn zu stützen und lässt ihn in Konkurs gehen. Der gute Ruf bleibt gewahrt, die Familie intakt, das Geschäft leidet kaum. Als Thomas die Familie als Oberhaupt führt, geht es bergab. Seine Frau lässt sich mit einem Offizier ein, die Mutter wird religiös und stiftet ihr Vermögen der Kirche und Christian ist als Geschäftsmann völlig untauglich. So schwinden langsam Ruf und Vermögen.

 

© Toni Sutter / TT Fotografie

© Toni Sutter / TT Fotografie

Spielfreudiges Ensemble
Neumann kann auf ein homogenes Ensemble aus acht Personen zurückgreifen die er präzise führt. Katharina von Bock und Stefan Lahr sind wunderbar vornehme Eltern, Miriam Wager spielt die verwöhnte Tochter äusserst wandelbar und lebendig. Sehr überzeugend Nicolas Batthyany als Thomas, während Gerrit Frers Christian manchmal etwas überzogen wirkt. Vera Brommer, Andreas Storm und Pit Arne Pietz erweisen sich als überaus wandelbar und charakterisieren diverse Personen – Dienstmädchen, Ehemänner, Ehefrau, Bankiers, Liebhaber etc. – genau und ansprechend. Einen besonderen Auftritt hat Stefan Lahr noch als Kind, er verkörpert seinen Enkel und Sohn von Thomas.
Monika Frenz hat einen Raum ersonnen, der schlicht und dennoch höchst praktikabel und einleuchtend ist: eine Spielfläche, auf der sich jeweils das aktuelle Geschehen abspielt Darum herum sind verschiedenartige Sitzgelegenheiten drapiert, wo sich die an der Szene nicht beteiligten Personen befinden. Ihre Präsenz vermittelt eine faszinierende Geschlossenheit, welche die Aufführung prägt.

Erschienen in «Der Tößthaler», 19. Februar 2015

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Der Poet mit dem Schalk https://www.guylang.ch/?p=1478 https://www.guylang.ch/?p=1478#respond Mon, 03 Nov 2014 20:20:43 +0000 http://www.guylang.ch/?p=1478 Pic – der Name steht für den Clown mit den Seifenblasen. Doch sein Spektrum viel grösser ist. Pic verzaubert in seinem Programm «Komische Knochen» – ebenfalls als Buch erschienen – mit leisen Tönen, poetisch-melancholischen Texten und wunderbarem Charme.

PIC © Janosch Hugi

PIC
© Janosch Hugi

Es ist ein stiller Abend, wer einen lauten, klamaukigen Clown mit grossen Schuhen und roter Nase erwartet hat, kommt nicht auf seine Rechnung. Es tritt ein schlaksiger, distinguierter Herr mit einer Brille in der Hand auf. Er plaudert, bis man feststellt, dass seine Brille fest an der Hand klebt. Die Qualität des Sekundenklebers, mit dem er den Bügle flicken wollte, sei wirklich ausgezeichnet, referiert er. Und schliesslich entfalle die lästige Brillensuche.
Mit dieser und weiteren, teils skurrilen, teils fast absurden, Geschichten gelingt es Pic Zuschauerinnen und Zuschauer zu bannen. Die Frage bleibt: ist er nun ein Clown, Poet, Pantomime oder scharf beobachteter Chronist menschlicher Eigenheiten?

Musik, Pantomime und Menschliches
Er spielt Saxofon, unter anderem ein Sopranino, das schrecklich schrill quietscht. Er stülpt sich verschiedene Masken über und zeigt stumm den dazugehörigen Charakter. Er schildert Erlebnisse aus seinem Zirkusleben bei Roncalli, sei es eine schmerzhafte Zahngeschichte oder ein verspieltes Rencontre mit den russischen Tänzerinnen in einem Thermalbad. Auch alltägliche Situationen kommen zur Sprache, welche ernsthafte menschliche Probleme aufdecken. Etwa ob es in einem Kiosk Platz für ein WC hat und wie die – meist – Kioskfrauen damit umgehen. Oder unter dem Titel «Präsidiale Worte», wie sich nicht genannte, aber erkennbare Politiker wortreich bei unangenehmen Fragen aus der Verantwortung mogeln.

