Pipistrello: Kubik – die akrobatisch-poetische Welt der Würfel

guylang —  3. April 2015 — Kommentiere

Ein ausverkauftes Zelt am Nachmittag, etwa 300 Personen am Abend – der Circolino Pipistrello lockt das Publikum mit dem neuen Programm «Kubik» in Scharen nach Schöntal. Am letzten Sonntag war die Saisonpremiere – um es vorwegzunehmen: ein Ensemble in Hochform, tosender Applaus, rundum beglückte Zuschauerinnen und Zuschauer.

Pipistrello und die Wuerfel

Pipistrello und die Wuerfel

Stellen Sie sich einen lauen Frühlingsabend vor, langsam dämmert es sanft, die Lichter von Karussell, Essensstand und Zelteingang entfalten ihre Leuchtkraft, kleine Mädchen mit Krönchen im Haar knabbern Gummibärchenspiesse, fröhliche Menschen sitzen an langen Holztischen, plaudern und stärken sich mit Wein, Bier, und Würsten, die Zirkusband Gypsolino Circolüner stimmt musikalisch ein und alle warten auf den Vorstellungsbeginn. Die Stimmung ist zauberhaft, friedlich und wunderbar.
Dem war leider am Premierentag nicht so: das Wetter zeigte sich garstig, der Wind blies unangenehm, der Regen trommelte aufs Zeltdach. Doch der Stimmung im Winterquartier von Pipistrello konnte das keinen Abbruch tun. Sie war – wie oben beschrieben – zauberhaft, friedlich und wunderbar.

Zwei Welten – Bunt gegen Grau
Fünf grosse Würfel – orange, gelb, blau, grün und rot – stehen in der Manege. Plötzlich bewegen sich die Wände, man sieht Finger, dann Arme und schliesslich krabbeln Figuren heraus. Sie scheinen direkt aus der Commedia dell’arte entsprungen. Da gibt es einen trotteligen Alten, der seine hübsche Tochter Louisa an ihrem Geburtstag vermählen will. Dafür wird ein grosses Fest organisiert, zu dem alle – ausser den Grauen – eingeladen sind. Denn die sind businessorientiert, cool, ihr Motto: «Zeit ist Geld», tanzen, lieben oder spielen sind Verschwendung. Doch ausgerechnet Louisa verliebt sich in einen Grauen. Der Konflikt zwischen den zwei Welten ist vorprogrammiert.

Die Grauen

Die Grauen

Die hohe Kunst der Körperbeherrschung
Diese Geschichten ist für die siebzehn Menschen der Truppe und ihre Regisseure Josua Goenaga und Manuel Schunter Anlass für einen artistisch hochstehenden, musikalisch animierenden und optisch hinreissenden Abend. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Da werden Jonglierkeulen zu Champagnerflaschen, Küchensiebe zu Insektenähnlichen Augen, Schirme zu Waffen, bunte Stofffetzen zu Zeiteinheiten. Mit beeindruckender Körperbeherrschung zeigten die Artistinnen und Artisten ihr anspruchsvolles Können. Und die Truppe hat sich gegenüber letztem Jahr gesteigert, man merkt, dass konzentriert und viel gearbeitet wurde. Sie wirkt kompakter, das Stück abstrakter und anspruchsvoller in der artistischen Leistung. Mit grossem Enthusiasmus und Präzision kommen die Tanznummern daher, es wird durcheinander gewuselt, mit Plastikröhren rhythmisch exakt musiziert. Und der grosse Kampf – Graue gegen Bunte – ist eine durchdachte und präszis ausgeführte Choreographie. Um zu wissen, was mit Würfeln aus Stahlrohren alles möglich ist, wie man sie betanzen, besteigen und bespielen kann, nur schon dafür lohnt ein Besuch der Aufführung.

Die Bunten und die Grauen machen Musik

Die Bunten und die Grauen machen Musik

Das Spiel mit Witz und Poesie
Überhaupt: alle Beteiligten spielen mehrere Instrumente, von Wagnertuben über Cello, Saxophon, Handharmonika zum Schlagzeug. Und es wird gesungen, was die Lunge hergibt. Die Begeisterung aus der Manege wirkt ansteckend auf das Publikum im Zelt. Es klatscht im Takt, Kinder kommentieren und geben den Spielenden Hinweise zum Geschehen im Hintergrund.
Selbstverständlich kommt die Poesie nicht zu kurz. Etwa wenn venezianisch anmutende, weiss gekleidete, mit Vogelmasken versehene Figuren auf Stelzen durch den Nebel staken. Faszinierend unheimlich wird es, wenn Feuerräder im Dunkeln wirbeln und lustig, wenn aus einem roten Würfel ein Kopf schaut und dieser rauf und runter geworfen wird. Oder wenn ein Würfel plötzlich Beine und einen Oberkörper erhält und weg marschiert.
Wie der Krieg zwischen Bunt und Grau zu einem guten Ende kommt, sollte man sich selber ansehen.
Jetzt tourt der Circolino Pipistrello durch die Schweiz und motiviert Jugendliche, Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen zum Mitmachen, Mitfreuen und Mitlachen. Der Start ist gelungen.

Erschienen in «Der Tößthaler», 2. April 2015

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