Reimendes Publikum
Er singt kleine Lieder in denen sein Schalk aufblitzt, beispielsweise das vom Banker und dem Skelett, beide sind kokett. Oder vom Gartenhaus und dem Omelett, worauf sich adrett reimt. Und er lässt die Leute im Publikum mitsingen. Mehr noch: sie sind aufgefordert mit zu dichten. Pic singt den ersten Satz vor und erwartet im zweiten einen Beruf der sich darauf reimt. Er: «Du liebst Frau’n», aus dem Publikum: «Dann bist Du ein Clown».
Selbstverständlich kommt auch sein Markenzeichen, die Seifenblase zum Zug. Es ist faszinierend, sein Gesicht und seine Augen zu beobachten, wenn er verzückt den kleinsten Seifenblasen der Welt nach schaut. Ein charmanter, stiller Abend.

Erschienen in «Der Tößthaler», 1. November 2014

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Textiler im Tösstal I – Jacques und Hans-Felix Jucker https://www.guylang.ch/?p=1404 https://www.guylang.ch/?p=1404#respond Sun, 17 Aug 2014 14:40:20 +0000 http://www.guylang.ch/?p=1404 Im Themenschwerpunkt von SRF «anno 1914» steht der Alltag einer Fabrikantenfamilie und der Arbeiter in einer Weberei aus der Zeit. Die Textilindustrie war für das Tösstal ausserordentlich wichtig, viele haben selbst in einer Fabrik gearbeitet oder erinnern sich noch sehr gut daran. Um einen Bogen zur späteren Zeit zu schlagen, porträtiert «Der Tößthaler» in vier Folgen Persönlichkeiten aus späteren Generationen, die in der Textilindustrie heimisch waren als Zeitzeugen – Fabrikbesitzer, Textilmechaniker, Spinnereimeister und Weberin.

Die Fabrikbesitzer der letzten Generation

Jacques (* 1936) und Hans-Felix Jucker (*1940) übernahmen die Weberei, die in der TV-Serie «anno 1914» als Schauplatz dient, 1963 in der vierten und letzten aktiven Weberei-Generation. Rechtzeitig vor dem grossen Webereisterben mussten sie den Betrieb 1988 schliessen. Im Gespräch erzählen sie lebhaft von ihrem Alltag, ihren Freuden und Problemen als Patrons.

Jacques–und Hans_Felix_Jucker

© Guy Lang

Gründer der Weberei Grünthal war Johann Felix Jucker (1822 bis 1887), seine Söhne Johann Jakob (1849 bis 1917) und Heinrich (1854 bis 1892) folgten ihm. Dann kam Jacques (1893 bis 1963), der Vater unserer Protagonisten. Sie alle führten das Unternehmen durch das Auf und Ab der Zeiten. Jacques und Hans-Felix sind im Stammhaus, der Fabrikantenvilla aufgewachsen. «Wir gingen ganz normal in Bauma in die Primarschule», sagt Jacques Jucker, «unsere Kollegen waren die Kinder von Fabrikarbeitern. Sie kamen zu uns nach Hause und wir zu ihnen», Und Bruder Hans-Felix ergänzt: «Wir waren nie abgehoben, die soziale Durchmischung hat uns gut getan.» Nach der Ausbildung – Jacques mit dem Wirtschafts-Lizenziat in St. Gallen, Hans-Felix am Textil-Technikum in Reutlingen (D) sowie einem Amerikajahr – führten sie nach dem Tod ihres Vaters 1963 gemeinsam das Unternehmen. Der Ältere war für die Finanzen, der Jüngere für das Technische zuständig. Und die Kunden teilten sie sich auf.

Spezialität: Plisséegewebe
Das reizvolle an der Aufgabe eine Weberei zu führen, sind die Verantwortung für Mitarbeitende und das Unternehmen, die Selbständigkeit sowie die Freude schöne und immer wieder neue Produkte herzustellen. Hauptsächlich waren das gemusterte Dekostoffe, Stoffe für Damen- und Herrenoberbekleidung und vor allem Plisséegewebe, die für Smokinghemden und ähnliches verwendet wurden. Dabei werden die Fältchen eingewoben und nicht eingebügelt. «Wie waren eine Rohweberei, unsere Stoffe direkt ab Webstuhl waren nicht fertig». Die Kunden – so genannte Manipulanten, weil sie die Stoffe verändert haben – kauften das Gewebe und veredelten es durch Färben, Bedrucken oder andere «Manipulationen». «So fanden unsere Artikel indirekt den Weg in die ganze Welt», erzählt Hans-Felix Jucker stolz. In den 1980-Jahren hatten Saris Hochkonjunktur. «Ein Höhepunkt», erinnert Jacques Jucker, «war die Bestellung von zweimal 16’000 Meter teuren Fantasiegeweben kurz vor den Sommerferien». Das Minimum waren 600 Meter, meist wurden 1200 oder 1400 Meter geordert. Jucker: «Wir haben alle Materialien verarbeitet, Baumwolle, Flachs, Leinen, Kunstfasern. Alles ausser Seide». Eingekauft wurde direkt bei den Spinnereien oder mit grösseren Garnkontrakten bei Händlern, je nach Marktlage.

Investitionen in neuere Technologie
Als die Juckers den Betrieb übernahmen, war alles veraltet und sie mussten eigentlich alles erneuern. Hans-Felix Jucker: «Nicht nur die Webmaschinen, auch die Vorbereitungsstufen das Vor- und Spulwerk, die Schlichterei – dort werden die Fäden durch einen Leim gezogen, um sie für den Webvorgang zu stärken – und die Tuchschauerei». So haben sie laufend in verbesserte Technologien investiert. Doch irgendwann wurden sie für die Maschinenhersteller uninteressant, weil das Unternehmen zu klein war.
Um 1900 beschäftigte die Weberei Grünthal noch über 200 Mitarbeitende, 1968 waren es noch 125 und 1984 60 Personen. Schon 1867 wurde die betriebseigene Krankenkasse eingeführt und 1918 eine Personalfürsorgestiftung mit einem Kapital von 150’000 Franken. Die Mietzinse in den Wohnungen und Kosthäusern waren günstig, Wasser und eigener Strom aus der Töss wurde zu kleinen Tarifen zur Verfügung gestellt.

Zusammenbruch einer Industrie
Die Textilindustrie in der ganzen Schweiz begann zu bröckeln, im Ausland wurde billiger produziert, die vielen Fabriken waren zu klein, um zu überleben. 1988 haben die Brüder Jucker den Betrieb geschlossen, nachdem sie Know-how und Maschinen verkaufen konnten. Und – «Wir haben noch alle unsere Leute untergebracht». Emotional habe das sehr geschmerzt, rational sei es gut gewesen. Sie führten noch den Handel mit Breitgewebe zum Bespannen von Wänden und Decken weiter, doch «das Herzblut war weg». Hans-Felix Jucker hat die Geschichte ihrer Weberei in zwei Bänden dokumentiert.
SRF realisierte das Projekt in Juckern, weil die Örtlichkeit ideal war: auf kleinstem Raum finden sich Fabrikantenvilla, Fabrik, Kosthäuser und Wirtschaft. Zudem konnten sie von den zahlreichen dokumentierten Details profitieren. Jetzt sind die Juckers auf die Sendungen gespannt, schliesslich wird ein Zeitabschnitt dargestellt, der ihre Vorfahren direkt betrifft. Allerdings gehrt es nicht im ihr Werk sondern allgemein um den Zustand um 1914. Jucker: «Es war nicht alles gut, aber auch nicht alles schlecht».

Literatur
Hans-Felix Jucker: «Das Rad der Zeit» – Die Geschichte der Weberei Grünthal.
Preise: Band I Fr. 24.00; Band II Fr. 38.50; I & II zusammen Fr. 48.00; exkl. Porto und Verpackung.
Zu beziehen beim Autor. hfjucker@ggaweb.ch

Erschienen in «Der Tößthaler», August 2014

 

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Textiler im Tösstal II – Hans Ineichen, Textilmechaniker https://www.guylang.ch/?p=1409 https://www.guylang.ch/?p=1409#respond Sun, 17 Aug 2014 14:30:28 +0000 http://www.guylang.ch/?p=1409 Das Gelernte vergisst man nie

1976 machte Hans Ineichen (*1958) bei der Firma Boller Winkler in Turbenthal seine Lehre als Textilmechaniker. 2014 ist er als Weber bei TV-Serie «anno 1914» dabei. Die Rückkehr in seinen alten Beruf – heute hat er die Webmaschinen mit Bäckereimaschinen ausgetauscht – hat ihm grossen Spass bereitet.

Hans Ineichen

© Guy Lang

«Einmal Textiler, immer Textiler», Hans Ineichen lacht, «kaum sah ich beim Casting meinen alten Lehrmeister Hiestand in der Fabrikhalle, schlugen wir mit Fachausdrücken um uns. Die TV-Crew verstand nur noch Bahnhof». Oberschläger, Unterschläger, Zettel, Schlichterei, Nissen – Fadenverdickungen bei der Leine – und was der Ausdrücke mehr sind.
«Bewerbungen für eine Lehrstelle schrieb man damals noch keine», sagt Ineichen, «Man ist hingegangen, hat gefragt, musste einen kleinen Test machen und hatte die Lehrstelle». Die Lehre ist in etwa die gleiche wie als Maschinenmechaniker. Ineichen: «Zuerst wird ein halbes Jahr gefeilt, gebohrt und Bohrer geschliffen». Später spezialisiert man sich auf die Weberei, Stickerei Zwirnerei oder Spinnerei. Nach drei Jahren beherrscht man alles. Vom Faden zum Zettel machen – Zettel ist übrigens der grosse Knäuel mit dem Faden –, von Schlichten – das Stärken des Fadens mit Kartoffelstärke, damit er beim Weben nicht sofort reisst – zum Anweben. Damals standen bei der Firma Boller Winkler etwa 200 Maschinen, um die sich neun Mechaniker gekümmert haben.

Der Schlag auf den Dorn
Wegen der Abnutzung musste viel geflickt werden: Gussteile brachen, die Schiffchen gingen kaputt, Lederriemen rissen. Einmal brach eine Welle, auf der ein grosses Schwungrad lief. Um sie zu reparieren musste das Schwungrad runtergenommen werden. Die war nur möglich, wenn man mit einem dicken Dorn dagegen schlägt. Hans Ineichen erinnert sich: « Ich musste den schweren Dorn mit beiden Händen halten. Der Werkstattchef holte mit einem 10 kg-Schlegel bedrohlich über die Schulter aus und donnerte den Hammer auf den Dorn.» Er sei erschrocken, das Rad war unten und seine Hände ganz. «Das war mein eindrücklichstes Erlebnis». Und sein grösster Flop? «Ich musste die Schlichterei laufen lassen, es war aber zu wenig heiss. So ist die Flüssigkeit nicht genügend getrocknet». Die Folge: Als gewoben werden sollte klebte der ganze Zettel zusammen und musste entsorgt werden.

Die Kunst Bilder zu weben
Ineichen hat auch gelernt, wie man Lochkarten herstellt, um beispielsweise besondere Muster in die Frottéewäsche einzuweben. Dabei wird jeder Faden einzeln gesteuert. Im Schaft, in dem Teil des Webstuhls, der rauf und runter fährt, sind Litzen, wo die Fäden durchgehen. Wenn beispielsweise 2000 verschiedene Fäden gebraucht werden, verteilt es sich auf vier Schafte mit je 500 Litzen. Jede hat unten einen Gummizug und oben eine dünne Schnur, die zur Schaftmaschine geht. Von dort kommt per Lochkarte der Befehl, welcher Faden gezogen werden muss. Komplizierter ist das Jacquardweben mit ganzen Bildern. Zunächst überträgt ein Spezialist die Zeichnung auf ein kariertes Papier. Dabei erhält jeder Faden ein Karo. Werden 10’000 Fäden benötigt, hat das Papier auch 10’000 Karos. Mittels einer Schreibmaschine wird dieser «Fadenplan» auf eine Lochkarte übertragen. Dabei kann es sein, dass diese 40 bis 50 Meter lang wird.

Miserabler Verdienst und lange Arbeitszeiten
Für «anno 1914» allerdings musste sich Hans Ineichen wieder an alte, nicht automatische Webstühle gewöhnen. Während er bei Boller Winkler 20 Maschinen gleichzeitig bedienen konnte, waren es hier nur zwei. «Kaum waren wir in den am Arbeitsort, stürzte der volle Druck auf uns». Und sie haben gewoben «was gisch, was häsch».
Am Mittag hatten sie richtig Hunger. Schliesslich waren sie seit 06.30 am arbeiten. Das Essen war wie damals: vor allem dicke Suppen. Und Kartoffeln, Rüebli, Lauch, einfach alles was der Garten hergab. Fleisch war äusserst rar, wenn sie Glück hatten, war etwas Speck in der Suppe. «Einmal gab es Kuheuter, das fand ich allerdings schrecklich», so Ineichen.
Er habe allerdings das Glück gehabt, am Abend nach Feierabend wieder nach Hause zu dürfen und sich unter einer eine erfrischende Dusche zu erholen. Die Leute haben allerdings komisch geschaut, wenn er an der Tankstelle in Turbenthal in seinen alten Kleidern ein Päckchen Zigaretten einkaufte.
Und Ineichens Fazit? «Es war früher strenger, längere Arbeitszeiten, auch am Samstag war ich in der Fabrik. Und der Verdienst war miserabel». Den gab es im Papiersäcklein, 34 Rappen pro Stunden. Aber insgesamt: «Die Filmerei war lässig. Und das Spannende war, dass wir nach einem Tag wieder voll Textiler waren». Obwohl er seit rund dreissig Jahren nichts mehr mit der Weberei zu tun hat.

Erschienen in «Der Tößthaler», August 2014

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Textiler im Tösstal III – Anna Colazilli-Di Meco, Textilassistentin https://www.guylang.ch/?p=1412 https://www.guylang.ch/?p=1412#respond Sun, 17 Aug 2014 14:00:30 +0000 http://www.guylang.ch/?p=1412 Von der Faser zum fertigen Anzug

Geboren wurde Anna Colazilli-Di Meco in Pescara in der Region der italienischen Abruzzen. Aufgewachsen ist sie in Turbenthal bei ihren Eltern, die bei Boller Winkler gearbeitet haben. Anna besuchte hier die Schule, danach absolvierte sie eine dreijährige Lehre zur Textilassistentin und hat 29 Jahre für Boller Winkler gearbeitet.Anna Colazilli klein

«Turbenthal ist für mich ein zu Hause, ich bin mit fünf hierhergekommen und mit 46 wieder ausgewandert», erzählt Anna Colazilli am Telefon. Und sie betont «ausgewandert», denn es zieht sie immer wieder für einen Besuch zurück. Schliesslich hat sie hier viel erlebt – ihre Kindheit, ihre Jugend, ihre Lehrzeit, ihre Familie. Ihre Eltern haben in der Weberei gearbeitet und die junge Anna war fasziniert von Textilien, der Herstellung und Verarbeitung. So kam nur eine Lehre als Textilassistentin in Frage. «Ich habe alles gelernt, was es braucht um den rohen Stoff herzustellen». Dazu gehört Weben genauso wie das Treffen aller Vorbereitungen. «Es ist spannend zu sehen, dass vorne Baumwolle eingespannt wird und am Schluss der fertige Stoff herauskommt, woraus man herstellen kann, was man will». Anna hat sich stets darüber gefreut, mitzuarbeiten, etwas Schönes herzustellen. Beispielsweise hat die Firma für Asien unter anderem Saris hergestellt. «Ich habe die kunterbunten Sachen gesehen, welche für die Schweiz doch sehr ungewohnt waren. Und ich habe mir immer vorgestellt, wie die dunklen Frauen darin aussehen», erinnert sich Anna Colazilli. Ein reizvoller Gedanke war für sie auch, dass fremde Menschen das berühren, was sie produziert hat.

Karriere im Betrieb
Anna Colazilli hat sich hochgearbeitet und die verschiedensten Aufgaben übernommen – von der Lohnbuchhaltung bis zum Garneinkauf. Nebenbei hat sie sich dafür eingesetzt, dass bei privaten Familienfesten – Hochzeiten oder Taufen – eine kleine Aufmerksamkeit vom Betrieb kam. «Hatte jemand ein Anliegen das die Belegschaft betraf, wurde es geprüft und meistens von der Geschäftsführung befürwortet», erinnert sich die fröhliche und immer positiv eingestellte Frau.
Ihre unangenehmste Arbeit seien Reklamationsbearbeitungen von Kunden gewesen. «Ich weiss ja, der Kunde hat immer Recht. Aber wenn die wegen einer Farbe, die eine Nuance heller oder dunkler war, ein Drama gemacht haben, hat das schon genervt». Denn später im Laden hätten die Verkäuferinnen diese minimalen Fehler gar nicht gesehen. «Aber es gab Kunden, die wollten halt das Meiste herausholen. Und wir haben verloren. Entweder Geld oder den Kunden, wenn wir ihm sagten, er liege falsch». Schwierig war auch, wenn sie Kolleginnen oder Kollegen auf Fehler hinweisen musste. Anne konnte jedoch gut mit allen zusammen arbeiten. «Es gab zwar immer zwei oder drei, die neidisch auf meinen Aufstieg waren. Aber ich sagte mir, ich lebe für mich und meine Familie, die sollen doch schwatzen was sie wollen».

Familie, Italien und Modebranche
Ihren Mann hat Anna Colazilli in Pescara während der Ferien kennengelernt. Nach etwa zwei Jahren zog er zu ihr nach Turbenthal, zwei Töchter kamen im Spital in Winterthur zur Welt, die Familie war vollständig. Alles unter einen Hut zu bringen war für die lebhafte Frau kein Problem: «Ich hatte meine Mutter als Hilfe,  die Kinder mussten also nicht in die betriebseigene Kinderkrippe». Während sie sich als Schweizerin fühlte, war das bei ihren Eltern noch nicht der Fall. Das zeigte sich beispielsweise bei italienischen Lebensmitteln. Solche waren in Turbenthal damals nicht erhältlich, allerdings gab es in der Stadt die ersten italienischen «Lädeli» mit importierten Waren. Doch ihr Vater wollte Öl, Wein und andere Sachen immer aus Italien mitnehmen, ihre Mutter hingegen war dafür, die Sachen hier einzukaufen. «Das war stets eine Streiterei. Meine Mami war eine untypische Italienerin, mein Papi ein typischer Italiener».

Auswandern in die Heimat
Annas Töchter fanden ihre Liebe in Italien und leben in Pescara. Irgendwann wünschten sie sich die Mutter wieder in ihrer Nähe. «Wenn Du mir einen Job besorgst, komme ich nach», war Annas Forderung. Als ein Kollege ihres Schwiegersohnes jemanden für die Buchhaltung suchte, hatte sie ihren Job und «wanderte aus».
Heute arbeitet Anna Colazilli wieder in der Modebranche. «Wir verkaufen Mode von Versace und Ferrero». Der Kreis hat sich geschlossen – mit der Faser hat sie ihr Berufsleben begonnen, mit den fertigen Produkten ist sie heute beschäftigt.

Erschienen in «Der Tößthaler», August 2014

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